Bauten
Im Januar 1989 wurden zwischen dem Senat von Berlin (West) und der Deutschen Reichsbahn (DR) umfangreiche Vereinbarungen über den Berliner Eisenbahn-Güterverkehr unterzeichnet. Damit wurden die Grundlagen für Modernisierungen im Güterverkehr unter Verzicht auf den vertraglich vereinbarten Südgüterbahnhof, für die Neunutzung verschiedener Eisenbahnflächen sowie für die Fertigstellung des Stadtautobahnringes am Sachsendamm geschaffen. Auch wenn der letzte Punkt einen weiteren Ausbau des Straßennetzes zulasten der BVG bedeutet, enthalten die Vereinbarungen auch eine Reihe von Vorteilen für die Stadt.
1. Mär 1989
Ausschlaggebend für die erneuten Verhandlungen zwischen Senat und Deutscher Reichsbahn war die Anfang der 80er Jahre an schweren rechtlichen Mängeln gescheiterte Planung für den Südgüterbahnhof, d.h. die Anlage eines zentralen Güter- und Rangierbahnhofes auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofes Tempelhof. Wegen der Nicht-Erfüllung des Vertrages durch den Senat verweigerte die Deutsche Reichsbahn die Übergabe von Flächen des Anhalter und des Potsdamer Güterbahnhofes sowie die weitere Durchführung des Autobahnbaus am Sachsendamm in Höhe des S-Bahnhofs Papestraße. Um gegenüber der DR nicht vertagsbrüchig zu werden und zur Verwirklichung der Pläne für die o.a. Flächen, waren deshalb neue Verhandlungen notwendig, die nunmehr im weitgehend sentlichen abgeschlossen werden konnten.
Die Vereinbarungen enthalten folgende wesentliche Punkte:
zu Punkt 1:
Die Übergabe der dargestellten Flächen an den Senat erfolgt z.T. sofort,
andere Flächen werden im Mai 1990,
entsprechend dem Baufortschritt bei
den oben beschriebenen Maßnahmen
übergeben. Davon sind der östliche
Teil des Potsdamer Güterbahnhofes
und die Flächen des Bfs Tempelhof betroffen.
Durch die Aufgabe der Flächen des GBf.s Spreeufer und des Görlitzer Bahnhofes können die grün- bzw. stadtplanerischen Ziele für diese Flächen nun verwirklicht werden (u.a. BUGA 1995), Die Fläche entlang der Wannseebahn ermöglicht die geplante Grüntangente, unter Umständen aber auch die Verschwenkung der Anhalter Bahn. Auf der Fläche des ehemaligen Rangierbahnhofes Tempelhof könnte der "Naturpark Südgelände" entstehen. Unklar ist allerdings noch, ob - wie zur Durchsetzung des Südgüterbahnhofes schon einmal versucht - hier noch nach Munition aus dem 2. Weltkrieg gesucht werden soll. Dies würde die Abräumung der Spontanvegetation bedeuten!
Die Flächen des Anhalter und Potsdamer Güterbahnhofes werden u.a. dem Ausbau des Museums für Verkehr und Technik sowie zur Verringerung der Grün- und Freiflächendefizite der angrenzenden Wohnquartiere dienen. Eine wesentliche Bedrohung für die Nutzbarkeit dieser Flächen wird - nach den bisher vertretenen - Standpunkten von AL und SPD hoffentlich wegfallen: die Westtangente (auch als "Nord-Süd-Straße" verschleiert). Auch die Ansiedlung von Firmen mit Gleisanschluß soll möglich sein. Es wird allerdings darauf zu achten sein, daß auf den Flächen nicht “tabula rasa" gemacht und noch nutzbare Baulichkeiten, die Zeugen der vergangenen Eisenbahngeschichte sind, abgerissen werden.
zu den Punkten 2 und 3:
In den kommenden Jahren soll der
Containerbahnhof großzügig ausgebaut
werden. Ab 1989 sollen m der ersten
Stufe die vorhandenen Gleis- und
Transportanlagen modernisiert und
erweitert werden. Hinzu kommt die
Erweiterung der Lagerflächen. Eine
zweite Stufe sieht bis 1993 u.a. den Bau
weiterer Gleisanlagen, eines modernen
Zentralstellwerkes sowie verschiedener Einrichtungen für den Kombi-Verkehr sowie den örtlichen
Ladungsverkehr vor. Moderne Transporttechnologien wie die "Rollende Landstraße",
Hucke-Pack-Verkehr bzw. der
Wechselbehählter/Containerverkehr sollen dadurch weiterentwickelt werden.
