Autoverkehr

Gerichtsentscheidung für Tempo 30


Gaßner, Groth & Siederer
Rechtsanwälte

1. Mär 1993

Zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Februar 1992, nach der die Tempo-30-Schilder in der Sundgauer Straße sofort wieder anzubringen sind, erklären wir als prozeßführende Anwälte: Die Entscheidung des Gerichts ist eine schallende Ohrfeige für die einseitig autoorientierte Handhabung des Straßenverkehrsrechts durch den Senat. Die Bedeutung der Entscheidung reicht über den Einzelfall Sundgauer Straße weit hinaus. Denn aus der Begründung des Gerichts geht hervor, daß praktisch des gesamte Programm zur Aufhebung von Tempo 30 in Berlin rechtswidrig ist.

Das Verwaltungsgericht stützt seinen Beschluß nämlich insbesondere auf einen Gesichtspunkt, der Für das Aufhebungskonzept tragende Bedeutung hat: Es bemängelte, daß die Aufhebung "achematisch nach einem bestimmten Punktesystrm erfolgte, bei dem allein das hohe Verkehrsaufkommen ... zur Aufhebung der Tempo-30-Regelung führt. Demgegenüber werden positive Aspekte, wie die Unfallentwicklung, nicht einbezogen." Dies trifft auf sämtliche Aufhebungen von Tempo 30 in Berlin zu, so daß davon auszugehen ist, daß Anwohnerklagen gegen die Aufhebung zumindest in all jenen Fällen Aussicht auf Erfolg versprechen, in denen die Unfallentwicklung positiv verlaufen ist. Damit trägt der Fall Sundgauer Straße den Charakter eines Präzedenzfalles.

Berliner Tempo-30-Zone. Graz ist schon weiter. In der ganzen Stadt gilt Tempo 30, und nur ausnahmsweise ist noch Tempo 50 erlaubt. Foto: Thomas Billik

Die Anwohner sehen einer Überprüfung in der Beschwerdeinstanz mit Gelassenheit entgegen, denn die Straßenverkehrsordnung verlangt eine Abwägung zwischen der Sicherheit und der Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Wer - wie der Verkehrssenator - die Gesichtspunkte der Unfallentwicklung übergeht, wägt in Wahrheit überhaupt nicht ab und handelt damit offenkundig rechtsfehlerhaft. Er behandelt die Straßenverkehrsordnung als politische Spielwiese und nicht als Rechtsinstrument. Wir nehmen die Entscheidung des Gerichts zum Anlaß, daraufhinzuweisen, daß wir zur Zeit bereits zwei weitere Anwohnerklagen (Xantener Straße und Akazienstraße) vorbereiten.

Gaßner, Groth & Siederer
Rechtsanwälte

aus SIGNAL 2/1993 (März 1993), Seite 15