Nahverkehr

Pendelverkehre bringen Fahrgäste zu Verzweiflung

Die Pendelverkehre auf S- und U-Bahn haben inzwischen ein nicht mehr verträgliches Ausmaß erreicht. War einst der Pendelverkehr eine segensreiche Berliner Erfindung, um auch bei Bauarbeiten einen Notbetrieb zu sichern, kann er im heutigen Ausmaß von den Fahrgästen nur noch als Schikane empfunden werden.


IGEB

1. Mär 1993

Foto: Bernhard Strowitzki
Foto: Bernhard Strowitzki
Während der Pendelverkehre und Betriebseinstellungen auf der S3 zwischen Charlottenburg und Wannsee fuhren die Züge der S1 über Wannsee hinaus bis Potsdam - eine gute Entscheidung! Nicht gut, sondern ungenügend war jedoch (wieder) die Fahrgastinformation. Weder auf den alten Zugzielanzeigern (S-Bf. Zehlendorf, Foto unten) noch auf den teuren neuen (S-Bf. Steglitz, Foto ganz oben) konnte Potsdam angezeigt werden, sondern nur Richtung Wannsee bzw. Wannsee. In beiden Fällen ist dies unbegreiflich, auch beim alten Transparentzugzielanzeiger in Zehlendorf. Denn dort sind von den acht Feldern des Zugzielanzeigers am Gleis in Richtung Wannsee vier mit Zielschildern der Gegenrichtung belegt: Richtung Oranienburg, Anhalter Bhf. und zweimal (!) Frohnau (siehe Foto ganz unten). Was soll dieser Unfug? Platz für Potsdam wäre also da. Foto: Bernhard Strowitzki

Das Bahnhofspersonal muß inzwischen nahezu jeden freien Fleck nutzen, um die zum Teil mehr als zehn Aushänge zu Pendelverkehren noch anbringen zu können. Aus den aktuellen, den veralteten und den erst demnächst gültigen Hinweisen können selbst geübte Fahrgäste kaum noch die für die eigene Fahrstrecke relevanten Pendelverkehre herausfinden.

Die Koordination der Pendelverkehre ist mangelhaft. So gab es im Nord-Süd-Tunnel der U-Bahn-Linie 6 wiederholt Pendelverkehr im (unzumutbaren) 30-Minuten-Abstand, während zeitgleich im parallelen Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn gependelt wurde. Fahrzeitverlängerungen bis zu 40 Minuten waren für viele Fahrgäste damit nicht mehr zu vermeiden.

Die nerven- und zeitraubenden Pendelverkehre finden bei der S-Bahn keineswegs nur in den sogenannten Nebenverkehrszeiten, sondern auch in den Hauptverkehrszeiten statt. Mit der Praxis, häufig zwischen 8.30 und 13.30 Uhr zu pendeln, ignoriert die DR, daß der Berufsverkehr bis 9.00 Uhr reicht, weil in vielen Arbeitsstätten erst dann die Kernzeit beginnt. Außerdem fällt in diese Zeitspanne auch ein erheblicher Teil der mittäglichen Schülerverkehre.

Noch schlimmer ist, daß bei der DR erste Einschränkungen durch den Pendelverkehr in der Regel schon weit vor 8.30 Uhr beginnen. Ein Beispiel: Während des Pendelverkehrs im März zwischen Karlshorst und Köpenick fuhr der letzte bis Erkner durchfahrende Zug in Charlottenbürg um 7.42 Uhr ab. Bereits der folgende Zug (Charlottenburg ab um 7.52 Uhr) fiel ersatzlos aus. Dies war für die Fahrgäste aus den Bahnhofsaushängen der DR nicht einmal erkennbar.

Foto: Bernhard Strowitzki
Schienenersatzverkehr über die AVUS, Blich aus dem Bus nach Wannsee auf den stilliegenden S-Bf. Grunewald und auf einen Bus nach Charlottenburg. Vom 20. bis 26. Februar verkehrten zwischen Charlottenburg und Wannsee keine S-Bahn-Züge. Statt des sonst üblichen Pendelns gab es einen Schienenersatzverkehr mit Bussen. Dies kann eine durchaus akzeptable Alternative zum Pendeln sein. Unbegreiflicher Weise wurde aber der S-Bf. Grunewald durch den Ersatzverkehr nicht angefahren, während ein Überangebot an Bussen die Verbindung zwischen Charlottenburg und Wannsee bediente, obwohl viele Fahrgäste per U9 und S1 diesen Abschnitt umfuhren. Anstatt einige Busse zum S-Bf. Grunewald fahren zu lassen, gab die DR in einem Infomationsblatt den Hinweis: Bitte benutzen Sie die Buslinie 219. Eine Zumutung, denn diese fuhr Ende Februar überwiegend nur im 30-Minuten-Takt. Foto: Bernhard Strowitzki

Viele der S-Bahn-Pendelverkehre wurden und werden durch zu enge Terminpläne für die Bauarbeiten an der Fernbahn verursacht. So mußten die S-Bahn-Fahrgäste auf der Stadtbahn rund ein Jahr lang umfangreiche Einschränkungen erdulden, damit der ICE ab 23. Mai 1993 zum Bahnhof Zoo fahren kann. Dennoch ist der Terminfahrplan (wie so oft in Berlin) geplatzt. Die Züge fahren zunächst nach Berlin-Lichtenberg und erst im September über Wannsee auf die Stadtbahn.

Deshalb fordert der Berliner Fahrgastverband IGEB

IGEB

aus SIGNAL 3/1993 (April 1993), Seite 7-8