Planungen
1. Apr 1990
Den äußersten westlichen Teil des Bezirkes Spandau erschloß nach der Neufestsetzung der West-Berliner Stadtgrenze bei Staaken am Anfang der 50er Jahre die S-Bahn-Strecke nach Berlin-Staaken (die Lehrter Bahn), die bis 1980 in Betrieb war und auf deren Reaktivierung bisher zu Recht die Bemühungen zahlreicher Initiativen und Staakener Bürger gerichtet sind, weil ihre Stillegung eine deutliche Verschlechterung der Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr zur Folge hatte. Aber für den Verkehr ins Havelland - Spandaus jetzt wieder zugängliches traditionelles Umland - ist diese Strecke von untergeordneter Bedeutung. Wichtiger ist seit der Öffnung der Grenzen, in deren Folge sich ein lebhafter und regelmäßiger Verkehr zwischen Spandau und den im Bezirk Potsdam gelegenen Gemeinden des Osthavellandes entwickelte, die möglichst schnelle Wiederinbetriebnahme der etwas weiter nördlich gelegenen S-Bahn auf der Trasse der Hamburger Bahn, die vor der Abriegelung der Grenze 1961 den Hauptanteil des Verkehrs mit dem Umland trug. Die Bahnhöfe Falkensee, Finkenkrug, Brieselang und Nauen liegen zentral in den jeweiligen Gemeinden und deren Ortsteilen, während die der Lehrter Bahn eine Randlage haben.
Zur Hamburger Bahn: Jenseits der Grenze ab Albrechtshof ist die Strecke nach Nauen noch in Betrieb und wird dort mit elektrischen Doppelstockwendezügen der Reichsbahn im S-Bahn-Tarifbereich betrieben. Gleise und Fahrdraht enden etwa 600 m von der West-Berliner Grenze entfernt. Es ist nötig, vom Bahnhof Albrechtshof bis zum Bahnhof Spandau-West fünf Kilometer Gleistrasse neu zu bauen, da sie durch Nichtbenutzung seit 1961 und durch inzwischen gebaute kreuzende Straßen auf westlicher Seite (Hackbuschstraße, Klosterbuschweg) praktisch zerstört ist. Wenn man sich in Zusammenarbeit mit der Reichsbahn und den zuständigen staatlichen Stellen der DDR auf einen Stufenplan einigte, der zunächst die Wiederherstellung der alten ebenerdigen und eingleisigen Trasse vorsieht, könnte in absehbarer Zeit eine Verlängerun des elektrischen Betriebes der Reichsbahn (mit Oberleitung) bis Spandau Hauptbahnhof oder Spandau-West aufgenommen werden. Eıne sehr dichte Zugfolge wäre auf dieser Strecke, die auch auf DDR-Gebiet zwischen den Stationen eingleisig ist, natürlich nicht möglich. Und auf West-Berliner Seite würden möglicherweise Sicherheitsbedenken geltend gemacht, da hier mindestens drei niveaugleiche Straßenübergänge entstünden (Finkenkruger Weg, Hackbuschstraße und Klosterbuschweg), die gesichert werden müßten. Auch sind - wie derzeit in Lichtenrade - Einsprüche der Anlieger zu erwarten, für die der Bau und spätere Betrieb der Strecke direkt vor ihren Grundstücken (mit Einfamilienhäusern) erhebliche Beeinträchtigungen mit sich bringen würde. Trotzdem muß die Reaktivierung des Bahnbetriebes auf dieser Strecke in Angriff genommen werden.
Gespräche mit Bürgern in den havelländischen Gerneinden und zumindest ein Leserbrief in einer Spandauer Tagesszeitung zeigen, daß in den Gemeinden jenseits der West-Berliner Grenze die Wiederanbindung der ehemaligen S-Bahn-Strecke an das Berliner Netz erwartet wird, damit zeitraubende Umwegfahrten über den Außenring nach Berlin, die seit der Unterbrechung der direkten S-Bahn-Verbindung im Jahre 1961 nötig sind, zukünftig entfallen können. Neben der Wiederanbindung der Gemeinden Falkensee (mit dem Ortsteil Albrechtshol), Finkenkrug und Nauen wäre dieser Bahnbetrieb auch für den Naherholungsverkehr ins Berliner Umland von erheblicher Bedeutung, weil die Strecke Anschluß an den Außenring der S-Bahn mit Umsteigemöglichkeiten in Richtung Süden (t.B. Potsdam) und Norden (Hennigsdorf, Oranienburg) hat.