Der Ausbau des Containerbahnhofes
Richtung Westen bedeutet allerdings
auch eine Reduzierung des Flächenpotentials für eine zukünftige Wagenabstellanlage
für den Eisenbahn-Reiseverkehr.
Die Gesamtkosten werden etwa 350 Mio. DM betragen. Dies entspricht etwa dem 1979/80 für den Südgüterbahnhof ausgehandelten Finanzvolumen. Der Ausbau des Containerbahnhofes sowie weiterer noch auszuhandelnder Bahnhöfe ist Teil einer von der kritischen Fachöffentlichkeit schon verschiedentlich geforderten dezentralen Entwicklun des Güterverkehrs. Ob dahinter aüerdings ein abgestimmtes Konzept steht, erscheint zweifelhaft. Der Ausbau des Containerbahnhofes an dieser Stelle wird den LKW-Verkehr in der Innenenstadt weiter verstärken. Ein Gesamtkonzept für den Güterverkehr würde nach stadtverträglicheren Standorten für den Containerbahnhof suchen (z.B. im Bereich des GBfs Grunewald).
Ein weiterer Aspekt der Vereinbarungen ist die weitgehende Verlagerung von Rangieraufgaben auf Bahnhöfe außerhalb von Berlin (West). Statt über einen zentralen Rangierbahnhof innerhalb der Stadt sollen sie zukünftig in Wustermark bzw. Seddin erbracht werden. Im Regelfall soll der eingehende Verkehr in Wustermark zu Nahgüterzügen zusammengestellt werden und über Spandau in die Stadt gelangen, der ausgehende Verkehr dagegen über Seddin abgewickelt werden. Das erste Problem dieser Planung ist der vorgesehene Zusammenhang mit der bisher favorisierten Neubaustrecke von Hannover nach Berlin, die auch dem Güterverkehr dienen soll. Wenn mit der Neuordnung des Güterverkehrs bis zur Fertigstellung dieses Milliardenprojektes, dessen Verwirklichung noch nicht einmal gesichert ist, gewartet werden soll, wird leicht noch ein Jahrzehnt vergehen. Auch aus diesem Grund verbietet sich eine politische Fixierung auf die Neubautrasse. Das zweite Problem könnte sich als viel gravierender erweisen. Die Zusammenstellung der Güterzüge außerhalb der Stadt macht die Laufzeiten der Wagen für die Bahnkunden unberechenbar. Ohne ein Gerüst von Ganzzügen, die Berlin (West) zu durch Fahrplänen garantierten Zeiten verlassen, könnte der Güterverkehr deshalb möglicherweise sogar unattraktiver werden.
zu Punkt 4:
Die Sanierung verschiedener Bahnbrücken entlang der Wannseebahn
deutet darauf hin, das dieser Strecke
offenbar weiterhin eine Aufgabe im
Rahmen des Güterverkehrs-Netzes zugedacht wird.
zu Punkt 5:
Die Auflösung des "Autobahn-Nadelöhrs" am Sachsendamm dürfte das
ausschlaggebende Argument für den
bisherigen Senat gewesen sein, neue
Verhandlungen mit der DR zu führen.
Auf wenigen hundert Metern fehlt
ihr ein Stück zur Schließung des
Stadtautobahn-Ringes zwischen Neukölln und Wedding. Täglich quälen
sich hier zehntausende Pkw durch den
vierspurigen Engpaß. Daß daneben
das Angebot der Ringbahn bald ein
Jahrzehnt stilliegt, gehört zu den
Kennzeichen der (Auto)Verkehrspolitik des bisherigen Senats...
