Nahverkehr
1. Feb 1992
Auf der Suche nach Kosteneinsparungen ohne Leistungsabbau entschied sich die BVG im letzten Jahr erstmals für den Einsatz von privaten Bussen, die im Auftrag der BVG fahren. Dafür ausgewählt wurden die SEV-Linien zwischen S-Bf. Anhalter Bahnhof und U-Bf. Kochstraße sowie zwischen S-Bf. Gesundbrunnen und U-Bf. Reinickendorfer Straße, auf denen seit dem August 1991 die Fahrzeuge eines Bochumer Busunternehmens verkehren. Dieses hatte preiswertere Angebote als die hier ansässigen Betriebe vorgelegt.
Damit wird in Berlin nachgeholt, was in westdeutschen Städten längst üblich ist, weil die privaten Busunternehmen ihre Verkehrsleistungen in der Regel kostengünstiger als die kommunalen Verkehrsbetriebe erbringen können. Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen in westdeutschen Städten, daß mit einer derartigen Auftragsvergabe sogar die Angebotsqualität für die Fahrgäste verbessert werden kann. So wissen Benutzer privater Busse häufig von einem besseren Kundenservice im Vergleich zu den städtischen Unternehmen zu berichten. In Berlin ließe sich damit z.B. auch das leidige Problem der verfrühten Abfahrten von den Haltestellen leichter in den Griff bekommen: Die BVG, nun ein Kunde des Busunternehmens, kann bei entsprechender Vertragsgestaltung im Falle von Unregelmäßigkeiten viel massiver Druck ausüben, als dies gegenüber dem Personal im eigenen Betrieb möglich ist.
Die IGEB begrüßt deshalb ausdrücklich das
Bemühen der BVG, mit Hilfe privater Busunternehmen
die Kosten zu reduzieren,
vorausgesetzt, daß bestimmte Rahmenbedingungen
erfüllt werden.
Denn die Erfahrungen anderer Städte zeigen
auch, daß ohne die Einhaltung solcher
Rahmenbedingungen die Vorteile für den
Betrieb schnell von den Nachteilen für die
Fahrgäste in den Schatten gestellt werden.
Damit nun für die Berliner Fahrgäste keine
Verschlechterungen gegenüber dem bestehenden
Zustand eintreten, müssen folgende
Voraussetzungen erfüllt sein:
Eigentlich handelt es sich bei dieser Liste um eine Aufzählung von Selbstverständlichkeiten - sollte man meinen. Doch seit dem 3. Februar setzt die BVG auf mehreren Buslinien, vor allem in Spandau, Reisebusse ein, die wesentliche Kriterien nicht erfüllen. So gibt es beispielsweise keinen Fahrscheinverkauf und keinen Platz für Kinderwagen, der Zustieg durch die schmale Tür und der sogenannte Fahrgastfluß in den beengten Innenräumen sind beschwerlich. Zwar will die BVG diese Busse im wesentlichen nur auf E-Linien des Schülerverkehrs einsetzen und dies auch nur übergangsweise, doch die IGEB lehnt den Einsatz solcher Reisebusse im öffentlichen Nahverkehr - mit Ausnahmen von Smog-Alarm und vergleichbaren Notsituationen - grundsätzlich ab.
Wenn die BVG den Einsatz privater Reisebusse jetzt damit entschuldigt, daß aufgrund von Lieferengpässen der Fahrzeughersteller private Unternehmen - ebenso wie die BVG selbst - kurzfristig keine für den Linienverkehr geeigneten Busse bekommen könnten, dann muß sie sich fragen lassen, warum sie nicht schon längst das Ausmustern ihrer alten Fahrzeuge eingestellt hat. Denn für die Fahrgäste im Nahverkehr ist jeder acht oder zwölf Jahre alte BVG-Linienbus attraktiver als der neueste Reisebus.
IGEB
aus SIGNAL 1/1992 (Februar 1992), Seite 12-13