Nahverkehr

Neues BVG-Busnetz

Kurz vor der Sommerpause stellte die BVG im Verkehrsausschuß des Abgeordnetenhauses den Entwurf für ein neues BVG-Busnetz vor, das im Oktober 1990 eingeführt werden soll. Ziel der Buslinienplanung 90 ist es, den Fahrgästen kürzere Reisezeiten zu bieten und einen höheren Direktfahrtenanteil zu erzielen, eine höhere Wirtschaftlichkeit zu erreichen und das Umsteigepotential vom motorisierten Individualverkehr zu erhöhen. Als Ergebnis des Netzentwurfs 90 bleibt nur ein Viertel der bisherigen Buslinien unverändert, etwa drei Viertel der Linien erhalten eine mehr oder weniger stark veränderte Wegführung. Eine derartige Neustruktierung darf nicht ohne Mitwirkung der Fahrgäste erfolgen, und daher wird die IGEB mit dem folgenden Artikel die Diskussion über das neue Busnetz eröffnen. Wir werden in den nächsten Ausgaben des SlGNALs nach und nach das gesamte neue Busnetz vorstellen und dazu Verbesserungsvorschläge machen. Hier soll zunächst eine generelle Erläuterung des neuen Busnetzes erfolgen.


IGEB

1. Sep 1989

Die Arbeiten zum neuen Busnetz wurden von der BVG in Zusammenarbeit mit einem privaten Verkehrsplanungsbüro (IVU) durchgeführt. Als Grundlage des mit Hilfe eines EDV-unterstützten Verkehrsmodells errechneten Busnetzes dienten eine Haushaltsbefragung zum Verkehrsverhalten sowie Erhebungen und Zählungen im BVG-Liniennetz aus dem Jahr 1986.

Das BVG-Busnetz soll nach dem vorliegenden Entwurf künftig aus 89 Linien bestehen, im derzeitigen Netz sind es 86 (ohne E-Wagen-Linien). Der verkehrspolitischen Zielsetzung des alten Senats entsprechend, daß die Betriebskosten nicht über denen des heutigen Netzes liegen dürfen, erfolgte eine Aufteilung in drei "Produkttypen" mit unterschiedlichen Angebotsqualitäten:

Wie erwähnt ist das neue Busnetz unter den verkehrspolitischen Vorgaben des alten Senats entstanden, für den die Verringerung der Betriebs-(!)Kosten des Busnetzes oberstes Gebot war, so daß eine grundsätzlich andere Prämisse gegeben war, als sie vom jetzigen Senat mit seiner neuen verkehrspolitischen Zielsetzung angestrebt wird. Unter den Vorgaben der alten Verkehrspolitik fallen dann auch die prognostizierten Veränderungen, die durch das neue Busnetz zu erzielen sind, entsprechend mager aus: Es soll ein mittlerer Reisezeitgewinn von 3 % aller BVG-Fahrten erreicht werden, d.h., der gravierende Reisezeitvorteil des Autos würde praktisch unverändert bestehen bleiben. Ferner wird eine prognostizierte zusätzliche Fahrgastzahl von täglich ca. 35.000 "Unternehmensbeförderungsfällen" prognostiziert, was einem Fahrgastzuwachs von ca. 5 % entspricht. Damit wären noch nicht einmal die Fahrgastverluste der letzten Jahre ausgeglichen. Ferner wird eine Produktivitätssteigerung um ca. 1 % bei konstant angenommener Betriebsleistung errechnet.

An dieser Stelle soll festgehalten werden, daß die IGEB eine Reform des Berliner Busnetzes begrüßt und für dringend erforderlich hält, denn in seinen Grundstrukturen orientiert sich das heutige Busnetz an einem noch sehr viel kleineren Schnellbahnnetz und fährt z.T. am Bedarf schlicht und einfach vorbei, indem es vermeidbare Umsteigezwänge innerhalb des Busnetzes impliziert und nur unzureichende Verknüpfungen , dafür aber häufige Parallelverkehre zum Schnellbahnnetz aufweist, Wir begrüßen daher ausdrücklich die Reform des Busnetzes und halten das neue in seinen Grundstrukturen für durchaus geeignet, als Baustein eines attraktiveren ÖPNV neue Fahrgäste für die BVG zu gewinnen.

An einigen Punkten jedoch ist der vorliegende Netzentwurf noch dringend korrektur- und ergänzungsbedürftig. Das dazu gehörige Betriebskonzept (Betriebsdauer und der Fahrplantakt insbesondere der Ergänzungslinien) muß den verkehrspolitischen Vorgaben des neuen Senats angepaßt werden.

Mehrfach noch völlig unbefriedigend gelöst ist die dem Busnetz zukommende Zubringerfunktion zu den Schnellbahnlinien. Zwei von zahlreichen Beispielen: Es gelingt der BVG , eine modifizierte Buslinie 69 so geschickt durch die City zu führen, daß sie weder Umsteigemöglichkeiten zur U1 und U2 noch zur S3 bietet. Und kaum zu glauben, aber wahr: Auch im neuen Busnetz befinden sich noch ausgesprochene Parallelverkehre zwischen S-Bahn und Bus. So ist die bisherige Buslinie 48 völlig unverändert auch im neuen Busnetz mit ihrem 10 km langen Parallelverkehr zur S1 enthalten. Dafür soll an anderer Stelle der mit der Buslinie 65 bestehende S-Bahn-Vorlaufbetrieb schon zwei Jahre vor Wiederinbetriebnahme der Ringbahn ersatzlos entfallen.

Aber auch das geplante Betriebskonzept, also die Betriebsdauer und das Taktangebot, bedürfen dringend der Überarbeitung. So muß entsprechend der Koalitionsvereinbarung, nach der die Buslinien "in der Regel" im 10-Minuten-Takt fahren sollen, der größte der Teil der "Ergänzungslinien" mit einem gegenüber gern vorliegenden Konzept verbesserten Angebot den Berechnungen zugrundegelegt werden.

Da auch im neuen Buskonzept noch viele der unter Verkehrssenator Wronski eingeführten "Sparmaßnahmen" enthalten sind - so sollen auch weiterhin mehrere innerstädtische Linien (z.B. die Buslinie 19) nur zu bestimmten Zeiten auf ihrer gesamten Wegführung verkehren, bleiben auch an diesem Punkt noch viele Nachbesserungsarbeiten zu leisten, um im nächsten Jahr ein tatsächlich sehr viel attraktiveres BVG-Busnetz anbieten zu können.

IGEB

aus SIGNAL 8/1989 (September 1989), Seite 7-8