Nahverkehr
1. Sep 1995
Seit Oktober 1994 laufen die Arbeiten zur Sanierung der Stadtbahn, auf einer Baustelle von 8,8 km Länge zwischen Zoo und Hauptbahnhof, auf der Fahrgäste wie Anwohner den Fortgang der Arbeiten tagtäglich erleben. Die vororientierende Planung hatte deutlich gemacht, daß es sich um ein kompliziertes Bauvorhaben handeln würde. Der tatsächliche Bauzustand, der nach Beginn der Arbeiten erkennbar wurde, stellte Planer und Ausführende vor immer neue, nicht voraussehbare Probleme. So waren täglich Anpassungen oder Änderungen erforderlich. Neue Lösungen mußten gefunden werden, dies bedeutete vor allem einen höheren zeitlichen Bedarf.
Um weiteren Zeitverlust zu vermeiden, wird von Planern und Bauleuten auf allen Streckenabschnitten mit voller Kraft gearbeitet; an zehn Stellen zugleich entsteht die durchgehende Betonplatte als Fundament der künftigen Gleistrasse. Zugleich wird die Betonierung der Gleise in der festen Fahrbahn vorbereitet. Beschleunigt werden die Beschichtungs und Korrosionsschutzarbeiten an Brücken und Stahlteilen. Auch an Wochenenden und in den Nachtstunden werden zusätzliche Arbeiten nicht zu umgehen sein, hier geht es insbesondere um die Material- und Baustoffanlieferung.
Durch die Behinderungen und Verzögerungen, die nicht von der DB zu verantworten sind, wird - trotz aller Maßnahmen zur Beschleunigung - die Betriebsaufnahme der neuen Anlagen der voraussichtlich erst im Sommer 1996 möglich sein. So werden unter Beachtung ausreichender Prüf- und Erprobungszeiten - der Abschnitt Lehrter Stadtbahnhof - Zoo im Juli 1996 und der gesamte Abschnitt im August 1996 in Betrieb genommen werden.
[IGEB] Geplant war Januar 1996, nun soll es Sommer 1996 werden. Und das wird noch nicht die letzte Verschiebung gewesen sein. Dies ist ärgerlich für die Fahrgäste, aber kein Grund für Vorwürfe und Schuldzuweisungen. Die Stadtbahnsanierung unter Betrieb ist ein äußerst schwieriges Vorhaben, und es ist gut, daß die Bahn schon am 19. Juni 1995 mitteilte, daß eine Terininverschiebung unvermeidlich ist.
Vorwerfen müssen wir der Bahn allerdings die anfängliche Selbstsicherheit, als wir Zweifel anmeldeten, ob denn der Termin Januar 1996 zu halten sei. Diese Frage spielte eine nicht unerhebliche Rolle bei der Auseinandersetzung um Ersatzbahnsteige oder SEV per Bus. Je länger die Bauarbeiten dauern, umso eher sich die Kosten für die vom Berliner Fahrgastverband geforderten Ersatzbahnsteige rechtfertigen lassen. Doch das ist nun Geschichte.
Keineswegs Geschichte ist dagegen die Planung für den Tiergarten-Tunnel. Auch hier, bei einem der kompliziertesten Bauvorhaben Europas, dulden die Politiker und Planer keinen Zweifel an der Terminkette. Sind es Arroganz, Ignoranz, Naivität, Selbstüberschätzung, bewußte Täuschung oder die Unfähigkeit zum Lernen aus Erfahrung? Wie auch immer die mit Sicherheit wenig schmeichelhafte Antwort ausfällt, eines ist gewiß: Jede Terminkette, die uns für die Realisierung des (und andere Berliner Großprojekte) präsentiert wird, ist unglaubwürdig, wenn sie nicht durch Zusätze wie "wir streben an" und "voraussichtlich" relativiert wird. lm Falle der Stadtbahnsanierung ist dies erfreulicherweise endlich geschehen: "Betriebsaufnahme voraussichtlich erst im Sommer 1996 möglich". Warum nicht gleich so?
Deutsche Bahn AG Konzernkommunikation Berlin/Brandenburg
aus SIGNAL 6/1995 (September 1995), Seite 24-25