Nahverkehr

S-Bahnhof Heerstraße: Wieder mit Turm, aber weiter ohne S-Bahn


Interessenverband Westbahn

1. Jun 1992

Seit 1909 markierte der Turm des neuen Nahverkehrsbahnhofes an der Eisenbahnstrecke Berlin - Spandau - Nauen/Wustermark den Beginn der Hauptstadt Berlin. Hier wechselte früher der Straßenname: Die Heerstraße wurde zum Kaiserdamm. Nach langer, sorgfältiger Grundinstandsetzung durch die Verwaltungsstelle des ehemalige Reichsbahnvermögens (VdeR) wurde nun am 14. Mai die Kuppel des Turmes aufgesetzt - ein krönender Abschluß der Sanierungsarbeiten am Äußeren des Gebäudes. Jetzt fehlt nur noch die Hauptsache, nämlich der fahrplanmäßige S-Bahn-Verkehr.

S-Bf. Heerstraße. Seit dem 14. Mai hat das Bahnhofsgebäude wieder seine markante Kuppel. Jetzt fehlt nur noch der S-Bahn-Betrieb. Foto: E. Kuntzscg

S-Bahn-Verkehr gab es hier 71 Jahre lang bis 1980, zum Schluß in 10-minütigem Wechsel von Friedrichstraße nach Spandau West und nach Staaken; vor der Spaltung der Stadt, 1961, von Falkensee nach Königs Wusterhausen (Umlauf H) und von Staaken nach Strausberg (Umlauf E).

Bereits 1984 nahm die BVG ein Gleis von Westkreuz bis zum S-Bf. Heerstraße innerhalb von wenigen Wochen wieder in Betrieb - leider nur für Ausbildungsfahrten und Sonderverkehr. 1987 war zum Turnfest eine Wiederinbetriebnahme bis Pichelsberg geplant, wurde dann aber wegen zu hoher Kosten (unter 9 Mio DM) wieder abgeblasen.

Die Strecke wird nach der Wiedervereinigung dringender gebraucht als je zuvor. Nicht nur Charlottenburg und Spandau, sondern auch das gesamte westliche Umland Berlins gehört zum Einzugsbereich der S-Bahn-Strecke nach Staaken/Wustermark und Falkensee/Nauen. Den Mitgliedern unseres Verbandes ist die nun über 8 Jahre andauernde Untätigkeit des Senats in Bezug auf die Wiederinbetriebnahme der Westbahn unverständlich. Zwischen 1984 und 1988 wurden rund 40.000 Unterschriften im Einzugsbereich der Strecke gesammelt und den zuständigen Senatoren und dem Regierenden Bürgermeister übergeben. Der rotgrüne Senat sah die Wiederinbetriebnahme bis Spandau 1993 vor. Verkehrssenator Haase aber, der auf einer Veranstaltung am 19. März den Unmut der Spandauer zu spüren bekam, will die Strecke erst 1997 im Zusammenhang mit dem neuen Fernbahnhof am Spandauer Rathaus in Betrieb nehmen und verweigert das Gespräch mit den Anliegern.

Unser Verband hat dagegen den Verantwortlichen seit 1989 vorgeschlagen, als kurzfristig realisierbare Zwischenlösung die elektrischen Wendezüge Nauen - Albrechtshof der DR auf der vorhandenen Trasse bis Spandau (Fernbahnhof) zu führen und genauso schnell bis dorthin die S-Bahn von Westkreuz über Eichkamp, Heerstraße, Olympiastadion, Pichelsberg wieder in Betrieb zu nehmen. Dies hätte auch eine wesentlich bessere Auslastung der Züge zwischen Zoo und Westkreuz zur Folge, die jetzt im 4-Minuten-Abstand verkehren. Nicht umsonst führte die Deutsche Reichsbahn 2/3 aller Stadtbahnzüge nach Spandau, Staaken und Falkensee.

Die Westbahn wurde 1908 bis 1911 innerhalb von 3 Jahren gebaut! Wir fordern den Senat nochmals auf, die skandalöse Untätigkeit zu beenden und die vorhandene Bahnanlage - wie bei der Wannseebahn 1984/85 geschehen - substanzschonend zu reparieren und innerhalb eines Jahres in Betrieb zu nehmen. Die Bahnhofsgebäude wurden bereits von der VdeR instandgesetzt. Auch das Schielen auf Olympia-Mittel rechtfertigt nicht, die Bevölkerung noch weitere fünf Jahre warten zu lassen. 12 Jahre in Berlin (West) und 32 Jahre für Falkensee sind genug!

Der Landrat von Nauen hat am 4. Mai mitgeteilt, daß der Kreistag und das Landratsamt einhellig die unverzügliche Wiederinbetriebnahme der S-Bahn nach Falkensee erwarten.

Interessenverband Westbahn

aus SIGNAL 4/1992 (Juni 1992), Seite 12