Fernverkehr

Hausgemachte Konkurrenz

Neue DB-Expressbusverbindung Nürnberg—Prag


Deutscher Bahnkunden-Verband

15. Sep 2009

Fernbus nach Dresden des DB-Unternehmens BEX am Flughafen Berlin-Schönefeld. Statt auf der Schiene engagiert sich die Deutsche Bahn jetzt auf der Straße. Die Fernbusse Berlin—Dresden erreichen ähnliche Fahrzeiten wie die EuroCity-Züge in dieser Relation, die Fernbusse Nürnberg—Prag bieten sogar deutlich kürzere Fahrzeiten als die direkten RegionalExpress-Verbindungen. Zugleich werden bei beiden Bahnstrecken Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau der Infrastruktur und damit zur Beschleunigung des Schienenverkehrs unterlassen bzw. verschleppt. Foto: Christian Schultz

Seit dem 9. August 2009 bestehen zwischen Nürnberg Hbf und dem Bahnhof Praha hl.n. direkte Express-Fernbusverbindungen. Die Fahrpreise der Busse sind niedriger und die Fahrzeiten deutlich geringer als bei den beiden umsteigefreien RegionalExpress- Zugpaaren. Unverständlich ist dieser Schritt auch vor dem Hintergrund, dass die Verbesserungspotenziale im Schienenverkehr bisher nicht genutzt wurden. Auf die Straße zu setzen, sollte für Bahnunternehmen eigentlich nur eine Notlösung sein, wenn beispielsweise am Zielort keine Schienenanbindung existiert.

Der Expressbus-Verkehr zwischen Nürnberg und Prag ist ein Kooperationsprodukt der Deutschen Bahn DB und Tschechischen Bahnen ČD. Pro Tag und Richtung werden sechs Busverbindungen im 2-Stunden-Takt angeboten. Zwischen Nürnberg Hbf und dem Bahnhof Praha hl.n. gibt es dabei keine planmäßigen Zwischenhalte. Die Fahrzeiten der Busse sind mit 3 Stunden 45 Minuten deutlich geringer als bei den beiden RegionalExpress- Zugpaaren mit 5 Stunden 15 Minuten. Die eingesetzten Fernbusse verfügen über die 1. und 2. Klasse, eine Bordküche mit Kalt und Heißgetränken sowie kleinen Snacks, Bord-WC und Steckdosen am Platz.

Außerdem gilt in den Expressbussen auch das Angebot „Europa-Spezial“. Die einfache Fahrt von Nürnberg nach Prag ist so bereits ab 19 Euro erhältlich (allerdings in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit). Die Aktionspreise müssen jedoch mindestens 3 Tage vor Reiseantritt gebucht werden. Zum Vergleich: Das „Prag Spezial“ für das parallele Schienenangebot kostet 51 Euro pro Person für die Hin- und Rückfahrt in der 2. Klasse.

Für die Plätze in den Fernbussen besteht eine Reservierungspflicht. Bei gleichzeitigem Fahrscheinkauf ist jedoch die Reservierung im Fahrpreis enthalten – im Gegensatz zur kostenpflichtigen Platzreservierung für eine Fahrt im InterCity oder ICE!

Fernzüge Nürnberg—Prag 2004 eingestellt

Nach der Strecke Berlin—Dresden wird nun also eine weitere Fernbuslinie mit Beteiligung der Deutschen Bahn angeboten. Unverständlich ist dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Attraktivitätssteigerung und Verbesserung des Schienenverkehrsangebotes für ein Bahnunternehmen vorrangige Aufgabe sein müsste. Aber auch nach dem EU-Beitritt Tschechiens zeigte die Deutsche Bahn bisher praktisch kein Interesse an der Weiterentwicklung des Bahnangebots zwischen Nürnberg und Prag. Im Gegenteil: Der Fernverkehr wurde zum Fahrplanwechsel im Dezember 2004 aus kurzsichtigen betriebswirtschaftlichen Gründen eingestellt.

Daraufhin bestellte erfreulicherweise die Bayrische Eisenbahngesellschaft (BEG) ersatzweise Leistungen des Regionalverkehrs bei DB Regio. Gerade einmal zwei umsteigefreie RegionalExpress-Verbindungen werden so in dieser Relation im laufenden Fahrplanjahr angeboten, zwei weitere direkte Zugpaare verkehren zwischen München und Prag. Das Angebot ist damit weit entfernt von einem attraktiven Taktfahrplan. Die Züge benötigen angesichts häufiger Halte – Hauptaufgabe ist schließlich die regionale Erschließung – für die Strecke Nürnberg— Prag eine mit 5 Stunden 15 Minuten deutlich längere Fahrzeit als die Expressbusse und sind zudem noch teurer.

Entsprechend einer Bestellung der BEG und des Ministeriums für Verkehr der Tschechischen Republik wird es ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2009 zwar auch Verbesserungen im Schienenverkehr geben, die derzeitigen Fernbus-Fahrzeiten werden damit jedoch nicht annähernd erreicht. Ab benanntem Zeitpunkt wird nunmehr die Vogtlandbahn GmbH im deutschen Abschnitt die Zugleistungen Nürnberg—Prag unter dem Produkt „alex“ übernehmen. Die alex-Dieselloks werden künftig bei allen Zügen grenzüberschreitend bis Pilsen eingesetzt, wodurch der zeitraubende Lokwechsel in Furth im Wald entfällt. Die Fahrzeiten verkürzen sich dadurch um rund 20 Minuten. DB Regio hat die entsprechenden Leistungen damit an die Vogtlandbahn GmbH verloren, der ersatzweise Einsatz von Fernbussen durch die Deutsche Bahn ist jedoch Konkurrenz an falscher Stelle.

Es geht auch anders: RE 100

Die Linie RE 100 Dresden—Wrocław (hier in Legnica) als Vorbild: Kurze Fahrzeiten, moderne Fahrzeuge und spezielle Tarifangebote machen diese internationale Verbindung attraktiv. Foto: Florian Müller

Dass es durch koordinierte Abstimmung des Angebotes auch anders geht, beweist die seit dem 1. März 2009 bestehende RegionalExpesslinie 100 Dresden—Görlitz— Wrocław (Breslau). Für den Einsatz auf dem polnischen Schienennetz umgebaute, klimatisierte Dieseltriebwagen (Baureihe 642), Fahrzeitverkürzungen und die Einführung des Tarifangebots „Dresden-Wrocław Regio Spezial“, verbunden mit guter Werbung, führten in dieser Relation zu einer erfreulichen Attraktivitätssteigerung des Zugangebotes. In der Relation Nürnberg—Prag wären u. a. durch konsequente Trennung der regionalen und überregionalen Erschließung mit entsprechenden Angeboten des Schienenverkehrs und nicht zuletzt durch (allerdings nur langfristig möglichen) Ausbau bzw. Elektrifizierung der Infrastruktur deutliche Verbesserungen möglich. Und: Warum gibt es zwischen Nürnberg und Prag bzw. auch München und Prag eigentlich bis heute kein Angebot analog dem „Berlin- Warszawa-Express“?

Deutscher Bahnkunden-Verband

aus SIGNAL 4/2009 (September 2009), Seite 21-22