Planung

Ausbauvorschlag statt Tramkonzept

Bis zum 29. Februar 1992 sollte der Berliner Senat dem Abgeordnetenhaus einen Bericht zur Umsetzung des Straßenbahnkozeptes vorlegen. Mit mehr als einem Jahr Verspätung hat Verkehrssenator Haase dieses Papier nun fertiggestellt, und in der Senatssitzung am 27.4.1993 ist es mit einigen nicht unwesentlichen Änderungen, z.B. zur Friedrichstraße, beschlossen worden. Nach der heftigen Kritik wegen der ständigen Verzögerungen überrascht zunächst die Bescheidenheit, mit der Herr Haase den erfolgreichen Abschluß seines überfälligen Konzeptes der Öffentlichkeit präsentierte: Er bezeichnete es als Ausbauvorschlag. Ist das eine Aufforderung zur Diskussion, gar ein Schritt in Richtung Bürgerbeteiligung? Leider nein, denn dahinter verbirgt sich nichts anderes, als das Eingeständnis, daß die Umsetzung des Konzeptes weder in rechtlicher, technischer noch finanzieller Hinsicht geklärt ist. Dennoch hat die IGEB sich die Mühe gemacht, daß Papier einmal durchzusehen und es nachfolgend zu kommentieren.


IGEB

1. Mai 1993

Abgesehen von all den offenen Fragen, vor allem zur Finanzierung, fällt die erneute Terminverschiebung auf. Die ersten der von Senator Haase "vorgeschlagenen" Neubaustrecken sollen nun erst 1997 in Betrieb gehen. Sage und schreibe acht Jahre sollen nach dem Willen der Verkehrsplaner vergehen, bis die erste Straßenbahnverlängerung in die Westbezirke seit dem Fall der Mauer erfolgt. Zugleich drängt sich aber der Verdacht auf, daß selbst dieses Minimalprogramm durch unrealisierbare und überzogene Planungsvorgaben bewußt verzögert und verschleppt wird und auch 1997 noch kein Meter neue Tramstrecke befahren werden kann.

Jetzt erst für 1997 geplant: S-Bf. Bornholmer Straße - U-Bf. Seestraße

Wie bereits in SIGNAL 9-10/92 dargestellt, plante die Senatsverkehrsverwaltung ursprünglich, eine Wendeschleife im dicht bebauten Wohngebiet Lütticher, Brüsseler und Antwerpener Straße einzurichten. Später favorisierte man im Gebiet Lüderitz-, Kameruner und Togostraße eine solche Schleife. Bei beiden Varianten war von vornherein klar, daß derartige Blockumfahrungen politisch nicht durchsetzbar sind und damit die gesamte Streckenverlängerung in Frage gestellt wird.

Ärgerlich ist, daß der Bezirk Wedding dann den (verkehrlich ohne eine Verknüpfung nach Moabit ohnehin fragwürdigen) Vorschlag machte, die Tramstrecke gleich bis zum Eckernförder Platz zu verlängern und dort die Wendeschleife zu bauen. Dieser Vorschlag wurde auch sogleich von der Senatsverkehrsverwaltung aufgegriffen. Zwar sollen die Aufstellgleise im Mittelstreifen der Seestraße liegen, aber allein mit der Gleisschleife würde massiv in die bestehende Grünanlage mit schon beinahe waldartigem Baumbestand eingegriffen. Sofern dies planungsrechtlich überhaupt durchsetzbar ist, weil es natürlich Varianten ohne derart gravierende Eingriffe gäbe, sind zumindest umfangreiche und kostenträchtige Ausgleichsmaßnahmen nach dem Naturschutzgesetz nötig, und vor allem werden den Gegnern der Straßenbahn neue Argumente geliefert. Gegner gibt es schon jetzt genug, da sich die Zahl der angeblich durch die Tramtrasse entfallenden Stellplätze auf die imposant klingende Zahl von ca. 1.000 erhöht hat.

Mit der geplanten Gleisschleife in dieser Grünanlage am Eckenförder Platz ist wiederum eine problematische Lösung ins Auge gefaßt worden, die Tram nicht voranbringt. Ausgleichsmaßnahmen nach dem Naturschutzgesetzt werden unvermeidlich sein und für weitere Verzögerungen sorgen. Foto: Matthias Horth
Problemlos könnte dagegen eine Wendeschleife um den Friedhofsblock über die Ungarnstraße angelegt werden, da hier weder mit Anwohnerprotesten noch mit ökologischen Ausgleichsmaßnahmen zu rechnen ist. Foto: Matthias

Ein erstes Ergebnis der fatalen Verzögerungstaktik: Der immer wieder verschobene, zuletzt für Mai 1993 angekündigte Beginn des Planfeststellungsverfahrens verzögert sich erneut. Baubeginn soll zwar "noch" 1994 sein, aber selbst wenn alles glatt läuft, würde die erste Verlängerungsstrecke nach West-Berlin erst 1997 fertig.

Skepsis an der Ernsthaftigkeit dieser neuen Ankündigungen ist schon deshalb angebracht, weil die sich wegen ihrer problemlosen Realisierbarkeit geradezu aufdrängende Wendeschleife durch Umfahrung des "Friedhofsblockes" über die Müller-, Ungarn- und Indische Straße von der Senatsverkehrsverwaltung bisher überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde. Sicherlich wäre der "Preis" dieser Schleife eine geringfügige Verlängerung des Umsteigeweges zur U-Bahn.
Aber weil Senatsverkehrsverwaltung und BVG noch immer die Anschaffung von Zweirichtungsfahrzeuge verhindern, wäre diese Schleifenfahrt wohl die einzige Möglichkeit für eine schnelle Inbetriebnahme der Tram in der Seestraße.

