Planung u. Bau
1. Dez 1989
Am 25. September 1989 war der offizielle Baubeginn am S-Bahn-Südring. Die Bürgerinitiative gegen eine Verlängerung es südlichen Autobahn-Stadtringes nach bzw, durch Neukölln begrüßt den Beginn dieser Arbeiten und hofft, daß möglichst schon 1992 S-Bahn-Züge in dichtem Takt nach Neukölln fahren werden.
Bereits 1979 konnten Anwohner vor dem Oberverwaltungsgericht einen Baustopp der Autobahn nach Neukölln erreichen. Seit 1982 setzt sich die BISS gegen die Autobahn und für eine behutsame Instandsetzung des planungsbefangenen Gebietes um die Wederstraße ein. In immer neuen Anläufen versuchte der alte CDU/FDP-Senat, die durch Grünanlagen und Wohnviertel geplante Autobahn durchzudrücken. Durch den seit März 1989 regierenden SPD/AL-Senat wurde die Autobahn (endgültig??) gestoppt.
Die BISS war und ist keine St.-Florians-Initiative. Folgende Alternativen stellen wir uns anstelle der Autobahn vor: Verlagerung von Gütern auf die Schiene, Wiederinbetriebnahme der S-Bahn, Wohnungsneubau und behutsame lnstandsetzung des Gebietes Wederstraße. Deshalb sehen wir in dem nun beginnenden S-Bahn-Bau des Südrings die Möglichkeit, den Personenverkehr (unter anderem aus der Silberstein-/ Oberlandstraße) auf ein umweltverträglicheres Verkehrsmittel zu verlagern.
Wenn nun der Südring wieder betrieben wird, so fehlt den BVG-Fahrgästen zwischen U-Bf Leinestraße (Endbahnhof der U-Bahn-Linie 8) und S-Bf Hermannstraße (Südring) eine Schnellbahnverbindung. Der Senat plant, den Tunnel der U8 bis unter den S-Bf Hermannstraße zu verlängern, um diese Netzlücke zu schließen. Wir möchten auf eine bemerkenswerte Alternative aufmerksam machen: Eine moderne Straßenbahn. In anderen Städten erfreut sich dieses weiterentwickelte Verkehrsmittel (im Gegensatz zu "Opas Straßenbahn") zunehmender Beliebtheit - dort wird es Stadtbahn genannt.
Die Straßenbahn soll oberirdisch auf eigenem Gleiskörper fahren. Eigener Gleiskörper bedeutet: auf dieser Fläche fährt nur die Bahn, sie bleibt nicht im Stau der Autos stecken und kann nicht durch parkende Fahrzeuge behindert werden. An Kreuzungen mit dem Straßenverkehr schaltet die Bahn sich selber die Ampeln auf grün. Wartezeiten an Ampeln bestehen daher nicht mehr. Anders als bei einer Busspur besteht die Fahrbahn (optisch gesehen) nicht aus Asphalt, sondern aus Rasen und zwei Schienen je Gleis (praktisch wie bei der Buga-Bahn). Der Rasen läßt Regenwasser versickem und bringt Farbe ins Stadtbild.
In den letzten Jahren wurden von der Fahrzeugindustrie Fahrzeuge mit sehr niedrigem Fußboden entwickelt (30 cm über der Schienenoberkante - sog. Niederflurwagen), die ein sehr leichtes Einsteigen vom Bürgersteig aus ermöglichen. Diese Niederflurwagen sind problemlos von Rollstuhlfahrern, Gehbehinderten und Eltern mit Kinderwagen zu betreten. Treppen und Stufen sind Fremdwörter bei der Straßenbahn.
Ein Kilometer Straßenbahnstrecke als oberirdische Stadtbahn kostet (ohne die Fahrzeuge) 6 bis 10 Mio. DM. Zum Vergleich: ein Kilometer S-Bahn kostet 30 bis 40 Mio. DM; ein Kilometer U-Bahn 120 bis 150 Mio. DM. Wir schlagen deshalb den Bau einer Stadtbahnstrecke vom Hermannplatz mindestens bis zur Buckower Hochhaussiedlung "An den Achterhöfen" vor. Der Bus 91 benötigt für diese Strecke nach Fahrplan heute 25 Minuten. Abends bzw. sonntags fährt er die Strecke in 23 Minuten. Die Stadtbahn braucht bei einem durchschnittlichen Haltestellenabstand von 600 Metern und einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h weniger als 16 Minuten. Die Beförderungszeit verkürzt sich also um mindestens 30%!
Diese Ausführungen sind nicht vollständig. Sie sollen aber zeigen, welche Möglichkeiten in dem System Stadtbahn stecken. Wir schätzen das Potential für Stadtbahnstrecken in Berlin auf 150 bis 750 Streckenkilometer. Als wenige Beispiele seien genannt: Schnellbahnanbindung des Märkischen Viertels, Theodor-Heuß-Platz - Heerstraße - Staaken, Alt-Mariendorf - Lichtenrade, Buckow (U7) - Lichterfelde - Zehlendorf.
Bürgerinitiative Stadtring-Süd (BISS)
aus SIGNAL 10/1989 (Dezember 1989), Seite 13-14