Ziel der Vereinbarung mit der Deutschen Reichsbahn ist die zügige Durchführung des Durchstiches für den Sachsendamm (vier Fahrspuren) und die Stadtautobahn (sechs Fahrspuren) bis 1994. Dafür müssen die alten S- und Fernbahn-Brücken abgerissen und durch neue mit erheblich größerer Spannbreite ersetzt werden. Mit Ausnahme einer Verbindung zum Post-/Anhalter GBf. sollen alle übrigen Fernbahnbrücken nicht wieder aufgebaut werden. Umstritten ist die Art des Durchstiches. Die mit der DR abgestimmte Planung des Senators für Bau- und Wohnungswesen sieht eine nebeneinanderliegende Führung von Autobahn und Sachsendam vor. Dazwischen soll ein Zug zum S-Bf. Papestraße liegen. Einschließlich der für den Bau abzuräumenden Flächen bedeutet diese Planung eine Schneise von über 100 Metern. Als Argument für diese flächenverschwendene und ökologisch fragwürdige - weil den Nord-Süd·Grünzug auseinanderreissende - Planung werden, im Vergleich; der unten dargestellten Alternative, geringere Kosten und eine leichtere Baudurchführung unter Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs genannt.
Der Bezirk Schöneberg hat erhebliche Kritik an der beschriebenen Planung angemeldet und einen eigenen Entwurf vorgelegt, der eine Führung von Sachsendamm und Autobahn übereinander vorsieht. Als Vorteile werden genannt:
Ein dritter, von der AL bzw. verschiedenen Initiativen geäußerter Vorschlag sieht das "Durchpressen" von Tunnelröhren durch den vorhandenen Bahndamm vor. Beim Bau der Westtangente (!) Bochum unter Gleisen der DB wurde dieses Verfahren bereits angewandt. Dabei wird im Prinzip der vorgefertigte Tunnel durch den Damm gedrückt. Dieser auch vom Bezirk eher skeptisch bewertete Vorschlag würde die Erhaltun der alten Bahnbrücken und sämtlicher Vegetation ermöglichen, schafft aber erhebliche Trassierungsprobleme für Autobahn und Straße (vgl. hierzu das Interview mit Baustadtrat Uwe Saager).
Inzwischen wurden durch den Bausenator - gerichtlich abgesegnet - erste Fakten geschaffen. Noch auf Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses den Südgüterbahnhof von 1980, dessen materiell-rechtliche Grundlage (nämlich der geplante Bahnhof) bereits entfallen ist, wurden auf den Brücken über den Sachsendamm Ende Februar Bäume gerodet. Da ein neues Planfeststellungsverfahren für die nunmehr angestrebte Planung ohnehin erst frühestens gegen Ende 1989 abgeschlossen werden kann und eine Fällgenehmigung für die betroffenen Bäume voraussichtlich auch in der Wuchsperiode zu erhalten gewesen wäre, sollten hier offenbar noch möglichst vor der neuen Kabinettsbildung Tatsachen geschaffen werden und die ökologischen Argumente für die "Durchpreß-Variante" entkräftet werden. Dennoch ist bei einem SPD/AL-Senat mit einer Überprüfung und Neubewertung der Alternativen für den Durchstich zu rechnen.Offenbar nicht behandelt wurde bei den Verhandlungen die Frage des Verschwenks der S2 über die Ringbahn (S4) zur Wannseebahn (S1) sowie die Weiterführung der Westtangente unter der Ringbahn hindurch. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil bei Abschluß der Verhandlungen wohl niemand mit der Niederlage des CDU/F.D.P.-Senats gerechnet hatte und die Westtangente eines der vorangigen Projekte nach dem Wahlsieg werden sollte. SPD und AL haben in ihren Wahlprogrammen die Westtangente abgelehnt. Ohne deren Bau entfällt auch der wichtigste Anlaß zur Verschwenkung der S2, so daß es nun auch keine Begründung mehr gibt, die Ringbahn nicht schnellstens über Schöneberg hinaus Richtung Tempelhof/Neukölln wieder in Betrieb zu nehmen (vgl. hierzu auch das Interview mit Baustadtrat Uwe Saager).
Aus den bekannten Ergebnissen der Verhandlungen ergibt sich folgendes Fazit:
Aus den Ergebnissen sind aber auch Forderungen abzuleiten:
IGEB
aus SIGNAL 3/1989 (März 1989), Seite 12-15