Nahverkehr

Gescheitert


BI Spandauer Verkehrsbelange 73

1. Jan 1989

Auch International schaffte die Berliner Magnetbahn den großen Durchbruch: dieses Unfallfoto veröffentlichte die Londoner Zeitung The Guardian in ihrer internationalen Ausgabe vom 21.12.1988. Der mißmutigen Blick des BVG-Mitarbeiters im Vordergrund dürfte sich inzwischen noch weiter verfinstert haben. Denn Schuld an dem Unfall ist nach den bisherigen Untersuchungen nicht das M-Bahn-System, sondern allein die BVG, die den ug erprobte. Sie hatte die Automatik abgeschaltet und war mit 80 km/h gefahren, bremste aber erst wie bei einer normalen Fahrt mit 50 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Folgen: siehe oben.

Offener Brief an den Berliner Verkehrssenator: Sehr geehrter Herr Wronski, am 19.12.1988 um 22.42 Uhr durchbrach die M-Bahn 04/03 die Rückwand des Bahnhofes Kemperplatz. Der Personenschaden ist glücklicherweise gering, der Sachschaden ganz beträchtlich, der Schaden für den ÖPNV Berlins unermeßlich, Ihre Verkehrspolitik ist total gescheitert! Warum?

Finanziell ist die M-Bahn ein Fiasko: Statt veranschlagter 48 Mio. DM verschlang der nur 1,6 km lange Moloch, der die Gegend extrem verschandelt, fast 150 Mio. DM (bisher ...)! Das sind ca. 70 % von viel aufwendigeren U-Bahn-Tunnelbauten und ein Vielfaches der Kosten für die Wiederinbetriebnahme von S-Bahn-Strecken: Die Linie von Westkreuz nach Spandau hätte für diese gigantische Summe schon vor Jahren im Top-Zustand fahren können! Stattdesen lassen Sie über 80 km S·Bahn-Trassen verantwortungslos verrotten und stecken unser knappes Geld in unsicheren technischen Schnickschnack!

Sicherheits- und fahrtechnisch war und ist die M-Bahn nun erwiesenermaßen eine Katastrophe: Monatelang war das Beschleunigungs- und Bremsverhalten ruckelig, jetzt versagten sogar die Bremsen, Prellböcke die diesen Namen verdienen, gibt es nicht, weil die Super-Technik ja unfehlbar ist ... Unter diesen Umständen haben Sie am 23.6.1988 für dieses nicht abgenommene Verkehrsmittel einen Personen-Test-Betrieb gestattet. Überfüllte Züge sind am Rande des GAU gefahren! Können Sie eigentlich noch ruhig schlafen?

Sie haben vor fast 5 Jahren am 9.1.1984 72 km betriebsfähige S-Bahn übernommen - heute nach 59 Monaten und Hunderten von Millionen DM Aufwand lassen Sie nur 71,5 km mit lhrer verfehlten Politik der vergoldeten Schwellennägel befahren, stecken unnötig Geld in das technische Spielzeug M-Bahn, mußten 1987 30 Mio. DM nach Bonn zurückschicken, weil dieser Senat keine ausführungsreifen S-Bahn- Projekte vorweisen konnte, lassen ein gerade erneuertes Dach auf dem S- Bahnhof Steglitz wieder abreißen, die BVG zerstört ungestraft funktionierende Signalanlagen auf stilliegenden S- Bahn-Strecken - und dann wollen Sie uns engagierten Bürgem und gebeutelten Steuerzahlern auch noch einreden, Sie trieben eine erfolgreiche Verkehrspolitik?

BI Spandauer Verkehrsbelange 73

aus SIGNAL 1/1989 (Januar 1989), Seite 15