Nahverkehr

Ku´damm-Busspuren: hervorragend bewährt


IGEB

1. Feb 1991

Zwischen den beiden Berliner Regierungspartnern CDU und SPD kam es im Verlauf der Koalitionsverhandlungen zu heftigen Auseinandersetzungen über die Zukunft der Busspuren allgemein und der Busspuren am Kurfürstendamm im besonderen. Während die SPD für Erhalt und Ausbau des Busspurnetzes eintrat, lehnte die CDU dies im wesentlichen ab und engagierte sich insbesondere vehement für eine Abschaffung der Busspuren auf dem Ku'damm. Ergebnis: In der Koalitionsvereinbarung steht eine in jede Richtung interpretierbare Kompromißformel, wie es wohl in dieser Unschärfe nur Berufspolitiker formulieren können:

“Zur Beschleunigung des Busverkehrs ist die Entwicklung eines funktions- und leistungsfähigen Busspurnetzes erforderlich. Die bestehenden Busspuren sind zu überprüfen, wobei im Einzelfall eine Aufhebung nicht auszuschließen ist (wie z.B. in der Leipziger Straße). Zum zweiten kann diese Überprüfung zu Umorganisationen führen. Dabei können Busspuren nach den Kriterien zeitlicher Beschränkung und dem Erhalt zweier Fahrspuren für den übrigen Fahrzeugverkehr neu zu klären sein (z.B. am Kurfürstendamm)."

Da sich einige Verkehrspolitiker dieser Stadt gerade den Ku'damm-Busspuren offenbar nur noch aus einer ideologisch befangenen Sichtweise nähern können, in die sie sich durch unüberlegte Wahlkampfäußerungen und -bündnisse hineinmanörvriert haben, ist die Aufforderung zu einer sachbezogenen Verkehrspolitik im Falle Ku'damm-Busspuren dringend nötig. Denn gerade diese haben sich seit ihrer Einführung vor einem 3/4 Jahr hervorragend bewahrt und längst zu einem breiten Kreis von Befürwortern geführt, gerade auch unter Interessenvertretern, die bisher nicht unbedingt zum Kreis der “ÖPNV-Förderer“ zu zählen waren.

Breite Akzeptanz

Nicht nur Zehntausende von Fahrfgästen der Buslinien 9, 19, 29, 69 und 73 profitieren tagtäglich davon, daß die Busse zügig durch die Innenstadt kommen, sondern breite Akzeptanz hat das Ku`damm-Modell auch bei Anliegern, dem Lieferverkehr, bei Radfahrern, Taxifahrern und Taxifahrgästen und den Rettungsdiensten der Stadt gefunden. Auch die Einzelhändler haben längst bemerkt, daß viel mehr Kunden über die Busspur ihr Geschäft erreichen als über eine oder zwei ganztägig zugestaute Autofahrspuren. Und das Anliefern von Waren ist durch die eingerichtete Lieferspur jetzt einfacher und weniger störend als früher möglich. Jedoch muß die Einhaltung des dortigen Parkverbots durch die Polizei auch weiterhin kontrolliert werden. Die unregelmäßiger gewordene Überwachung hat in der letzten Zeit zu einer deutlichen Zunahme des Mißbrauchs der Lieferspur geführt.

Wie sehr sich die Busspuren bewährt haben, wird auch durch den überdurchschnittlich starken Anstieg der Fahrgastzahlen auf den Ku'damm-Buslinien deutlich. Denn zumindest für diesen Streckenabschnitt ist für die Busse eine Einhaltung der kalkulierten Fahrzeiten möglich. Vor Einführung der Busspuren waren - gerade auch außerhalb des Berufsverkehrs - Verspätungen von bis zu 20 Minuten der Normalfall.

