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U-Bahn: Das Massenverkehrsmittel für die Metropole Berlin


BVG

1. Dez 1992

Vom Abgeordneten Michael Cramer (AL) wird wiederholt die Behauptung aufgestellt, daß die Straßenbahn wegen ihrer angeblich so geringen Investitionskosten das einzig richtige Verkehrsmittel für die Stadt Berlin sei. Dabei wird von Herrn Cramer der Eindruck erweckt, daß eine Metropole wie Berlin mit einer geschätzten Einwohnerzahl im Jahre 2000 von über 5 Mio. ihre verkehrlichen Probleme allein mit der Straßenbahn lösen könne. Diese Favorisierung der Tram geht einher mit geradezu einer Verteufelung zu teuren U-Bahn. Es wird insbesondere mit Vergleichen gearbeitet, in denen die Straßenbahn infolge Fehlens attraktiver Schnellbahnverbindungen die Hauptlast des innerstädtischen Personennahverkehrs tragen müßte.

Weitaus realistischere Vergleiche mit Ballungsräumen und Metropolen, wie beispielsweise Paris oder London, zeigen aber ein völlig anderes Bild. In keiner dieser Millionenstädte trägt eine Tram die Hauptlast des Personennahverkehrs, auch nicht dann, wenn sie als sogenannte Stadtbahn auf eigenem Gleiskörper fährt, sondern ausschließlich U-Bahnen, ergänzt um regionale S-Bahnen. In keiner Millionenstadt wird daran gedacht, die Tram als Hauptverkehrsträger zu überfordern. So wird die neue Straßenbahn in Paris als Ringlinie geplant, die insbesondere die Außenbezirke erschließen soll. Denn ähnlich wie der Omnibus hat auch die Straßenbahn die Aufgabe, Wohngebiete zu erschließen und zur Schnellbahn hinzuführen, sie übernimmt also eher eine Ergänzungs-, aber keine Hauptfunktion.

Insbesondere der AL-/Bündnis 90-Abgeordnete Michael Cramer versucht seit langem, in der Millionenstadt Berlin der Straßenbahn eine völlig andere, geradezu dominierende Rolle zuzuweisen. Um dies zu untermauern, diffamiert er den nach Ansicht der Mehrzahl der Verkehrspolitiker notwendigen Ausbau der U-Bahn und der dazu gehörenden Bahnanlagen als "Luxus" und "Geldverschwendung". Schon das von ihm in diesem Zusammenhang genannte Zahlenmaterial für die kostengünstigeren Investitionskosten trifft nur begrenzt zu, insbesondere wenn man die benötigten Verkehrstrassen im öffentlichen Verkehrsraum nicht bewertet. Die U-Bahn in Tieflage benötigt eben diesen teuren Verkehrsraum nicht, und die Tunnel können über 200 Jahre amortisiert werden.

Die von ihm immer wieder angeführte Zahl von 24.000 Fahrgästen pro Stunden In beiden Richtungen ist ein rein theoretischer Maximalwert im 80-Sekunden-Takt. Die volle Leistungsfähigkeit der Straßenbahn ist von drei Faktoren abhängig:

Diese wichtigen parallelen Begrenzungen des Verkehrsmittel Tram werden von ihm bei öffentlichen Debatten immer wieder außer Acht gelassen.

Nicht zuletzt ein ausgewiesener Straßenbahn-Freak, der Karlsruher Verkehrsdirektor Ludwig, hat in einem Vortrag auf einer AL-Veranstaltung im Sommer 1991 die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Straßenbahn von 18.000 bis 20.000 Fahrgästen gleichzeitig pro Stunde in beiden Richtungen (zweigleisiger Betrieb) angegeben.

Schon bei einem in Berlin inzwischen üblichen 3-Minuten-Takt ist die U-Bahn in der Lage, mindestens 40.000 Fahrgäste pro Stunde zu befördern. Bei einer dichteren Zugfolge oder gar mit einer elektrischen Zugsteuerung wird die Kapazität noch weitaus höher. Auch hier spielt natürlich die Frage der Leistungsfähigkeit der Bahnhöfe und der Kehranlagen eine entscheidende Rolle der Kapazitätsbegrenzung.

Wer das künftige gewaltige Verkehrsaufkommen in Berlin optimal steuern will, kommt nicht darum herum, das Netz der U-Bahn weiter auszubauen, weitere Verknüpfungspunkte zu schaffen und Umsteigeoptimierungen zu realisieren. Die Tram kann auf keinen Fall mit der Leistungsfähigkeit der U-Bahn konkurrieren. Dies zu versprechen, würde eine Überforderung der Tram darstellen und den großstädtischen Verkehrsaufgaben von Berlin nur schaden.

BVG

aus SIGNAL 9-10/1992 (Dezember 1992), Seite 8