Berliner Schienenverkehrs-Wochen

Nicht alltägliche Diskussionskultur


IGEB

1. Dez 1989

Die Diskussion mit den verkehrspolitischen Sprechern der Parteien im Abgeordnetenhaus gehört zu den Fixpunkten der Berliner Schienenverkehrs·Wochen. Am 10. Oktober war es wieder soweit. Die CDU wurde traditionell durch Herrn Rainer B. Giesel vertreten, erstmals aber als Oppositionspolitiker. Für die neuen Regierungsparteien sprachen Herr Burkhard Thiemann (SPD) und Herr Michael Cramer (AL).

Zu Gast im Fahrgastzentrum: die verkehrspolitischen Sprecher der Abgeordnetenhaus-Fraktionen, von rechts nach links: Burkhard Thiemann (SPD), Rainer B. Giesel (CDU) und Michael Cramer (AL). Vorne am Tisch der IGEB-Vorsitzende Gerhard J. Curth. Foto: Th. Staeck

Der Abend im überfüllten Sitzungssaal des Fahrgastzentrums im S-Bf Wedding war spannender und interessanter als in den Vorjahren. Offensichtlich ermöglichte die Ferne zu den nächsten Wahlen eine sachlichere Diskussion mit selbstkritischen Tönen. So bekannte Herr Cramer, daß trotz vieler Erfolge der neuen Senatspolitik vor allem im Eisenbahnverkehr noch erhebliche Defizite zu bewältigen seien. Herr Thiemann betonte, daß die erfolgreiche Senatspolitik für eine bessere BVG endlich um Maßnahmen zur Begrenzung des Autoverkehrs ergänzt werden müsse. Eine Stellplatzkonzeption sei überfällig. Und Herr Giesel gab zu, daß es der CDU in ihrer Regierungszeit leider nicht gelungen sei, ein Konzept für den Güterverkehr auf der Schiene zu erarbeiten. Als interessant wertete er es, daß die SPD/AL-Koalition sich mit ihrer Terminplanung für die S-Bahn-Wiederinbetriebnahme weitgehend den CDU-Terminen angenähert habe. Herr Cramer stimmte dem zu, doch hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der unnötige Ausbaustandard und die überzogenen Kostenschätzungen der Senatsbauverwaltung seien ein Skandal und müßten durch einen neutralen Gutachter überprüft werden.

Einig waren sich alle drei Parteienvertreter, daß die Verlängerung der U8 ins Märkische Viertel aus Berliner Sicht keine Priorität haben könne und deshalb zugunsten der S·Bahn-Wiederinbetriebnahme bzw. der U9-Verlängerung von Rathaus Steglitz nach Lankwitz zurückgestellt werden müsse. Alle drei haben wegen dieser Haltung allerdings auch Schwierigkeiten mit ihren Parteifreunden in Reinickendorf.

IGEB

aus SIGNAL 10/1989 (Dezember 1989), Seite 15