Aktuell
Seit 1. August 1989 gibt es neue Einreisebestimmungen für Reisen von West-Berlinern in die DDR. So erhält nun jeder, der einen Mehrfachberechtigungsschein hat, das Einreisevisum ohne den vorherigen Gang zum Besucherbüro direkt an der Grenze. Durch diese Möglichkeit zu einer Spontan-Fahrt wird das Reisen in die DDR wesentlich attraktiver. Außerdem sind zukünftig Zwei-Tages-Aufenthalte nicht nur in Berlin (Ost), sondern auch in den Bezirken Frankfurt (Oder) und Potsdam gestattet. Die Einreiseformalitäten wurden also Wesentlich vereinfacht, doch wurde an die Verkehrsverbindungen nicht gedacht. So gibt es immer noch keine umsteigefreien Verbindungen mit der Eisenbahn in die DDR von Berlin (West) aus, die Einreise per Bahn ist von hier nicht möglich. Das bedauern gerade ältere Reisende mit Gepäck und auch Fahrradfahrer, dien ihr Rad bisher nur mit dem Auto mitnehmen dürfen. Hinzu kommt für alle Reisenden, daß der wegen fehlender Eisenbahn-Direktverbindungen übliche Umweg über Berlin (Ost) vor allem in die westlichen Regionen der DDR unverhältnismäßig lang ist. Nach den Vorstellungen der IGEB soll das alles durch Einführung direkter Verbindungen und einer Einreisemöglichkeit mit den Transitzügen der Bahn zukünftig anders werden.
1. Sep 1989
Als neuen Fernbahnzubringer von Berlin (West) in die DDR und auch nach Drittländern schlägt die IGEB einen "Stadtbahn-Blitz" vor. Dies soll eine täglich von 5 Uhr bis Mitternacht angebotene Stundentakt-Verbindung zwischen den West- und Ost-Berliner Fernbahnhöfen entlang der Stadtbahn sein, beginnend im Bahnhof Charlottenburg über Zoo, Friedrichstraße, Hauptbahnhof nach Lichtenberg. Im Bahnhof Lichtenberg fährt konzentriert der weitaus überwiegende Teil des von Berlin abgehenden Zugverkehrs ab. Dadurch bestehen Anschlüsse in alle Richtungen der DDR und an die internationalen Züge. Beispielweise würden morgens mit dem ersten "Stadtbahn-Blitz" folgende Fernzüge erreicht:
Da der "Stadtbahn-Blitz" als Fernbahn-Zubringerverkehr gedacht ist, sollten auch nur Fernfahrkarten mit der Ortsbezeichnung "Berlin Stadtbahn" anerkannt werden, nicht jedoch S-Bahn-Fahrkarten. Die Fahrzeit ab Charlottenburg würde nach Zoo 4 Minuten betragen (dort 3 Minuten Aufenthalt), nach Friedrichstraße 15 Minuten (10 Minuten Aufenthalt), nach Hauptbahnhof 35 Minuten (2 Minuten Aufenthalt) und nach Lichtenberg 51 Minuten. Die Paß- und Zollkontrolle soll zum Teil im Bahnhof Friedrichstraße, zum Teil auf der Strecke zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof (in Sperrwagen nur zur Benutzung nach Hauptbahnhof) bzw. zwischen Friedrichstraße und Lichtenberg stattfinden.
Wesentliche: Vorteil dieser Verbindung sind die dann endlich kalkulierbaren Reisezeiten zum Bahnhof Lichtenberg. Bisher muß nämlich am Bahnhof Friedrichstraße aus der S-Bahn ausgestiegen, durch die Kontrollen gegangen und in eine andere S-Bahn wieder eingestiegen werden. Dabei sind insbesondere die Kontrollzeiten ein nicht kalkulierbares Risiko; nicht selten werden Züge wegen langer Schlangen am Schalter verpaßt. Die Kontrolle am Grenzübergang Friedrichstraße kann heute wenige Minuten, aber auch eine Stunde und länger dauern. Außerdem ist diese Art der Abfertigung gerade mit Gepäckstücken äußerst unbequem, da viele Treppen zu überwinden sind. Hier kann nur die Grenzabfertigung im Zug Abhilfe schaffen.
