Nahverkehr
1. Mai 1992
Nun fährt sie schon einige Zeit: die S-Bahn zwischen Wannsee und Potsdam Stadt. Daß diese Wiederinbetriebnahme und die anderen zwei in diesem Jahr eindeutig zu wenig sind, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden. Als Folge des S-Bahn-Angebotes, aber auch aufgrund fehlender Gelder bei Land und Kommune hat sich in Potsdam inzwischen einiges getan.
Die auf Jahre hinaus einschneidendste Maßnahme, besonders für die Bewohner der ländlichen Gebiete, dürfte das Aufsplitten des Verkehrsbetriebes in die “Havelbus Verkehrsgesellschaft mbH” und den “ViP” sein. Die Havelbus-Gesellschaft ist eine Gründung der Kreise Potsdam Land und Nauen. Der Oberbürgermeister Potsdams lehnte eine Beteiligung der Stadt ab. Vollzogen wird die Trennung am 1. Juli. Danach betreibt der ViP das innerstädtische Netz sowie einige Sonderlinien und die Havelbus-Gese1lschaft den Regionalverkehr. Leider gibt es Anzeichen für eine erhebliche Verschlechterung des Verkehrs in den ländlichen Gebieten. So will man einen nicht unwesentlichen Teil des ländlichen Busverkehrs in private Hand abgeben. Kritisch sehen nicht wenige Verkehrsinteressierte auch die zukünftige Betriebsführung durch den bisherigen Hauptabteilungsleiter Verkehr des ViP an. Die weitere Entwicklung bedarf also kritischer Beobachtung.
In der Stadt Potsdam selber gab es mit der S-Bahn-Wiederinbetriebnahme und dem regulären Fahrplanwechsel am 31.5. einige erhebliche Änderungen. Leider sind diese nicht nur positiv, ausgelöst durch eine mehr als fragwürdige Finanzpolitik der Stadt Potsdam, aber auch des Landesverkehrsministers Wolf. Zur besseren Übersicht nun der zeitliche Ablauf: Am 1. April reagierte der Verkehrsbetrieb auf die S-Bahn-Wiederinbetriebnahme mit der Abstimmung der Stadtbuslinien (einschließlich des Trolleybusses) auf die S-Bahn. Dabei wurden auch einige Linienverläufe zu den S-Bahnhöfen verlegt. Eine eigentlich von der BVG zugesicherte Verlängerung des 118ers bis Drewitz erfolgte noch nicht. Begründet wurde das mit Brückenbauarbeiten in Kohlhasenbrück, nur es gab keine mehr. Zu vermuten ist, daß die Verlängerung erst am 31.5. erfolgte, weil noch einige Haltestellen errichtet werden mußten und der ViP noch nicht in der Lage war, die Gegenleistung auf der BVG-Linie 116 zu erbringen.
Seit Ostern, genau: seit dem 18. April macht der ViP den vielen mit der S-Bahn nach Potsdam kommenden Touristen ein besonderes Angebot. Ab dem Bf. Potsdam Stadt verkehren drei Ausflugslinien, die Buslinien A1 und A3 sowie die Tramlinie A2. Die Busse der A3 haben einen Anhänger, mit dem Fahrräder transportiert werden können! Es gilt ein Sondertarif. Am 31.5. trat der neue Fahrplan des ViP in Kraft, und mit ihm die Ergebnisse einer verfehlten Stadtpolitik. Die Potsdamer Tram fährt nun in einem 20Minuten-Takt, welcher nach Linienänderung und Neuschafung einer Linie nun auf Streckenästen durch Linienüberlagerungeb eine Bedienung mindestens alle 10 Minuten je Strekenast mit sich bringt. Dies ist aber ab 19 Uhr vorbei, so daß jeder Streckenast danach nur noch alle 20 Minuten bedient wird. Dabei ignorierte der Fahrplanplaner auch, daß die Deutsche Reichsbahn in den Abendstunden beispielweise den “Hauptbahnhof” mit R-Bahnen bedient, so daß für Umsteiger jetzt unangenehme Wartezeiten entstehen. Diese Ignoranz setzt sich fort mit der Nichtbeachtung der an den Wochenenden verkehrenden Nacht-SBahn.
Bei den Stadtlinienbussen erfolgte eine nochmalige Linienkorrektur, um eine bisher durch die Tram bediente Strecke weiterhin zu erschließen und ein zusätzliches Wohngebiet an das Nahverkehrsnetz anzuschließen. Mit dem Fahrplanwechsel am 31.5. nahm dann auch die BVG die 118er Verlängerung in Betrieb. Leider gibt es aber auch im Busnetz des ViP Kritikpunkte: So verkehrt der 692er an den Wochenenden nur alle 40 Minuten, was eine erhebliche Verschlechterung für die Bewohner der Teltower Vorstadt (bisher Tram) und eine unbefriedigende Bedienung der Gebiete Bornim/Bornstedt bedeutet. Hervorgerufen sind diese Negativfälle durch das mangelnde Interesse einiger (autofahrender) ViP-Oberen, welche die von der Stadt geforderten Einsparungen zu Lasten der Fahrgäste und leider auch der Fahrbediensteten durchdrückten. Ein gestiegenes Fahrgastaufkommen weist unser “Sorgenkind”, der Trolleybus auf - eine Folge der S-Bahn-Wiederinbetriebnahme. Vielleicht bewegt das nun doch einige Verantwortliche in der Stadt Potsdam zu einer Entscheidung “Pro Trolleybus”. Mehr zum Trolleybus bietet Ihnen unser Heft “Nahverkehr in Potsdam - Alternativen & Möglichkeiten” mit dem Schwerpunkt “Trolleybus”. Das 80 Seiten umfassende Heft (DIN A4) ist zu beziehen über ARGUS, Grppe Stadtverkehr, Lindenstraße 53, O-1560 Potsdam zum Preis von nur DM 3,50 zzgl. DM 1,20 DM für das Porto als Büchersendung
ARGUS Potsdam
Gruppe Stadtverkehr
aus SIGNAL 5/1992 (Juli 1992), Seite 13-15