Berlin • Brandenburg
Berliner S-Bahn hat die strengen Winter 2008/09 und 2009/10 umfassend analysiert
11. Nov 2010
Noch vor den ersten Schneeflocken begann Anfang Oktober eine heftige Diskussion, ob die Berliner S-Bahn ausreichend auf den nächsten Winter vorbereitet ist. Die Sorge ist nicht unbegründet, denn im Januar 2009 gab es durch strenges Winterwetter die ersten massiven Zugausfälle. Hauptursache waren damals die Fahrsperren. Nachdem dieses Problem gelöst war, gab es im Dezember 2009 und Januar 2010 erneut massive Zugausfälle, dieses Mal durch vor allem durch Ausfall der Fahrmotoren. Hinzu kamen in beiden Wintern noch vereiste Türen und ähnliche Probleme.
Deshalb ist es nicht abwegig zu fragen, ob die S-Bahn dieses Mal so gut vorbereitet ist, dass es nicht erneut umfangreiche Zugausfälle gibt, falls es einen dritten strengen Winter geben sollte. Um solche Fragen und vor allem Vorwürfe zu entkräften, ging die S-Bahn schnell in die Öffentlichkeit und stellte am 7. Oktober ihr Winterkonzept vor:
„Berlins S-Bahn- Züge sollen künftig auch unter schwierigen Witterungsbedingungen zuverlässiger unterwegs sein als bisher.
Bereits im Frühjahr hatten Fachleute der Fahrzeuginstandhaltung des Unternehmens eine weitreichende Problemanalyse erstellt, die in ein umfangreiches Maßnahmenpaket mündete. Rechtzeitig zum Beginn der Wintersaison wird über die Hälfte der Maßnahmen abgeschlossen sein. Maßnahmen, die konstruktive Änderungen an den Fahrzeugen notwendig machen, sind in die Wege geleitet und werden nach Anlieferung der erforderlichen Bauteile zügig zu Ende gebracht.
Hauptgrund für Betriebsstörungen im letzten Winter war der umfangreiche Ausfall von Fahrmotoren. Flugschnee führte zu Kurzschlüssen. Verbesserte Isolierungen und Abdeckungen werden künftig Abhilfe schaffen. Auch wenn ein kompletter Austausch der Bauteile bis zur diesjährigen Wintersaison aus liefertechnischen Gründen nicht möglich ist, gibt es Entlastung: 150 Fahrmotore konnten aufgearbeitet werden. Weitere 90 Stück liegen als Tauschreserve in den Werkstätten.
Eine ungewöhnliche Lösung fanden die Techniker für Fahrzeugtüren der S-Bahn, die bei gefrorenem Schneematsch nicht richtig schließen. Helfen wird nun ein spezielles Enteisungsspray, das ähnlich wie bei großen Flugzeugen für Frostsicherheit sorgt.
Bei den Wintervorbereitungen arbeitet die S-Bahn Berlin eng mit DB Netze zusammen, das die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für einen zuverlässigen Betrieb in der kalten Jahreszeit sicherstellt. Bis zum 31. Oktober werden alle erforderlichen Arbeiten abgeschlossen. Weichenantriebe, Weichenheizungen, Signale und die zur Sicherungstechnik gehörenden Fahrsperren werden entsprechend vorbereitet. Mit einer 24-Stunden-Bereitschaft kann unmittelbar auf witterungsbedingte Ausfälle reagiert werden.
Die S-Bahn Berlin zeigt sich optimistisch, dass mit der umfassenden Analyse der Winterprobleme des Vorjahres und dem daraus abgeleiteten Maßnahmenpaket ein wichtiger Schritt zur Qualitätsverbesserung des S-Bahn-Verkehrs getan wird.“
Ob die getroffenen Maßnahmen ausreichen, wissen die S-Bahn-Mitarbeiter ebenso wie die Fahrgäste erst, wenn der Winter da ist. Aber es ist wenig hilfreich, die S-Bahn schon vorab in die Schlagzeilen zu bringen. Das schadet dem öffentlichen Verkehr insgesamt. Man darf der Deutschen Bahn und der S-Bahn GmbH glauben, dass sie kein Interesse haben, ein drittes Winterchaos durchzumachen.
In dem umfangreichen Winterkonzept fehlt allerdings ein wichtiger Baustein: Der Einsatz von Personal auf den Bahnhöfen zur Information der Fahrgäste und zur Abfertigung der Züge. Seitdem die Bahnsteigaufsichten auf vielen S-Bahnhöfen eingespart wurden, gibt es oft weder im Regel- noch im Störungsfall angemessene Fahrgastinformationen, weil sich der Ersatz der meisten Blechschilder durch dynamische Zugzielanzeiger verzögert hat und auch zentrale Durchsagen auf allen Bahnhöfen bei der S-Bahn – im Gegensatz zur U-Bahn – noch nicht möglich sind.
Aber auch das Fahrpersonal leidet unter dem Abbau der Aufsichten vor Einführung einer zugelassenen Zugselbstabfertigung. Dadurch müssen die Zugführer auf vielen Stationen zur Abfertigung aussteigen, was im Sommer zur Überhitzung und im Winter zur Auskühlung der Führerräume führt.
Die Abschaffung der Bahnsteigaufsichten war ein großer Fehler der im Sommer 2009 abgelösten alten S-Bahn Geschäftsführer, der leider bis heute nicht korrigiert wurde und sich durch das Fehlen technischer Fahrgastinformation und Zugabfertigung im kommenden Winter noch einmal unangenehm bemerkbar machen könnte.
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 5/2010 (November 2010), Seite 15