Kostenersparnisse für die Steuerzahler

Diese gewichtigen Vorteile für die Fahrgäste schlagen sich darüber hinaus aber auch positiv in den Bilanzen der BVG nieder. Aus der Antwort der Verkehrsverwaltung vom 30.11.1990 auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Micael Cramer geht hervor, daß die Ku'damm-Busspuren allein schon auf den Buslinien 19 und 29 zu rechnerischen Kostenreduzierungen von 3,8 Millionen DM jährlich führen. Grundlage der Berechnungen waren die Verkehrverhältnisse vor der Maueröffnung. Ohne die Busspuren entstünden daher jetzt noch höhere Kosten für den Busbetrieb auf dem Straßenzug und damit eine von den Steuerzahlern zu tragende Erhöhung des Senats-Zuschusses an die BVG. Eine Veränderung der Busspuren, die zu höheren Kosten führte, wäre also nicht mit dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit vereinbar, den die Landeshaushaltsordnung vorschreibt.

Vorgeschlagene Veränderungen, wie z.B. eine Beibehaltung der Busspuren nur während des Berufsverkehrs, verkennen völlig, daß die Busse vor Einführung der Busspuren auf dem Ku'damm praktisch ganztägig im Stau standen und die Busspuren selbst in den Nachtstunden zum Einhalten der Umsteigeanschlüsse im Nachtbusnetz unverzichtbar sind.

Aber nichts ist so gut, daß man es nicht noch besser machen könnte und deshalb werden im folgenden Maßnahmen vorgeschlagen, die eine weitere Beschleunigung und Attraktivitätssteigerung der Busse auf dem Kurfürstendamm - und damit eine Kostensenkung für die Stadt- ermöglichen.

Foto: M. Horth
Ungewöhnlich erfolgreich: da Kudamm-Modell brachte erhebliche Verbesserungen für Busse, Taxis, Lieferanten, Rettungsdienste und Radfahrer. Ungewöhnliche Demo: Am 6. Januar forderten rund 1000 Bürger den Erhalt der Kudamm-Busspuren. Foto: M. Horth

Fahrscheinvorverkauf

Der wichtigste Punkt zur weiteren Beschleunigung des Busverkehrs auf den Ku'damm-Buslinien ist eine Verkürzung der Haltestellenaufenthalte. Auf den Ku'damm-Linien ist der Barzahleranteil erheblich höher als im Berliner Durchschnitt, insbesondere durch den hohen Touristenanteil. Haltestellenaufenthalte bis zu drei Minuten gehören jetzt zum Normalfall. Als besonders problematisch erweist sich dabei, daß ausgerechnet auf den Ku'damm-Buslinien eine Vielzahl von Fahrscheinsorten (Normal-,nKurzstrecken- und Ku'dammfahrschein und dazu die Ermäßigungstarife) angeboten werden. Fahrer und Fahrgäste wissen zu beurteilen, wie lange es dauern kann, jemandem den Unterschied zwischen Kurzstrecken- und Ku'dammtarif zu erklären. Dringend geboten ist daher eine Reduzierung des Fahrscheinsortiments beim Fahrer. Der Sinn eines speziellen Ku'damm-Tarifs war ohnehin noch nie einzusehen, und man wird ihn bald auch den Fahrgästen in der Friedrichstraße nicht mehr vermitteln können. In jedem Fall sollten die Fahrgäste die Möglichkeit haben, im Haltestellenbereich Fahrscheine im Vorverkauf oder an Automaten zu lösen, was eine erhebliche Entlastung bringen würde.

In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, daß selbstverständlich auch eine Einstiegsmöglichkeit an der Mitteltür zu einer Beschleunigung des Fahrgastwechsels fuhren würde, erst recht bei den jetzt überwiegend auf dem Ku'damm eingesetzten Bussen neuerer Bauart mit der erweiterten Stehfläche im Bereich der Mitteltür.

