Berlin

BVG-Versagen am Bahnhof Adlershof

Nahe der Wissenschaftsstadt Adlershof scheitert das Verkehrsunternehmen an Alltagsaufgaben


IGEB Stadtverkehr

26. Okt 2012

Die Kombihaltestelle Adlershof ist ein Beispiel für infrastrukturelle Fehlplanung und mangelnde Kommunikation zwischen Betriebsbereichen der BVG mit der Folge einer betrieblichen Fehlplanung sowie ein Beispiel für Ignoranz im Umgang mit Kundenanfragen. Doch der Reihe nach.

Infrastruktureller Engpass

Der Bus muss auf die Einfahrt in die Kombihaltestelle am S-Bahnhof Adlershof warten, bis die Straßenbahn abgefahren ist. Oft ist es auch umgekehrt. Bei fahrplanmäßig fast gleichzeitiger Ankunft von mehreren Linien führt das regelmäßig zu Wartezeiten – und damit erheblichen Verspätungen. Foto: Marc Heller
An der Kombihaltestelle am S-Bahnhof Adlershof halten zwei Straßenbahn- und vier Buslinien. Das ist eigentlich ein gutes Angebot – aber nicht, wenn diese fast zeitgleich verkehren. Dann sind Verspätungen vorprogrammiert. Foto: Marc Heller

Über die fahrgastunfreundliche Planung der BVG-Haltestelle am S-Bahnhof Adlershof wurde bereits in SIGNAL 4/2011 berichtet. Hauptkritikpunkt ist hierbei der zu schmale BVG-Bahnsteig. Ursache für die enge Planung ist, dass die Mehrkosten für eine breitere Eisenbahnüberführung durch das Land Berlin hätten getragen werden müssen. Für diesen Umstand ist die BVG nicht verantwortlich. Verantwortlich ist sie jedoch dafür, dass sie die unzureichende Infrastruktur auch noch äußerst ungünstig nutzt.

Ausgangssituation beim Linienangebot

Bedingt durch die zahlreichen Ampeln vor und hinter der Haltestelle und den Umstand, dass der Fahrgastwechsel bei den einzelnen Fahrzeugen offiziell nur nacheinander und nicht gleichzeitig durchgeführt werden kann, hat die Haltestelle eine Durchlassfähigkeit von ungefähr einem Fahrzeug je Minute. Die Haltestelle wird von den Tram- Linien 60 und 61 sowie den Buslinien 162, 163, 164 und 260 angesteuert. Bis auf die Linie 260 fahren alle Linien überwiegend im 20-Minuten-Takt. Die Linien 60 und 61 bilden gemeinsam einen 10-Minuten-Takt.

Umsetzung des Fahrplanangebots

Leider wurde bei der Fahrplanung der unterschiedlichen Linien nicht die Leistungsfähigkeit dieser Haltestelle von nur einer Linie je Minute berücksichtigt. Dies erkennt man, wenn man sich den Sollfahrplan der einzelnen Linien anschaut:

Der Versuch, vier Linien innerhalb von zwei Minuten durch die Haltestellenanlage mit verminderter Breite und erheblichem Fahrgastwechsel durchzuführen, führt regelmäßig zu Verspätungen – vor allem zu Lasten des letzten Verkehrsmittels, das durch dieses Nadelöhr muss.

Gleichzeitig können die Fahrzeuge auf Grund der kurzen Freiphase über das Adlergestell hinweg oft nicht zügig genug die Haltestelle räumen. Die Straßenbahnen der Linie 60 bekommen so 2 bis 3 Minuten Verspätung allein dadurch, dass sie vor der Haltestelle warten müssen. Häufig müssen sie nach Überquerung des Adlergestells eine weitere Minute warten, denn nun ist bereits der Gegenzug in den eingleisigen Bereich in der Dörpfeldstraße eingefahren. Die Straßenbahnen der Linie 60 beginnen also, obwohl sie bis zum S-Bahnhof Adlershof ausschließlich auf eigenem Bahnkörper verkehren, ihre Fahrt nach Friedrichshagen mit 3 Minuten Verspätung – hausgemacht durch Fehlplanung der BVG!

Keine Anschlüsse zur S-Bahn

Man könnte vermuten, dass die Linien deswegen so gedrängt die Haltestelle anfahren, weil dies die günstigste Ankunfts- bzw. Abfahrtsminuten bezüglich der Anschlüsse von und zur S-Bahn wären. Schaut man sich jedoch die Abfahrtszeiten der S-Bahnen an, sieht man, dass alle Züge (beide Richtungen) zu den Minuten 11 bis 14 durchfahren: 11/13 Abfahrt Richtung Stadt, 12/14 Ankunft von Stadt – also genau zeitgleich zu den Verkehrsmitteln der BVG!

Es gibt also keine ungünstigere Anschlusssituation als jetzt, wenn Bus/Straßenbahn sowie S-Bahn gleichzeitig aus den Haltestellen ein- und ausfahren. Für spurtstarke Fahrgäste ergeben sich zwar unter Missachtung der STVO gelegentlich Zufallsanschlüsse, doch Anschlussplanung und angenehmes Umsteigen sehen anders aus!

Anfrage bei der BVG

Da das Problem nur durch Veränderung der BVG-Fahrpläne lösbar ist, schrieb der Autor am 15. Mai an die BVG. Am 23. Mai kam ein Zwischenbescheid: „Zur Bearbeitung benötigen wir etwas Zeit, bitte haben Sie Verständnis dafür.“ Die Monate Juni und Juli vergingen. Nach erneuter Anfrage am 13. August kam am 12. September endlich die Antwort, fast vier Monate nach der ersten Anfrage.

Verspätete Antwort und am Thema vorbei

Wer geglaubt hat, dass die BVG in der langen Zeit die Problematik geprüft hätte, wurde enttäuscht. Stattdessen kamen übliche Textbausteine: „Gestatten Sie uns anzumerken, dass Verspätungen durch die Verkehrssituation in einer Großstadt wie Berlin zum Risiko eines jeden Nahverkehrsbetriebes gehören und wohl nie völlig auszuschließen sind. Für die Verärgerung unserer Fahrgäste, denen dadurch Unannehmlichkeiten entstehen, haben wir daher auch vollstes Verständnis.“

Eine solche Antwort ist in diesem Fall unverschämt, denn die Situation entsteht ja genau dann, wenn alle Linien gemäß BVG-Sollfahrplan die Haltestelle anfahren. Das Anliegen wurde also zum einen verkehrsvertragswidrig erst mit erheblicher Verzögerung und zum anderen inhaltlich am Thema vorbei beantwortet.

Die Wartezeit der Straßenbahn hat die IGEB in einem Video dokumentiert:
www.youtube.com/watch?v=GVAxNDCx5dE

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 5/2012 (November 2012), Seite 14