Planung

SPD für U8-Nord


IGEB

1. Apr 1990

Das Theaterstück um Sinn oder Unsinn der U8-Verlängerung ins Märkische Viertel (MV) wurde jetzt um zwei weitere, sehr unerfreuliche Akte bereichert. Dabei schien es Ende 1989 so, als ob Sachargumente doch eine Chance hätten:

Doch als Herr Cramer einige Monate später die Ergebnisse der standardisierten Bewertung wissen wollte, teilte Senator Wagner ihm am 28. Februar mit: “Aufgrund der Ereignisse vom 9. November 1989 und den damit zusammenhängenden tiefgreifenden Änderungen auch für den ÖPNV in unserem Teil der Stadt waren kurzfristig andere Planungsaufgaben vorzunehmen, was aufgrund der personellen Situation dazu geführt hat, daß die Arbeiten für die standardisierten Bewertungen zunächst nicht weitergeführt werden konnten.

Ein Termin für Abschluß und Veröffentlichung der Bewertungen kann noch nicht genannt werden, da die Berücksichtigung der neuen grenzüberschreitenden Verkehrsbeziehungen noch nicht geklärt ist." (LPD, 26.3.90)

Fährt solch ein moderner Niederflur-Straßenbahnzug aus Bremen bald auch in Berlin? Sehr viel eher und sehr viel attraktiver, als es mit einer Verlängerung der U-Bahn-Linie 8 möglich ist, könnte das Märkische Viertel erschlossen werden, wenn die Straßenbahnpläne der BVG verwirklicht werden. Foto: T. Staeck

Wer nun geglaubt hatte, ohne Untersuchungsergebnisse werde es auch keine Entscheidungen geben, der wurde von der SPD schnell eines Besseren belehrt. Denn im März wurde beschlossen, die Bauarbeiten an der U8 bis in das Märkische Viertel hinein fortzusetzen, wohlwissend, daß dies von der Koalitionsvereinbarung mit der AL abweicht und daß es eine Umschichtung der Mittel zulasten anderer, mehr Fahrgäste erreichender Maßnahmen bedeutet.

Fazit: Die Verkehrsverwaltung hat keine Zeit mehr für die erforderlichen Untersuchungen, doch die SPD trifft auch ohne sie weitreichende Entscheidungen, offensichtlích nach dem Motto: Wenn schon keine Untersuchungsergebnisse und Pläne vorliegen, muß wenigstens entschieden werden.

Dem wird von SPD-Politikern entgegengehalten, daß man sich auch bei Vorliegen des Bewertungsergebnisses für die U8-Nord entschieden hätte, weil hier politische Gründe (“die Bewohner des MV werden seit 20 Jahren vertröstet") höher zu bewerten seien, als Sachargumente (“zu wenige Fahrgäste im Verhältnis zu den hohen Kosten und im Vergleich zu anderen Strecken"). Doch hier wird die alther ebrachte eingeschränkte Sichtweise deutlich, denn eine U-Bahn bringt nicht automatisch eine Angebotsverbesserung, jedenfalls nicht für alle Fahrgäste. Beim MV werden es sogar viele sein, für die die neue U-Bahn keine Verbesserung gegenüber der heutigen Erschließung brıngt, da das MV sehr ungünstig gebaut ist. Wer den Bewohnern des MV ernsthaft helfen will, ein attraktiveres BVG-Angebot zu bekommen, und zwar kurzfristig, der muß sich wenigstens mit den Alternativen zum U-Bahn-Bau auseinandersetzen. Solche gibt es (siehe u.a. SIGNAL 9/88 ). Auch Herr Schmidt von der BVG hat sich nicht nur gegen die U8- Verlängerung ausgesprochen, er hat zugleich Alternativen, z.B. eine attraktive Straßenbahnerschließung, ausarbeiten lassen. Wenn es der SPD also wirklich um die seit Jahren vertrösteten Menschen im MV geht, dann muß sie sich um die Realisierung solch attraktiver Alternativen kümmern, die für die Mehrzahl der Bewohner besser als jede U8-Verlängerung sein können. Zugleich würde es sich die SPD damit ersparen, durch die Umschichtung der Gelder zulasten anderer Projekte nun z,B. die Lankwitzer und Spandauer zu verärgern, denn auch diese warten schon viele Jahre auf “ihre" Bahn und ärgern sich täglich über die stillgelegten, verrottenden Strecken und die Politiker, die nichts daran ändern.

IGEB

aus SIGNAL 3/1990 (April 1990), Seite 17