Planungen und Bauten
Seit Jahrzehnten hat die Berliner Senatsbauverwaltung das Monopol für die Gestaltung aller neugebauten U-Bahnhöfe. Lediglich der Entwurf für den 1974 eröffneten Bf. Schloßstraße auf der U9 war aus dem Hause gegeben worden (Architekten Schüler/Schüler-Witte). Aber nach der Übernahme der West-Berliner S-Bahn in BVG-Regie 1984 mußten durch den Zeitdruck bei den Arbeiten zur Wiederinbetriebnahme der Wannseebahn erstmals mehrere freiberufliche Architekten hinzugezogen werden. 1987 gelang es dann sogar, für den Neubau des S-Bahnhofes Kolonnenstraße einen Wettbewerb durchzusetzen, dessen gute Ergebnisse (1. Preis Maedebach/Redeleit) eine Bestätigung war für alle, die das Monopol der Senatsbauverwaltung schon lange kritisiert hatten. Auch die IGEB forderte daraufhin nachdrücklich, für alle Bahnhofsneubauten und für wichtige Betriebsgebäude stets Wettbewerbe zu veranstalten. Diese Forderung ist bis heute aktuell, denn obwohl das jüngste Wettbewerbsergebnis, das zum S-Bf. Papestraße, aus Fahrgastsicht nicht befriedigen kann, so haben die Arbeiten (den Skeptikern in der Verwaltung zum Trotz) doch erneut bewiesen, daß es selbst bei einem Wettbewerb mit engen Vorgaben noch viele interessante Entwürfe geben kann.
1. Aug 1990
Zehn Architekten waren im Februar aufgefordert worden, unter Beteiligung eines Landschaftsplaners Entwürfe für den Umbau des S-Bahnhofes Papestraße auszuarbeiten. Am 6. Juni traf das Preisgericht die Entscheidung: Nach einer sachlich geführten Diskussion mit nur wenig verbalen Entgleisungen und einer weiteren Ortsbesichtigung des Wettbewerbsgeländes wurde dir 1. Preis für die Arbeit des Braunschweiger Architekten Helmut C. Schulitz vergeben. Der 2. Preis ging an die Berliner Architekten Mario Maedebach und Werner Redeleit, und auch der 3. Preis fiel an Berliner Architekten, und zwar an Hilde Leon und Konrad Wohlhage. Erfreulich war, daß es der IGEB ebenso wie der BI Westtangente und dem Verein Naturpark Südgelände möglich War, den gesamten Wettbewerb als geladene Gäste zu verfolgen und an der Diskussion vor der Entscheidung des Preisgerichtes intensiv teilzunehmen.
Was stand zur Entscheidung? Etwas verkürzt beschrieben waren gefordert:
Aus diesen Vorgaben ist leicht erkennbar, daß es einen oder mehrere Zielkonflikte geben mußte. Dementsprechend wurden von den Teilnehmern unterschiedliche Vorgaben berücksichtigt bzw. vernachlässigt. Zum einen gab es die Veränderer mit neuen Erschließungen und neuen Gebäuden, einige in hochpathetischen und monumentalen Formen, die das Schwergewicht auf die baulich-technische Seite legten. Zum anderen gab es die Bewahrer, Ergänzer und - hier positiv gemeint - Anpasser, die bis zur vollständigen Negierung eigenständiger Architektur das Bestehende aufnahmen.
Mit dem 1. Preis entschied sich das Preisgericht für die letztgenannte Gruppe, während der 2. Preis einem Vertreter der zuerst genannten Gruppe zufiel. Auf den ersten Blick mag diese Entscheidung positiv erscheinen, ist es doch immer zu begrüßen, wenn mit der Umwelt schonend umgegangen wird und bauliche Maßnahmen bescheiden und rücksichtsvoll aufgefaßt werden.
Aber das berechtigte Thema dieses Wettbewerbs war es, eine gute Lösung für einen großstädtischen Umsteigebahnhof mit ziemlich geringer Ein- und Aussteigekapazität zu suchen. Die Arbeit mit dem 1. Preis hat diesen Aspekt völlig vernachlässigt und ist der Verführung des Bestehenden so sehr erlegen, daß die Umsteigemöglichkeit zu einer gänzlich untergeordneten Funktion gerät, gerade mal technisch möglich und ohne eigene Gestaltung.
Dagegen bedeutet die Erschließung und Verbindung der Bahnsteige mit den vier Eingängen auf ca. 200 Metern und einem teils durch Tunnel, teils durch das alte Bahnhofsgebäude geführten Weg sowohl eine beträchtliche Übererschließung auf der Südseite, als auch durch die Führung der Wege über verschiedene Ebenen eine ausgesprochen unbefriedigende Lösung, was besonders vor dem Hintergrund der Forderung nach behindertenfreundlicher Ausführung mißlich ist. Diese Arbeit hat die bestehende Situation um einen 15 m langen Tunnel ergänzt. Und dazu ein Wettbewerb?
Schon ein kurzer Blick auf den 2. Preis läßt ahnen, welche Chancen vertan wurden. Hier ist das Umsteigen in einer eigenständigen, gestalterischen Form gelöst worden. Ein Turm nimmt die aus verschiedenen Richtungen kommenden Treppen wie ein Gelenk auf und verbindet auf kürzestem Wege alle Ebenen. Die Erschließung erfolgt durch zwei Zugänge. Im Norden gibt es einen kurzen, ca. 40 m langen niveaugleichen Verbindungstunnel zwischen Schöneberg und Tempelhof - auch für Radfahrer geeignet - von dem aus ein direkter Zugang zum Turm und damit zu allen Ebenen möglich ist. Im Süden bleibt der Zugang für die Fahrgäste, die aus den Bussen in die S-Bain umsteigen wollen. Das alte Bahnhofsgebäude ist für eine BVG-Nutzung (Kantine) vorgesehen, ergänzt durch Gebäude für Stellrechner und Gleichrichterwerk.
Sicherlich ist solch eine grundlegende Veränderung des Bahnhofs Papestraße, wie sie der 2. Preis vorsieht, teuer, und sie greift den Bestand an. Aber wenn es durch wegweisende Lösungen gelingt, Fahrgäste vom Auto auf die S-Bahn zu bringen, dann ist dieses Geld gut angelegt. Okologisch und bauhistorisch eindimensionale zu denken ist ebenso schädlich wie jedes eindimensionale Denken.
IGEB
aus SIGNAL 6/1990 (August 1990), Seite 8-10