Aktuell
Pläne für die Verknüpfung von S-Bahn und Regionalverkehr
1. Dez 1995
Medienwirksam mit viel Prominenz erfolgte am 14. August der Spatenstich für die Verlängerung der S25 von Berlin-Tegel nach Hennigsdorf, aber schon bald wurde das Vorhaben - unter Aus- schluß der Offentlichkeit - vom Eisenbahn-Bundesamt blockiert (siehe Kommentar auf Seite 10). Während die Fahrgäste entlang der Kremmener Bahn seit Jahren solche Wechselbäder durchma- chen, gab es am südlichen Ende der S25, auf der Anhalter Bahn, einige bemerkenswerte Veränderungen hinsichtIich der Planungen und der Terminabläufe, die in der Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommen bzw. beachtet wurden. Sie bieten Anlaß genug für einen kurzen Rückblick und eine Beschreibung des (hoffent- lich) aktuellen Planungsstandes für die Anhalter Bahn.
Mit der Übemahme der S-Bahn durch die BVG am 10. Januar 1984 hatte der (West-)Berliner Senat auch die S-Bahn auf der Anhalter Bahn stillgelegt. Selbst ein 1986 erfolgreiches Bürgerbegehren in Steglitz mit rund 20.000 Unterschriften änderte zunächst nichts an der Planung, die Strecke von Priesterweg bis Lichterfelde Süd erst Ende des Jahrhunderts wieder in Betrieb zu nehmen. Unter dem damaligen CDU-Senator Wronski fiel 1988 sogar eine Entscheidung, die Verlängerung der U-Bahn-Linie 9 von Rathaus Steglitz über Munsterdamm auf die Anhalter Bahn nach Lichterfelde Süd zu führen.
Diese Entscheidung wurde 1989 vom - inzwischen rot-grünen - Senat revidiert, Die "S25" erhielt eine hohe Priorität und sollte bis Ende 1993 zwischen Priesterweg und Lichterfelde Süd wieder reaktiviert werden. Hierfür war eine Sparvariante für insgesamt 100 Mio DM vereinbart worden.
Auch diese Entscheidung wurde, nach Neuwahl des Berliner Senats und Beginn der Großen Koalition, im Jahre 1991 wieder revidiert, wobei auch planerische Schwierigkeiten, z.B. durch eine geplante Verbreiterung der Königsberger Straße, und Kostenerhöhungen eine Rolle gespielt haben. Daraufhin entschied Bausenator Wolfgang Nagel, zunächst nur die Strecke von Priesterweg bis Lichterfelde Ost unter lnkaufnahme eines eingleisigen Abschnittes und einer provisorischen Herrichtung der S-Bahnhöfe bis Ende 1994 wieder aufzubauen.
Die Wiederinbetriebnahme erfolgte auf diesem 3,9 km langen Abschnitt (Kosten: 120 Mio DM) dann jedoch erst am 28. Mai 1995 zusammen mit der des Abschnittes von Schönholz nach Tegel (Kremmener Bahn).
Für den Weiterbau der S-Bahn von Lichterfelde Ost nach Lichterfelde Süd war nunmehr das Jahr 1998 im Gespräch. Das Land Brandenburg hatte inzwischen mit der S-Bahn Berlin GmbH und dem Senat von Berlin Einigkeit darüber erzielt, daß die S25 nicht mehr wie früher nach Teltow/ Heinersdorf - einem relativ dünn besiedelten Gebiet an der Anhalter Fernbahn, sondem in das einwohnerstärkere und mit etlichen Gewerbebetrieben belegte Gebiet von Teltow Stadt geführt werden soll. Hier war bereits Ende der 30er Jahre eine Trasse geplant und zum Teil im Erdbau auch schon vorbereitet worden. Das Land Brandenburg hatte ursprünglich für den Abschnitt Lichterfelde Süd - Teltow Stadt als Inbetriebnahmetermin das Jahr 2002 avisiert, Eine Trassen freihaltung erfolgt übrigens darüber hinaus von Teltow Stadt nach Stahnsdorf, dem ehemaligen Endpunkt der am 13. August 1961 stillgelegten "Friedhofsbahn" von Berlin-Wannsee.
