Aktuell
1. Mai 1992
Zwei Streckeneröffnungen gab es zumFahrnlanwechsel in Berlin: Zum einen die S-Bahn von Frohnau nach Hohen Neuendorf, zum anderen die Regionalbahn von Spandau nach Jungfernheide. Doch während Senat und DR bereits seit über einem Jahr mit den Arbeiten zur Wiederinbetriebnahme der S-Bahn-Strecke beschäftigt waren, hatte die Öffentlichkeit von der Regionalbahnstrecke bis vor kurzem noch nichts gehört. Wie kam es nun dazu?
Wegen der Bauarbeiten auf der Stadtbahn können die Züge der R-Bahn-Linie 5, der immer noch einzigen in den Westteil Berlins verkehrenden Regionallinie, nicht mehr den Bahnhof Charlottenburg anfahren. Da der Spandauer Hauptbahnhof zum Wenden der aus Nauen kommenden Züge ebenfalls zu wenig Platz und außerdem keinen Anschluß an S- und U-Bahn bietet, wollte die Reichsbahn die Züge an einem neu zu bauenden Bahnsteig im Spandauer Güterbahnhof enden lassen. Dieser Bahnhof liegt zwar sehr günstig zum Spandauer Zentrum, bietet aber außer zur U7 keine Anbindung an das übrige Bahnnetz, insbesondere nicht zum Spandau Hbf. Der Kreis Nauen wäre so vom hochwertigen Fernverkehr abgekoppelt worden.
Am 1. April sollten die Bauarbeiten im Spandauer Güterbahnhof beginnen. Deswegen wandte sich die IGEB an den Präsidenten der Reichsbahndirektion Berlin, Herrn Remmet, und unterbreítete ihm in einem Gespräch am 13. März Alternativorschläge, welche den IC-Anschluß für die Fahrgäste aus dem Kreis Nauen erhalten. Der von der IGEB bevorzugte Plan sah vor, die R-Bahn an der Heerstraße auf die Gleise zu führen und im Westkreuz enden zu lassen. Falls dies nicht möglich sei, sollten die über die Lehrter Bahn zu den Bahnhöfen Jungfernheide und Lehrter Bahnhof fahren, um so nicht nur den IC-Anschluß in Spandau Hbf zu erhalten, sondern auch eine Verknüpfung mit U- und S-Bahn zu bieten. Nach dem Gespräch wurden bei der DR die Planungen auf dem Güterbahnhof gestoppt und eine Entscheidung zugunsten der zweiten Variante getroffen, zunächst allerdings nur bis Jungferheide.
In den verbleibenden zweieinhalb Monaten bis zum Fahrplanwechsel bewerkstelligte die Reichsbahn nicht nur die notwendigen Planungen, sondern auch deren Ausführung. Die Arbeiten umfaßten den Umbau der Gleisanlagen, die Erarbeitung der neuen Umlaufpläne, die Einweisung des Fahrpersonals und die Wiederinbetriebnahme des seit fast zwölf Jahren stilliegenden S-Bahnhofs Jungfernheide. Pünktlich zum 31. Mai konnte der Betrieb auf der “neuen” Strecke aufgenommen werden. Bei der BVG reichte diese Zeit dagegen nicht einmal, den neuen Fahrplan in ihr Kursbuch aufzunehmen. In diesem Druckwerk enden die Züge der R5 im Bahnhof Spandau. Nur eine Anmerkung kündigt in eigenwilligem Deutsch an: »Fahrzeiten und Aufnahme des Zugverkehrs nach Jungfernheide erfolgen gesondert«. Vielleicht hielt man es bei der BVG einfach für ausgeschlossen, daß in Berlin Bauarbeiten in derart kurzer Zeit fristgerecht beendet werden könnten …
Inzwischen hat die DR mit den Planungen für die notwendige Verlängerung von Jungfernheide bis Lehrter Bahnhof begonnen, wodurch ein Anschluß zu S3, S5, S6 und S9 hergestellt werden soll. Es ist zu wünschen, daß der zweite Schritt ebenso schnell und erfolgreich wie der erste abgeschlossen werden kann. In diesem Zusammenhang muß endlich auch ein “Unterwegshalt” in Staaken eingerichtet werden. Es ist nicht zu verstehen, daß die DR zur Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA 92) in Schönefeld für ein paar Tage einen Behelfsbahnsteig bauen konnte, dies in Staaken aber nicht möglich sein soll.
Die Verlängerung von Jungfernheide zum Lehrter Bahnhof sollte außerdem zum Anlaß genommen werden, diese bisher noch relativ wenig bekannte Linie als die erste CityBahn-Linie im Raum Berlin öffentlichkeitswirksam einzuführen. Die entsprechenden Wagen werden auf dieser Linie ja bereits seit dem 31. Mai eingesetzt. Doch es reicht eben nicht, ein Angebot zu verbessern. Die Reichsbahn muß es auch einer breiten Öffentlichkeit kundenwirksam verkaufen.
IGEB
aus SIGNAL 5/1992 (Juli 1992), Seite 7-9