Fernverkehr

Schienenverkehrs-Wochen - DR will EuroCity nach Berlin


Berliner Schienenverkehrs-Verband

1. Jan 1989

Am 10. Oktober referierte der Leiter der DB-Verwaltungsstelle Berlin, Herr Christian Siegert, über Probleme und Perspektiven im Eisenbahn-Reiseverkehr mit Berlin. Er begann mit einem Erlebnisbericht: Herr Siegen war am Vortag mit der Bahn nach Bad Hersfeld gefahren. In Berlin stieg er in den Speisewagen, in dem er zunächst frühstückte. In Hannover stieg er dann um und stellte fest, daß das "Bordrestaurant" restlos überfüllt war und die Reisenden schon im Gang anstanden. Auf der Rückfahrt erlebte er dann einen hoffnungslos überfüllten Berlin- Zug, in dem selbst 1. Klasse-Reisende teilweise keinen Sitzplatz mehr fanden. Aus diesen Verhältnissen zog er den Schluß, daß zumindest zu Ferienbeginn und -ende mehr Entlastungszüge eingesetzt werden müssen. Diese Forderung kann die IGEB nur unterstützen, es sei allerdings darauf hingewiesen, daß solche Verhältnisse an vielen Wochenenden vorkommen - nicht nur zu den Schulferien. Als unabdingbar bezeichnete Herr Siegert, daß planende Eisenbahner auch mit der Bahn fahren müssen, damit der Kunde wirklich "König sein kann".

Als gemeinsames Ziel von Deutscher Bundesbahn wie auch Deutscher Reichsbahn bezeichnete Herr Siegert es, mehr Kunden zu gewinnen. In diesem Zusammenhang betonte er die außerordentlich gute Zusammenarbeit zwischen der DR und der DB-Verwaltungsstelle Berlin, die von der IGEB allerdings angezweifelt wird. Falls es eine soche Zusammenarbeit nämlich geben sollte, sähe sicher vieles im Eisenbahnreise- und güterverkehr nach Berlin (West) besser aus. Erfreulich war jedoch, daß er die DR als Partner der DB anerkennt, was bei vielen DB- Repräsentanten nicht selbstverständlich ist. Oft schiebt eine Bahnverwaltung die Schuld an Unzulänglichkeiten im Bahnverkehr jeweils auf die andere.

Interessant war auch, daß die DR sich eine EuroCity-Verbindung nach Berlin wünscht. Allerdings soll dies nach Vorstellungen der DR eine Nachtverbindung werden. Es bleibt zu hoffen, daß der Gedanke an hochwertige Verbindungen auch in andere Richtungen als Hannover nicht aufgegeben wird.

Als im Berlin·Verkehr für den Kunden außerordentlich wichtig bezeichnete Herr Siegen Fahrzeit, Service und Image der Bahn. Bezüglich der Fahrzeiten ist er sehr optimistisch, daß sie sich verkürzen werden, da die DB der DR bei der Beseitigung der Schäden an den Betonschwellen ihre Hilfe angeboten hat. So könnten zumindest die baustellenbedingten Fahrzeitausweitungen der letzten Jahre rückgängig gemacht werden. Die Iangjährige Forderung der IGEB nach Lokdurchläufen über die Grenzen hinweg bezeichnete er als nachdenkenswert.

Da das Auto immer teurer als die Bahnfahrt ist, sei der Preis nicht das entscheidende Hemmnis für die Bahnfahrt, meinte Herr Siegert. Hier ist die IGEB aber anderer Meinung. Zwar ist bei einer Einberechnung aller Kosten das Auto sicher teurer als die Bahn. Wenn das Auto aber sowieso zur Verfügung steht, wie die meisten Autobesitzer rechnen und nur der Benzinpreis ins Gewicht fällt, ist insbesondere bei Fahrten mit mehreren Personen das Auto in der Regel billiger. Hier müssen dringend auch bei der DR höhere Kleingruppenermäßigungen eingeführt werden.

Als ein sehr wichtiges, wenn nicht sogar das eigentliche Kriterium für den potentiellen Bahnreisenden bezeichnete Siegert den Service. Leitlinie muß sein, die Bahn möglichst noch bequemer als das Auto zu machen. Er schloß sich der IGEB-Meinug an, daß ein Speisewagen zum unabdingbaren Service eines Tageszuges gehört, zumindest bei einer Fahrzeit von über vier Stunden. Die Minibar biete zu wenig Service, insbesondere bei vollen Gängen, da dann der Minibar-Wagen nicht mehr durch den Zug kommt. lm Vergleich mit der Verpflegung im Flugzeug kann die Bahn nur mit Speisewagen standhalten. Servicemerkmale sind weiterhin die durchgehende Platzreservierung, die ab Dezember eingeführt wird, die Säuberung der Züge am Endbahnhof grad bei längeren Fahrten auch zwischendurch sowie ein schnellerer und umfassenderer Gepäckservice von Haus zu Haus. Wichtig sei auch die Möglichkeit, zum Bahnhof zu kommen. In Berlin ist dies mit dem ÖPNV zwar möglich, mit dem eigenen Auto aber nur schlecht, da Parkplätze fehlten. Herr Siegert regte an, die der Bahn ohnehin Konkurrenz machenden Reisebusse vom Bahnhofsvorplatz Hardenbergplatz zu verbannen und diesen für Bahnkunden vorzuhalten.

Weiterhin sei das Image wichtig. Hiermit meint Herr Siegert u. a. das Aussehen des Umfeldes der Bahnanlagen und der Wagen, die lnnenraumgestaItung der Reisezugwagen, die Beleuchtung und das Erscheinungsbild der Bahnhöfe. Als Problem für die Bahn sieht er die emotionale Beziehung vieler Menschen zu ihrem Auto. Daher müßte die Bahn versuchen, dem etwas entgegenzusetzen, also eine ähnliche Beziehung zwischen Reisenden und Bahn auszubauen. Zum Abschluß des Vortrags meinte er, daß Investitionen in die Bahn heute sicher keine Fehlinvestitionen seien, sondern daß unsere Nachfahren im nächsten Jahrhundert darüber froh sein werden, da dem Straßenverkehr der jetzt schon in vielen Städten bestehende Kollaps auch im Fernverkehr drohe.

Die anschließende Diskussion mit dem Publikum ergab einige interessante Anregungen, z.B. für eine europaweite Fahrradkarte. Ebenso will sich Herr Siegert um die von der IGEB geforderte Verlängerung der Öffnungszeiten des Bahnhofsrestaurants Berlin- Wannsee bemühen.

Berliner Schienenverkehrs-Verband

aus SIGNAL 1/1989 (Januar 1989), Seite 19