Doch abermals wurden die Terminvorstellungen revidiert, erstmals jedoch im positiven Sinne: Die "Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Ein- heit" (PBDE) untemahm nach der mit acht Monaten ungewöhnlich schnellen Fertigstellung der Hamburger Bahn von Spandau bis Falkensee einen Vorstoß bei der Deutschen Bahn AG und dem Senat und bewarb sich um die Herstellung der S-Bahn-Strecken von Tegel nach Hennigsdorf und von Lichterfelde Ost über Lichterfelde Süd nach Teltow. Dieser Vorstoß erfolgte vor dem Hintergrund, daß bei der PBDE aufgrund von Kürzungen im Finanzierungsplan des Bundesministeriums für Verkehr Schienenprojekte zeitlich nach hinten verschoben wurden (u.a. das Projekt Deutsche Einheit Nr. 8, die Fernbahn Berlin - Nürnberg, um drei Jahre!), wodurch bei der PBDE Planungs- und Baukapazitäten in erheblichem Umfange frei wurden, Die PBDE erhielt dann im Sommer 1995 den Zuschlag für den Bau der S-Bahn-Strecke von Tegel nach Hennigsdorf, wofür die Projektgesellschaft einen Wiederinbetriebnahmetemun im Dezember 1996 zusagte, Die S-Bahn-Strecke S25, zunächst von Lichterfelde Ost bis Lichterfelde Süd, soll jedoch weiterhin durch die Berliner Senatsbauverwaltung wiederhergestellt werden, da sich diese nunmehr plötzlich bereit erklärte, diesen Streckenabschnitt ebenfalls bis Ende 1996 herzustellen.
Inzwischen bemüht sich das Land Brandenburg, den Inbetriebnahmetermin für den Abschnitt Lichterfelde Süd - Teltow Stadt ebenfalls vorzuziehen, voraussichtlich auf das Jahr 1998. Die Chancen werden in Potsdam nach Auskunft aus dem Verkehrsministerium als günstig angesehen, da dieser 3,2 km lange Abschnitt überwiegend auf ebenem Gelände und eingleisig und somit sehr kostengünstig (ca. 55 Mio DM) realisiert werden soll. Nachdem ein standardisiertes Bewertungsverfahren für diesen Abschnitt positiv ausgegangen ist, muß nunmehr vor Baubeginn noch ein Planteststellungsverfahren durchgeführt werden.
Auf dem im Land Berlin gelegenen S-Bahn Abschnitt von Lichterfelde Ost nach Lichterfelde Süd sind zwei wichtige Planungsänderungen eingetreten: Zum einen soll - etwas überraschend - der Haltepunkt Osdorfer Straße bereits mit der Strecken-Wiederinbetriebnahme erstellt werden, zum anderen soll der S-Bf-Lichterfelde Süd nun doch etwa in seiner alten Lage südlich des Straßenzuges Holtheimer Weg - Réaumurstraße wiederaufgebaut werden. Bereits 1983 war in einer Forschungsarbeit der TU Berlin empfohlen worden, im Falle einer Realisierung des S-Bfs Osdorfer Straße den S-Bf Lichterfelde Süd in seiner bisherigen Lage zu belassen, weil sich bei einer Verschiebung nach Norden die fußläufigen Einzugsbereiche zu sehr überlagern würden. Ein zusätzliches wichtiges Argument für die Südlage ergibt sich heute aus der Verfügbarkeit über das ehemalige amerikanische Truppenübungsgelände "Park Range", auf dem in absehbarer Zeit eine größere Wohnsiedlung, u.a. für Bundesbeamte und mit einem Bereich für autofreies Wohnen, errichtet werden soll.
Zur Korrektur der Planung für den S-Bf Lichterfelde Süd ist umso bemerkenswerter, weil das Planfeststellungsverfahren für die Verschiebung nach Norden bereits durchgeführt war. Doch die Verantwortlichen sahen zum Glück ein, daß nur mit der Südlage ein ausreichend großer Abstand von ca. 1100 m zum Haltepunkt Osdorfer Straße gegeben ist, wodurch dieser eine völlig eigenständige Verkehrsbedeutung erlangt, Auch ergibt sich mit zwei S-Bahnhöfen eine recht günstige Erschließung der dicht bebauten Thermometer-Siedlung. Ein wichtiges Moment für den sofortigen Bau des Haltepunkts Osdorfer Straße war wohl auch, daß dieser während des Baus dieses S-Bahn-Abschnittes kostengünstig "mitgebaut" werden kann.
Nach den PlanfeststelIungsunterlagen für den Bau der Fernbahn wird im Bereich des Bahnhofs Lichterfelde Ost an der Königsberger Straße eine erheblich aufgeweitete Brücke eingebaut werden, ebenso bei der S-Bahn. Dies ermöglicht eine Verbreiterung der Königsberger Straße auf acht (!) Fahrspuren in diesem Bereich.
Seitens des Senats von Berlin besteht weiterhin die Zielplanung, den S-Bahnhof Lichterfelde Ost, der heute nur einseitig angeschlossen ist, um den bestehenden Bahnhofszugang in der Achse Bahnhofstraße umzuklappen und somit an die Königsberger Straße mit beidseitigen Zugängen anzuschließen. Dies hätte hinsichtlich der Einzugsbereiche erhebliche Vorteile und würde auch die Umsteigebedingungen von bzw. zu den Omnibussen im Straßenzug Königsberger Straße - Oberhofer Weg verbessem. Wann diese Umklappung realisiert wird, dürfte allerdings vor allem eine Frage der Finanzen sein. Derzeit gibt es jedenfalls sehr viel wichtigere Projekte. Außerdem wären in diesem Fall die in den provisorischen Ausbau des S-Bfs Lichterfelde Ost gesteckten Gelder verloren.
