Verkehrssenator Edmund Wronski hat am 9. Januar 1989 angekündigt, die U-Bahn-Linie 9 bis
Lichterfelde Süd zu verlängern, wobei die U-Bahn-Züge ab Südende auf der stillgelegten S-Bahn-Trasse
verkehren sollen. Dieser Plan wird von der IGEB entschieden abgelehnt! Ist damit der endgültige Beweis
angetreten, daß die IGEB immer und überall grundsätzlich gegen U-Bahn-Verlängerungen ist, selbst wenn
diese sinnvoll sind? Nein, denn die Verlängerung der U9 ist nicht sinnvoll, zumindest nicht jetzt und
schon gar nicht auf der S-Bahn-Trasse. Dafür gibt es zahlreiche
Gründe:
IGEB
1. Feb 1989
Die U-Bahn-Linie 9 ist schon heute
zeitweise überlastet.
Die vom Senat genannten Baukosten
von 440 Mio. DM sind unseriös. Nach
Einschätzung der IGEB und aller Fachleute, mit denen die IGEB sprach, muß
mit Kosten bis zu 600 Mio. DM gerechnet werden (zuzüglich Mehrkosten
durch die Inflation).
Die vom Senat genannte Eröffnung Mitte der 90er Jahre ist nicht möglich.
Bei der geplanten Rate von 60 Mio. DM pro Jahr aus den Strukturfondsmitteln
und einem geplanten Baubeginn 1990 können erst im Jahr 2000 U-Bahn-Züge nach Lichterfelde Süd fahren.
Die S-Bahn (Baukosten zwischen Priesterweg und Lichterfelde Süd 150 Mio.
DM) kann schon 1992/93 Lichterfelde Süd erreichen.
Möglicherweise stehen gar nicht 60
Mio. DM pro Jahr aus dem Strukturfonds allein für die U-Bahn zur Verfügung. Es gibt in Berlin auch
noch andere Strukturprobleme, z.B. bei den Schulen (Asbestsanierung) und bei den
Kindertagesstätten (fehlende Plätze). Die Bevölkerung hätte sicher wenig Verständnis, wenn fast
alle Strukturmittel nur für den teuren U-Bahn-Bau ausgegeben werden.
Ein Rückbau der U-Bahn-Trasse zur
S-Bahn-Trasse ist praktisch ausgeschlossen. Schon bei seinen Spurbusplänen auf dieser
S-Bahn-Trasse mußte
der Senat erkennen, daß es für einen
Rückbau vom Spurbus zur S-Bahn kein
Geld mehr aus Bonn geben kann. Wer
also sollte den Rückbau bezahlen, der
mindestens 75 Mio. DM (für andere
Schienen, Signale usw.) kosten würde?
Der Blick auf die Karte zeigt: Mit der
Senatsplanung geht eine wichtige Netzverknüpfung verloren. Diese Verbindung
kann gar nicht unwichtig sein.
Warum sonst plant der Senat parallel
dazu die autobahnähnliche Bundesstraße 101?
Die großen Behörden und Betriebe,
die Veranstaltungsorte und die Einkaufszentren, die Berufsschulen und die
Hochschulen sind in Berlin über die
ganze Stadt verteilt (anders als z.B. in
München), Warum also sollten die meisten Lichterfelder und Lankwitzer vorwiegend zum Rathaus Steglitz
oder zum Zoo fahren wollen? Der Senat hat
selber die Zahlen ermittelt (und am
19.1. dem Verkehrsausschuß gezeigt),
die gegen die U9 sprechen. So enden
nur 8% der Wege aus Lichterfelde Süd
im Zentrum von Steglitz! Denn die
Lichterfelder fahren in der Regel höchstens 1x in der Woche zum Einkaufen
in die Schloßstraße, aber 5x in der Woche fahren sie zu ihrem Arbeitsplatz
z.B. in Kreuzberg Tempelhof oder gar Reinickendorf.
Die S-Bahn ist durch ein Vierteljahrhundert Boykott aus den Köpfen der
Berliner verdrängt worden. Deshalb
können sich die meisten Lankwitzer
und Lichterfelder gar nicht vorstellen,
daß sie mit der S6 (zusammen mit anderen S- und U-Bahn-Linien) viele ihrer Ziele schneller
erreichen können,
als mit der auf die S-Bahn-Trasse verschwenkten U9.
Die zu langen Fahrzeiten der Busse
zwischen Lankwitz und Rathaus Steglitz
können sehr viel schneller und billiger
durch Busspuren und Vorrangschaltungen an den Ampeln verkürzt werden.
Die Nachtbusse sind auf dieser
Strecke schon heute nur 3 Minuten
langsamer als später die U9.
Es ist ein Skandal, daß der Senat
schon kurzfristig eine Entscheidung für
die sehr teure U-Bahn-Verlängerung
treffen will, ohne die schnellste und billigste Variante, nämlich die Variante
"Wiederherstellung der S-Bahn-Strecke
von Priesterweg nach Lichterfelde Süd
untersucht zu haben. Die IGEB erwartet für diese Variante bei der standardisierten
Bewert den mit Abstand besten Wert, weit über dem der U-Bahn-Verschwenkung.
Zusammenfassung:
Die Verlängerung der U9 ist sehr teuer
und dauert ein Jahrzehnt, bevor die ersten U-Bahn-Züge Lichterfelde Süd erreichen.
Die S-Bahn dorthin (S6) kann
sehr viel schneller und billiger in Betrieb genommen werden. Der Senat selber hat ermittelt, daß nur
ein kleiner
Teil der Lankwitzer und Lichterfelder
wirklich ins Steglitzer Zentrum will,
während die Mehrheit für ihre tägliche
Fahrt andere Bezirke zum Ziel hat, die
nach den Berechnungen der IGEB mit
der S6 oft schneller zu erreichen sind,
als mit der verlängerten U9. Eine U9-Verlängerung wäre also derzeit angesichts der hohen Kosten und im
Verhältnis zur billigeren S-Bahn-Wiederherstellung, kombiniert mit Maßnahmen zur
Busbeschleunigung, eine
Verschwendung öffentlicher Gelder.
Doch der Senat hat noch nicht einmal
mit der Untersuchung der S6 nach dem
standardisierten Bewertungsverfahren
begonnen und will dennoch jetzt eine
Entscheidung treffen. Das wird von der
IGEB scharf kritisiert und abgelehnt.