Aus den Verbänden
12. Sep 2010
Vor 30 Jahren, am 3. Juli 1980, wurde der Berliner Fahrgastverband IGEB gegründet, damals als Interessengemeinschaft Eisenbahn Berlin e. V. Anlass für die Gründung waren die Unzulänglichkeiten im Transitverkehr zwischen West-Berlin und Westdeutschland. Niemand im Westen fühlte sich dafür zuständig, weil der Verkehr von der Deutschen Reichsbahn (DR) mit Sitz in Ost-Berlin betrieben wurde.
Der IGEB-Gründer und erste Vorsitzende Gerhard J. Curth kam 1973 aus Bayern nach Berlin, war also nicht durch die Nachkriegserfahrungen der West-Berliner mit Luftbrücke, Berlin-Ultimatum, Mauerbau und S-Bahn-Boykott geprägt. Er war überzeugt, Verbesserungen im Transitverkehr nur dann erreichen zu können, wenn man mit dem Verantwortlichen spricht. Und das war nun einmal die Deutsche Reichsbahn der DDR. Dazu passend war das erste IGEB-Signet ein Flügelrad.
Als dann im September 1980 die Reichsbahner in West-Berlin streikten, stellte die DR auf der Hälfte des S-Bahn-Netzes in West-Berlin den Verkehr ein. Wichtige Strecken wie die Ringbahn und die Wannseebahn wurden nicht mehr befahren. Ab nun kümmerte sich die IGEB intensiv auch um die Berliner S-Bahn und zunehmend auch um das Verkehrsangebot der BVG.
Aufgrund der zusätzlichen Schwerpunkte wurde der Name 1987 in „Interessengemeinschaft Eisenbahn, Nahverkehr und Fahrgastbelange Berlin“ geändert. So ist die IGEB bis heute im Vereinsregister eingetragen. Daraus wurde dann in der Öffentlichkeitsarbeit allmählich der Berliner Fahrgastverband IGEB.
Die IGEB-Gründung 1980 hat die Verantwortlichen in Ost und West verunsichert. Irritierend war zum einen, warum sich ein Verein für die Interessen der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel einsetzte. Zum anderen machte sich die IGEB dadurch verdächtig, dass sie sich mit der Deutschen Reichsbahn und ihrem Verkehrsangebot befasste. Die Staatssicherheit im Osten (Stasi) und der Verfassungsschutz im Westen waren alarmiert und beobachteten die IGEB-Aktivitäten und insbesondere den Vorsitzenden Gerhard J. Curth schon bald mit großem Misstrauen.
Die deutsche Wiedervereinigung ermöglichte es, dass die in der DDR angelegte Akte über die operative Personenkontrolle (OPK) des IGEB-Vorsitzenden nun einsehbar ist. Sie dokumentiert eindrucksvoll, wie groß die Verunsicherung über Motive und Ziele seiner Vereinsarbeit war, bevor nach vierjähriger intensiver Überwachung 1986 festgestellt wurde, „daß der Verdacht der Untergrundtätigkeit gegen die Deutsche Reichsbahn in Westberlin bei Gerhard Curth nicht zutreffend ist.“
20 Jahre nach der Wiedervereinigung hält der heutige IGEB-Vorstand in Absprache mit seinem damaligen Vorsitzenden Gerhard J. Curth die Zeit für reif, die interessantesten Seiten über Anlass und Ergebnis der Überwachung auf den nachfolgenden Seiten zu veröffentlichen. Alle wesentlichen Informationen, die die Inoffiziellen Mitarbeiter Sicherheit (IMS) der Stasi über die IGEB berichtet haben, stimmen. So ist die Akte ein spannendes zeitgeschichtliches Dokument über das Nachkriegs-Berlin in der Zeit von Teilung und Kaltem Krieg – und über die Anfänge und die Arbeitsweise des ältesten noch heute aktiven Fahrgastverbands Deutschlands.
Informationen über die „Stasi“ und die auf den nachfolgenden Seiten verwendeten Abkürzungen gibt es unter www.bstu.bund.de
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 4/2010 (September 2010), Seite 21-27