lm Zusammenhang mit der zur Jahrhundertwende geplanten Fertigstellung der Fernbahn soll in Lankwitz der provisorische eingleisige S-Bahn-Abschnitt in die zweigleisige Endlage umgebaut werden. Dabei müßten, falls das sogenannte Projekt Deutsche Einheit Nr. 17, der Wasserstraßenausbau zwischen Hannover und Berlin, weiterhin verfolgt wird, die Bahnbrücken über den Teltowkanal entsprechend aufgeweitet werden. Sehr viel sinnvoller könnte das Geld angelegt werden, wenn im Rahmen dieser Umbaumaßnahmen der Bahnhof Lankwitz an oder sogar über die Leonorenstraße verschoben würde, um günstige Umsteigebedingungen von und zu den in diesem Bereich häufig verkehrenden Omnibussen zu ermöglichen.
Die Anhalter (Fern-)Bahn ist hinsichtlich des Personen- und Güterverkehrsaufkommens nach der Relation Berlin - Hannover die wichtigste vom Berliner Stadtgebiet ausgehende Femstrecke. Sie ist demzufolge als Bestandteil der Europäischen Magistrale Berlin - Leipzig/Halle - München - Brenner - Italien in allen Konzepten mit hoher Priorität enthalten, Zunächst war sie auf Berliner Stadtgebiet sogar viergleisig geplant. Nun wird sie zunächst zweigleisig realisiert. Das zweite Gleispaar wird aber weiterhin freigehalten, um eine Option für den Großflughafen Sperenberg und dann 60 zusätzlich erforderliche Zugpaare pro Tag (FlughafenExpress im 15-Min-Takt) offenzuhalten.
Leider laufen die Planungsmaßnahmen und Projektierungen für die Anhalter Fernbahn nur schleppend, so daß ein Baubeginn auf Berliner Stadtgebiet, der ursprünglich für Mai 1995 angekündigt worden war, nicht in Sicht ist. Für diesen Umstand ist im siebten Jahr nach Öffnung der Mauer keinerlei Verständnis mehr aufzubringen, die Ursache tür diese fortdauemde Untätigkeit kann eigentlich nur im Fehlen der Finanzierungsbereitschaft durch die Bundesregierung liegen.
Ursprünglich sollte ein Gleis der Anhalter Fern- bahn aus dem Umland bis Lichterfelde Ost - hier entsteht ein Regionalbahnhof - bereits 1995 in Betrieb gehen, später hieß es "1996" - heute ist sogar die Fertigstellung Ende 1997 fraglich. Allerdings gibt es bei der Deutschen Bahn AG Überlegungen, ein Ferngleis von Teltow/Heinersdorf bis zum Bf Lichterfelde Süd provisorisch vorzustrecken, um eine Inbetriebnahme der Regionalbahn mit S-Bahn-Anschluß in Lichterfelde Süd Ende 1996 zu ermöglichen. Auf Berliner Stadtgebiet wird von der Landesgrenze bis zum S-Bf Lichterfelde Süd keine Planfeststellung benötigt, da das Gleis hier in alter Lage verlegt wird.
[IGEB] Die derzeit bekannten Planungen der Deutschen Bahn A G und des Berliner Senats für den Berliner Bereich der Anhalter Bahn sind aus Fahrgastsicht positiv zu bewerten. Die vorgezogenen Realisierungstermine (S- und R Bf Lichterfelde Süd ab Dezember 1996) sind - falls nicht doch wieder Sand ins Getriebe kommt - endlich einmal eine erfreuliche Nachricht nachdem der Berliner Bahnbau bisher überwiegend mit "Schneckentempo" (so ein großer Berliner Bauunternehmen geglänzt hat Merkwürdig ist allerdings, daß Berlins bisheriger Verkehrssenator Herwig Haase, der doch - wie auch sein Staatssekretär Ingo Schmitt - stets auf spektakuläre Projektankündigungen, erste Spatenstiche und Streckeneröffnungen erpicht war in der jüngsten Wahlkampfzeit die neuen Termine gar nicht "verkauft" hat. Es hätte doch sicher eine breite Öffentlichkeit interessiert daß schon im nächsten Jahr mit der Verknüpfung von S-Bahn und Regionalbahn in Lichterfelde Süd eine schmerzliche Schienenlücke ins südliche Berliner Umland geschlossen werden soll und daß so wichtige Orte wie Lichterfelde Süd mit bereits heute vielen Bewohnem, weiterführenden Schulen etc., Teltow und Ludwigsfelde, aber auch Ausflugsziele wie Birkengrund und Trebbin, endlich attraktiv auf der Schiene erreicht werden können. Oder stehen die Verantwortlichen gar nicht hinter dieser Planung und warten nur darauf daß das Vorhaben Anhalter Bahn wie eine Seifenblase zerplatzt so wie es bei Tegel- Hennigsdorf geschah?
Igeb
aus SIGNAL 8/1995 (Dezember 1995), Seite 4-6