Brandenburg
16. Jul 2010
Nach Diskussionen um den Fortbestand des letzten ostdeutschen Obus-Netzes in Eberswalde steht nun dessen Erhalt für die nächsten Jahre fest. Über einige Zeit hatte es Überlegungen gegeben, sich von diesem System zu trennen. In einem Gutachten wurde der Umstieg auf andere Systeme vorgeschlagen, doch die genannte Förderung der Umstellung erwies als nicht möglich und damit kostenintensiver als die Weiternutzung des Obusses.
Nachdem der Landkreis Barnim als Eigentümer der Barnimer Busgesellschaft sich für den Erhalt des Systems entschieden hatte, konnte mit dem positiven Votum des Aufsichtsrates die notwendige Ausschreibung von 12 neuen Fahrzeugen erfolgen.
Trotz einer für die Industrie vergleichsweise kleinen Stückzahl der bestellten Fahrzeuge gab es einige Bewerbungen. Nach einem Auswahlverfahren entschied sich der Aufsichtsrat für die Bietergemeinschaft von Solaris Bus & Coach aus Polen (Fahrzeug) und Cegelec aus Tschechien (Elektrische Ausrüstung) in Kooperation mit dem Verkehrsbetrieb Ostrava in Mähren (Endmontage) mit dem Produkt „Trollino 18 AC“. Fahrzeuge dieser Baureihe werden aktuell in Salzburg beschafft.
Diese baugleiche Beschaffung führte im Januar 2010 zum mehrwöchigen Probeeinsatz des Trollino 18 AC 301 der Salzburger Lokalbahn/Stadtbus. Hiermit konnten erste Erfahrungen für den Einsatz der Fahrzeuge in Eberswalde gesammelt und noch Änderungswünsche vor Beginn der Produktion an den Hersteller formuliert werden.
Die ersten drei Fahrzeuge sollen im November 2010 in Betrieb gehen, passend zum 70. Jahrestag der Eröffnung des zweiten Obus-Betriebes in Eberswalde. Bereits Anfang 1900 hatte es in Eberswalde kurzzeitig versuchsweise einen Obus gegeben. 1940 löste der Obus (wie auch in Salzburg) die elektrische Straßenbahn ab.
Am 21. August 2010 bei einem Tag der offenen Tür werden die jetzigen aus den 1990er Jahren stammenden Fahrzeuge verabschiedet.
Positiv für die Ausschreibung war, dass es durch einen in den letzten Jahren wieder gewachsenen Markt mittlerweile ein größeres Angebot an Fahrzeugen gibt. In der letzten Zeit beschafften zum Beispiel Solingen und Arnheim in den Niederlanden Swisstrolley vom Konsortium Hess und Vossloh-Kiepe.
Fast gleichzeitig mit der Entscheidung zur Beschaffung der Obusse erteilten die zuständigen Behörden der Barnimer Busgesellschaft (BBG) die Konzession für den weiteren Betrieb des Stadtverkehrs in Eberswalde.
Es bleibt zu hoffen, dass die neue brandenburgische Landesregierung und möglicherweise die Bundesregierung in der nächsten Zeit über eine verbesserte Förderung des bewährten umweltfreundlichen Systems Obus nachdenken. Wer die anderen Systeme beobachtet, wird sehen, dass diese oft nach Einstellung der Startförderung wieder aufgegeben werden. Erinnert sei hier an Biodiesel, Gasantrieb, Wasserstoff oder aktuell selbst die Hybridbusse. Dass eine Politik „pro Obus“ ein großer Erfolg werden kann, zeigt Salzburg. Hier wuchs das Netz in den letzten Jahren, der Wagenpark wird verjüngt, und man argumentiert neben der Fahrgastfreundlichkeit des Systems mit der Verwendung von Wasserkraft aus der Salzach.
Es bleibt zu hoffen, dass es in den nächsten Jahren in Brandenburg bzw. in Deutschland eine beschleunigte Wiederauferstehung des elektrischen Nahverkehrs gibt.
DBV Berlin-Brandenburg
aus SIGNAL 1/2010 (März 2010), Seite 42