Nahverkehr
Fahrgäste der U5 müssen morgens frieren
1. Sep 1995
Der nächste Winter kommt bestimmt. Und wenn alles so bleibt wie bisher, wird die BVG ihren wissenschaftlichen Versuch am lebenden Objekt wohl fortsetzen. So könnte man einen Brief interpretieren, den der Berliner Fahrgastverband IGEB vom U-Bahn-Untemehmensbereichsleiter der Herrn Dr. Lipinsky, erhielt. Nach diesem Brief ist auch im nächsten Winter keine Lösung in Sicht.
Das Problem: der U-Bahn-Linie 5 werden nur Fahrzeuge der Baureihe D eingesetzt, und die können nicht vorgeheizt werden. Die Fahrzeuge beziehen ihre Heizenergie über die bei Anfahrt und E-Bremsung anfallende Wärmemenge, Da viele der U5-Züge nachts im Freien abgestellt werden, insbesondere in Hönow, ist bei Betriebsbeginn der Fahrgastraum genauso warm bzw. kalt wie die Berliner Luft. Das bedeutet, daß die Züge fast ein Drittel des Jahres mit Temperaturen um oder unter dem Gefrierpunkt in den morgendlichen Berufsverkehr starten, so daß die Fahrgäste der U5 auf der über halbstündigen Fahrt von Hönow bis Alex frieren dürfen. Früher haben sich die West-Berliner Reisenden und Politiker (zurecht) über die DR beklagt, weil sie nicht vorgeheizte Züge auf die Transitreise von Berlin gen Westen schickte. Heute bietet die BVG dieselbe "Qualität". Übrigens: Die bis 1994 auf der U5 eingesetzten Züge der Baureihe E, ehemalige SBahn-Wagen, ließen sich vorheizen.
Am U-Bahn-Sprechtag bei den Schienenverkehrswochen fiel der Satz, daß durchgreifende Verbesserungen auf der U5 erst dann zu erwarten seien, wenn die U5 durch die Verlängerung nach Westen zur "Regierungs-U-Bahn" wird. Da dies mindestens noch ein Jahrzehnt dauern wird, sollte die BVG ihren Fahrgästen bis dahin dicke Mäntel und Decken Fahrten auf der U5 ausleihen Also, liebe U-Bahner: Vertrösten Sie die Hellersdorfer nicht auf die Westverlängerung der U5. Bis zum Beginn der nächsten Heizperiode erwarten wir eine Änderung. Z.B. könnte man einen begrenzten Fahrzeugtausch zwischen Ost und West vornehmen, indem vorheizbare Züge auf die U5 und Züge der Baureihe D auf diejenigen "Westlinien" kommen, die Abstellmöglichkeiten im warmen Tunnel haben. Oder aber, den Elektrikem gelingt es, in die D-Züge einen zusätzlichen Heizungsschalter einzubauen.
IGEB
aus SIGNAL 6/1995 (September 1995), Seite 20