Darüber hinaus sollten Fernzüge direkt von Berlin (West) in die DDR geführt werden. Insbesondere in die westlichen Teile der DDR ist der Umweg über Berlin (Ost) und die anschließende Umfahrung von Berlin (West) für die Reisenden nicht zumutbar. Die IGEB schlägt deshalb die Einrichtung von (zunächst) zwei Zügen vor: Der eine sollte ab Zoo um 8.18 Uhr fahren, ab Spandau um 8.30 Uhr, Wustermark an 9.10 Uhr (mit Anschluß nach Stendal), Nauen 9.20 Uhr, Neustadt (Dosse) 9.52 Uhr und Wittenberge 10.28 Uhr (mit Anschluß nach Schwerin und Wismar). Der andere Zug sollte um 6.25 Uhr ab Zoo fahren, um 6.40 Uhr ab Wannsee, Potsdam Hbf an 7.15 Uhr (mit Anschluß nach Magdeburg - Werningerode im Harz), Belzig 7.55 Uhr, Roßlau 8.45 Uhr, Dessau 8.55, Bitterfeld 9.20 Uhr und Leipzig 10.00 Uhr (mit Anschluß nach Erfurt, Eisenach, Saalfeld, Gera, Jena, Karl-Marx-Stadt). ln der Gegenrichtung funktionieren die Anschlüsse natürlich dementsprechend, die Züge kommen gegen 20.30 Uhr aus Wittenberge und gegen Mitternacht aus Leipzig in Berlin wieder an.
Die Fahrzeit würde durch diese Züge teilweise erheblich verkürzt. Beispielsweise würden nach Magdeburg statt 3 3/4 Stunden über BerIin(0st) nur noch 2 3/4 Stunden mit dem direkten Zug benötigt (jeweils ab Bahnhof Zoologischer Garten gerechnet). Durch diese Züge wird ein Tagesaufenthalt in manchen weiter entfernten DDR-Regionen erst möglich. Eine Besichtigung der Wartburg zum Beispiel ist nur mit sehr frühem Aufstehen und einer unbequemen Verbindung über Berlin (Ost) möglich, also derzeit für Bahnreisende kaum zu schaffen. Mit dem eforderten direkten Zug ist diese Besichtigung bequem und mit sicher kalkulierbaren (weil fahrplanmäßigen) Grenzaufenthalten möglich.
Aber auch die schon bestehenden Züge sollten für den Einreiseverkehr freigegeben werden. Dies betrifft die Skandinavienzüge über Rostock bzw. Stralsund sowie die Züge von und nach Polen, die in Frankfurt (Oder) halten. Diese Züge sind zur Zeit von West-Berlin aus nur für den Transit durch die DDR zugelassen, nicht aber zur Fahrt zu den Unterwegshalten in der DDR.
Das Angebot an internationalen Zugverbindugen von Berlin (West) aus sollte durch die Verlängerung in Berlin (Ost) beginnender bzw. endender Züge erweitert werden. Durch einen Start im Bahnhof Zoo bei den Zügen "Vindobona" nach Prag - Wien, "Meridian" nach Prag - Budapest - Belgrad - Sofia und "Metropol" nach Prag - Budapest mit Schlafwagen nach Wien könnten zugleich neue Direktverbindungen in die DDR geboten werden, nämlich nach Dresden.
Durch die Öffnung der Kontrollbahnhöfe Griebnitzsee und Staaken für den Einreiseverkehr in die DDR wäre auch der Besuch näher gelegener Gebiete von Berlin (West) aus mit der Eisenbahn möglich. Hierfür müßten auch die normalen Transitzüge freigegeben werden, wie dies an den Grenzübergängen Marienborn, Gutenfürst, Probstzella oder Schwanheide üblich ist.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, daß bei Realisierung der IGEB-Vorschläge endlich Fahrräder bei der Einreise in die DDR mitgenommen werden können. Fahrräder dürfen in die DDR nämlich ausschließlich als Gepäck mitgeführt werden, also in der Bahn oder im Auto. Da es bisher keine zur Einreise zugelassenen Bahnverbindungen von Berlin (West) in die DDR gibt, ist eine Fahrradtour von hier in die DDR immer nur mit dem Auto möglich! Dies würde durch den Stadtbahn-Blitz und die direkten Züge anders.
IGEB
aus SIGNAL 8/1989 (September 1989), Seite 4-5