Autoverkehr
1. Mär 1993
Für den Grazer Bürgermeister Alfred Stingl ist es "Mut zur Verantwortung". Als erste Gemeinde Europas hat die steirische Landeshauptstadt Graz am 1. September für das gesamte Stadtgebiet "Tempo 30" eingeführt. Ausgenommen sind nur jene Ausfallstraßen, auf denen weiterhin 50 Stundenkilometer erlaubt sind - aber die sind eben hier die Ausnahme von der Regel.
Heftige Diskussionen von Politikern und Wirtschaftsvertretern waren diesem Tag vorausgegangen. Die Stadtväter sprechen aber nun vom "konsequentesten, klarsten Verkehrsversuch Österreichs" sowie einem "interessanten, europäischen Modell", und sie berufen sich auf die Zustimmung des überwiegenden Teils der Bevölkerung.
Doch manche Autofahrer sind verbittert. Sie sagen, bei den Gemeinde wählen 1993 werde es für die beiden Regierungsparteien, die konservative Volkspartei und die Sozialdemokraten, einen Denkzettel geben. Das Projekt "Tempo 30 in der ganzen Stadt" ist vorerst auf zwei Jahre befristet, Wissenschaftler werden untersuchen, welchen Erfolg diese "flächendeckende Verkehrsberuhigung" (so die amtliche Bezeichnung) hat.
Süddeutsche Zeitung, 2.9.1992
aus SIGNAL 2/1993 (März 1993), Seite 15