Planung

Entwicklung der Eisenbahn-Infrastruktur im Raum Berlin


Christian Schultz
Arbeitsgemeinschaft Fern- und Regionalverkehr

1. Mai 1992

Die veränderte politische Lage als Folge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 verlangt auch in Berlin eine Anpassung der Eisenbahninfrastruktur. Der Erschließung des künftigen Stadtzentrums im Bereich Potsdamer Platz auf der Schiene muß sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr aus umwelt-, Struktur und verkehrspolitischen Gründen besondere Bedeutung zukommen. Verschiedene Modelle sind dazu entwickelt worden.

Favorisiert wird vom Berliner Senat zur Zeit das sogenannte Achsenkreuzmodell. Es beinhaltet im wesentlichen den Bau eines Nord-Süd-Fernbahntunnels und den Bau eines Zentralbahnhofes im Bereich des heutigen Lehrter Stadtbahnhofes, eventuell eines weiteren Fernbahnhofes im Bereich Yorck- oder Papestraße. Aus unserer Sicht ist der Standort eines Zentralbahnhofes am Lehrter Stadtbahnhof aus zwei Gründen bedenklich:

Statt Lehrter Stadtbahnhof ein Zentralbahnhof Yorckstraße

Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil der Eisenbahn im Gegensatz zum Flugzeug ist die direkte Erreichbarkeit der Innenstadt. Aus diesem Grund ist der Bau eines Nord-Süd-Tunnels für Fern- und Regionalbahn sehr zu begrüßen. Bei der Standortwahl für einen Zentralbahnhof sollten aber die Prioriäten anders gesetzt werden. Folgende Grundsätze sollten dabei beachtet werden:

Diese Anforderungen lassen sich sehr günstig realisieren, wenn ein Zentralbahnhof statt im Bereich des ehemaligen Lehrter Bahnhofes auf dem Gelände zwischen Yorckstraße und Gleisdreieck gebaut wird.

Abb. 1 Der Fern- und Regionalbf. Yorkstraße und seine Verknüpfung mit S- und U-Bahn

Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, läßt sich auf dem vorhandenen Gelände des ehemaligen Potsdamer Güterbahnhofes eine leistungsfähige Bahnhofsanlage realisieren. Wir sind von einer Anlage mit vorerst 4 Bahnsteigen (8 Gleise) für den Fern- und Regionalverkehr und einem weiteren Bahnsteig für die S-Bahn ausgegangen. Der zur Verfügung stehende Platz läßt Erweiterungen zu.

Über insgesamt 4 Streckengleise sollen die Fern- und Regionalzüge den Zentralbahnhof Yorckstraße erreichen können:

Durch diese Gleisanordnung wird im Bahnhofsbereich ein kreuzungsfreies Ein- und Ausfädeln der Züge möglich.
Verknüpft wird der Zentralbahnhof mit folgenden S- und U-Bahn-Linien (Planungen in Klammern):

Die U-Bahn-Linie 7 könnte in skizzierter Linienführung verlegt werden, da die Umsteigesituation bei der derzeitigen Lage des U-Bahnhofs sehr ungünstig wäre; außerdem könnte so für alle den neuen Bahnhof tangierenden Schnellbahnlinien auch für den innerstädtischen Verkehr ein neuer Vernüpfungspunkt mit kurzen Umsteigewegen geschaffen werden.

Abb. 2 Standorte von Fern- und Regionalbahnhöfen in Berlin (Planung)

Im S-Bahn-Bereich wurde die Anbindung vom Anhalter Bahnhof zugunsten einer optimalen Erschließung des Zentralbahnhofes Yorckstraße außer Betracht gelassen.

Der Betrieb des Postbahnhofes wird durch den Neubau des Bahnhofes Yorckstraße nicht beinträchtigt, die Südanbindung bleibt auf jeden Fall erhalten. Es besteht die Möglichkeit, durch den Neubau eines (elektrifizierten) Übergabebahnhofes auf dem Gelände zwischen den S-Bahnhöfen Yorck- und Papestraße neben einer verbesserten Südanbindung auch eine Nordanbindung zu realisieren, was sich letztlich in attraktiveren Beförderungszeiten niederschlagen würde.

Betriebliches Konzept

Um den Stadtraum Berlin im Fernverkehr kundengerecht zu erschließen bzw. Umwege z.B. für Fahrgäste aus dem Umland zu vermeiden, sind weitere Fernbahnhöfe erforderlich. Wegen der Verknüpfungsmöglichkeiten mit den bestehenden oder geplanten Schnellbahnlinien werden folgende Standorte vorgeschlagen (siehe Abbildung 2):

Damit eine günstige Erschließung im Fernverkehr gewährleistet werden kann, sollten Züge mit dem Ziel/Einsatzort Berlin grundsätzlich im Bahnhof Lichtenberg enden/beginnen, wobei dort eine moderne Wagenbehandlungsanlage für ICE, IC und IR-Züge geschaffen werden muß.

Folgende Verbindungen sollen - stellvertretend für andere - die Zugführung durch Berlin verdeutlichen:

Umweltverträglichkeit

Bei Realisierung eines Zentralbahnhofes Yorckstraße an beschriebener Stelle dürften die entstehenden ökologischen Schäden als gering einzustufen sein, da das Gelände (ganz im Gegensatz z.B. zum Schöneberger Südgelände) zur Zeit einer Müllkippe gleicht.

Christian Schultz
Arbeitsgemeinschaft Fern- und Regionalverkehr

aus SIGNAL 3/1992 (Mai 1992), Seite 14-15