Inzwischen hat sich die Bezirksverordnetenversammlung Spandau Ende Januar für einen S-Bahn-Ersatzverkehr auf den Gleisen des Fernverkehrs ausgesprochen, ähnlich dem derzeit stattfindenden Verkehr zwischen Wannsee und Potsdam. Ein solcher Verkehr berührte aber nicht die Bahnhöfe Brieselang, Finkenkrug, Falkensee und Albrechtshof, die im eigentlichen Nah-Umland von Berlin-Spandau liegen, und wäre daher allenfalls eine nützliche vorläufige Lösung mit der Chance der schnellen Verwirklichung, sofern die Reichsbahn über das notwendige rollende Material verfügt oder es von anderer Seite zur Verfügung gestellt werden kann. Zu fordern ist deshalb, daß parallel zu diesem Betrieb dann auf West-Berliner Seite folgendes geschehen muß:
Erstens: Die möglichst rasche Reaktivierung des S-Bahn-Betriebes zwischen Westkreuz und Spandau Hauptbahnhof, wo von und zu den Zügen der Reichsbahrı umgestiegen werden kann. Der geplante Teilabriß des Bahnhofes Spandau-West ist in diesem Zusammenhang allerdings eher ein Zeichen, daß hier zunächst weiter demontiert statt reakliviert werden soll, und scheint Befürchtungen zu bestätigen, daß die Spandauer S-Bahn weiterhin keine Priorität hat und möglicherweise sogar anderen, für wichtiger gehaltenen grenz überschreitenden Strecken geopfert wird.
Zweitens: Die Planung und die anschließende Wiederherstellung der Strecke Spandau-West - Falkensee für regulären S-Bahn-Verkehr. Dies sollte zumindest bis hinter Albrechtshof in Hochlage geschehen. Der Damm ist vor dem Krieg schon geplant und begonnen, aber nicht vollendet worden. Damm- und Bauwerksreste können auf beiden Seiten der Grenze noch besichtigt werden, zum Beispiel Brückenfundamente am westlichen Ende des Bahnhofes Albrechtshof und Teile des Dammes auf der West-Berliner Seite zwischen Grenze und Nauener Straße. Dieses Bauvorhaben muß zur Befriedigung der Staakener Verkehrsbedürfnisse auch einen Bahnhofsneubau am Klosterbuschweg vorsehen - trotz der oben erwähnten und vom Verfasser auch schon angedeuteten Schwierigkeiten (Vgl. SIGNAL 10/89 ). Denn da es sich hier de facto um den Neubau der Strecke handelt, die auch das Stadtbild nachhaltig verändern wird, muß mit einem längeren Planungsvorlauf inklusive Bürgerbeteiligung gerechnet werden. Mit erheblichen Einsprüchen und Ein- Wendungen der - vorwiegend in Einfamilienhäusern wohnenden - Anlieger der künftigen Trasse und der Nachbarn des künftigen Bahnhofes ist zu rechnen. Deshalb ist zu fordern, daß erste Schritte zur Planung des Projektes zusammen mit der DDR-Seite (der Deutschen Reichsbahn z.B.) unverzüglich unternommen werden.
Nur wenn dies der Fall ist, kann vorerst auf eine Wiederinbetriebnahme der südlicheren S-Bahn-Strecke (Lehrter Bahn), für die die Senatsplanungen wegen der verfehlten Ausführung des Kreuzungsbauwerkes am Brandwerderweg ebenfalls einen Dammbau mit Bahnhofsneubau vorsehen, verzichtet werden. Langfristig kann aber auf die Wiederanbindung Berlin-Staakens an das Berliner S-Bahn-,Netz über die Lehrter Bahn nicht verzichtet werden. Denn: Auch der jetzt ins Gespräch gebrachte S-Bahn-Ersatzverkehr auf den Gleisen der Fernbahn wird Berlin-Staaken nicht bedienen, weil es dort keinen Haltepunkt gibt.
Heinz-Peter Schwarz
aus SIGNAL 3/1990 (April 1990), Seite 13-14