Ampelschaltungen

Als weitere Maßnahme könnte an vielen Kreuzungen der Busverkehr durch “Grünanforderung” beschleunigt werden, so wie dies inzwischen an zwei Ku'damm-Kreuzungen (Fasanenstraße Richtung Halensee und Nestorstraße Richtung Zoo) durch Installierung von Kontaktpunkten auf der Fahrbahn ermöglicht wird. Jedoch muß dabei darauf geachtet werden, daß der Kontaktpunkt, durch den die Busse ihr Grün anfordern, so weit vor der Lichtsignalanlage (LSA) angelegt wird, daß kein Stop oder keine verlangsamte Fahrt nötig wird. Bei der Anlage an der Fasanenstraße erreichen die Busse bei Normalfahrt die Kreuzung wenige Sekunden zu früh, so daß die positiven Effekte hinsichtlich der Umweltbelastung und des Fahrkomforts zunichte gemacht werden. Eine solche Vorrangschaltung wäre auf dem Straßenzug Kurfürstendamm/Tauentzienstraße in beiden Fahrtrichtungen an jeweils ca. 10 Lichtsignalanlagen möglich.

Dringender Handlungsbedarf besteht am Bussondersignal an der Joachimstaler Straße in Richtung Halensee, das eine zu kurze Grünphase für die Busse hat. Dadurch können, wenn auch nur zwei Busse oder Taxen hintereinander ankommen, mehrere Minuten vergehen, bis alle Busse oder Taxen die Kreuzung passiert haben. Besondere Probleme ergeben sich durch rechts abbiegende Taxen und die Busse der Linie 73. Es ist zu prüfen, ob - neben einer Verlängerung der Busgrünphase - an dieser Stelle ein Rechtsabbiegen auch für Busse und Taxen nur aus der "normalen" Rechtsabbiegespur erlaubt werden sollte.

Konvoifahrten

Ein weiterer Aspekt ist das Thema “Konvoifahrten” mehrerer Busse, was gerade auf dem Kurfürstendamm regelmäßig zu beobachten ist. Eingespielte Konvois schaffen es mühelos, bis zu fünf Wagen innerhalb einer Ampelgrünphase über die Kreuzung zu bringen. Besonders ärgerlich ist daran, daß dadurch zum einen wegen der ungleichmäßigen Fahrgastverteilung ein insgesamt deutlich höherer Wagen- und Personaleinsatz erforderlich wird, zum anderen aber auch trotz des "theoretischen" Taktes von 2 Minuten für die Fahrgäste Lücken bis zu 10 Minuten auftreten können. Eine Ursache dafür sind sicherlich die Behinderungen der Busse im Verlauf ihrer sonstigen Streckenführung, die sich durch weitere Busspuren, z.B. im Bereich der Kanaluferstraßen, problemlos reduzieren ließen. Aber die Lösung hat die BVG selbst in der Hand, denn sie könnte je Fahrtrichtung einen Verkehrsmeister einsetzen, der für eine kontinuierlich. Abfahrt von Bussen, z.B von der Joachimstaler Straße in Richtung Halensee und vom Adenauerplatz in Richtun Zoo, sorgen kann, Das wäre für die BVG sicher noch billiger als zusätzliche Einsetzwagen und wirkungsvoller als eine Dienstanweisung, das “Konvoifahren" zu unterlassen. Später kann ein rechnergestütztes Betriebsleitsystem (RBL) diese Aufgabe übernehmen.

Fahrgastinformation

Viel verändern muß sich auch noch bei der Fahrgastinformation. Hauptproblem auf dem Kurfürstendamm sind dabei die regelmäßig auftretenden Umleitungen oder sogar Linienverkürzungen im Citybereich, über die der an der Haltestelle wartende Fahrgast überhaupt nicht informiert wird. Deshalb sollte - ggf. im Zusammenhang mit dem RBL - an den Haltestellensäulen eine Anzeige erfolgen. Bis ein derartiges System installiert ist, müssen Verkehrsmeister diese Informationen den Kunden mündlich mitteilen.

IGEB

aus SIGNAL 1/1991 (Februar 1991), Seite 9-10