Im nächsten Jahrtausend nach Moabit

Eine ähnliche Verzögerungstaktik gibt es auch bei der Verlängerung zum Lehrter Bahnhof und weiter nach Moabit. Als "zwischenzeitliche" Endstelle am Lehrter Bahnhof wird inzwischen von der Senatsverkehrsverwaltung eine Schleife rund um das Sozialgericht in der Invalidenstraße favorisiert. Dies hieße nicht nur, daß die Umsteigesituation zur S-Bahn katastrophal wäre, sondern auch, daß die (Fernbahn-) Fahrgäste, die am Lehrter Bahnhof ankommen, mehrere hundert Meter bis zu der nächstgelegenen Straßenbahnhaltestelle laufen müßten.

Aber selbst bei dieser Minimallösung wird kein Versuch ausgelassen, weitere Verzögerung zu bewirken: So soll der Neubau der Sandkrugbrücke bis 1995 fertiggestellt werden; allerdings werden keine Schienen verlegt, da die Inbetriebnahme der Tram zum Lehrter Bahnhof erst später erfolgen soll. "Eine Verlängerung nach Moabit läßt sich erst nach Abschluß aller Tunnelbaumaßnahmen im Bereich Lehrter Bahnhof realisieren", verkündete die Senatsverkehrsverwaltung kürzlich im Bauausschuß der BVV Tiergarten. Und das heißt nichts anderes, als daß dies erst nach dem Jahr 2000 erfolgen kann. Nur konsequent ist, daß diese so dringende Netzverknüpfung zwischen Mitte und Moabit in der 1 .Ausbaustufe des Straßenbahnkonzeptes gar nicht erst enthalten ist.

Haase bis zuletzt gegen Friedrichstraße

Noch bis zuletzt wollte Verkehrssenator Haase die Tram aus der Friedrichstraße verbannen. Jetzt ist er per Senatsbschluß verpflichtet worden, den Lückenschluß bis zur Leipziger Straße zeitgleich mit den Bahnsteigumbauten auf der U6 zu realisieren. Foto: Frank Brunner
Noch Jahre soll die fahrgastfeindliche Endstelle Revaler Straße in der Nähe des S-Bf. Warschauer Straße bestehen bleiben. Frühestens drei Jahre nach Freigabe der Oberbaumbrücke für den Autoverkehr und acht Jahre nach dem Fall der Mauer soll 1997 auch die Tram fertiggestellt werden. Aber Gleise werden beim Neubau der Oberbaumbrücke erst einmal nicht verlegt ... Foto: Matthias Horth

Doch bis zur Senatssitzung am 27.4.1993 versuchte die Senatsverkehrsverwaltung, die Straßenbahn durch die Friedrichstraße zu verhindern. So waren weder eine Bestandssicherung, noch eine Verlängerung zur Leipziger Straße Bestandteil des Konzeptes. Erst in der Senatssitzung wurde der monatelange Widerstand von Haase gegen die Tram in der Friedrichstraße durch die übrigen Verwaltungen gebrochen und Herr Haase per Senatsbeschluß dazu verpflichtet, die Tram in der Friedrichstraße so schnell wie möglich zu realisieren.

Wörtlich heißt es: "In der Umsetzung des Straßenbahnkonzeptes sind die Aussagen zur Friedrichstraße dahingehend zu verändern, daß eine Verlängerung der Streckenführung in Richtung Süden bis zur Leipziger Straße vorrangig vorgesehen wird. Demzufolge sind die anderen diesbezüglichen Aussagen im Konzept anzupassen." Und weiter heißt es in der Protokollnotiz: "Die Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe wird beauftragt sicherzustellen, daß die erforderlichen Baumaßnahmen an den U-Bahnhöfen der Linie 6 im Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Friedrichstraße und Stadtmitte zeitlich so mit den Tiefbaumaßnahmen in diesem Abschnitt der Friedrichstraße einschließlich der Baumaßnahmen für den beabsichtigten Straßenbahnverkehr koordiniert werden, daß eine weitestgehend gleichzeitige Fertigstellung möglich wird."

Armer Haase

Nachdem mit dieser Festlegung der jahrelange Widerstand von Haase gegen die nach seiner Meinung den Autoverkehr behindernde Tram in der Friedrichstraße gebrochen war, verkündete er, daß eine Straßenbahn in der Friedrichstraße nur dann möglich sei, wenn sie von privaten Investoren finanziert werden würde (davon ist im Senatsbeschluß nicht die Rede !). Und damit die Investoren auch gleich abgeschreckt werden, verdoppelte er die voraussichtlichen Baukosten auf 20 Mio. DM je km. Es ist schon absurd: Dieser Senat beabsichtigt, Milliardenbeträge aus dem Haushalt Für Tunnelbauten quer durch die Berliner Innenstadt auszugeben und verpflichtet sich gegenüber privaten Investoren zur Anlage eines neuen unterirdischen Regionalbahnhofs am Potsdamer Platz, aber ausgerechnet bei der ungleich preiswerteren und sinnvolleren Tramverlängerung durch die Friedrichstraße möchte er die Realisierung von der Fremdfinanzierung abhängig machen.

Nachdem die Würfel in Sachen Friedrichstraße für die Tram und gegen Haase gefallen waren, plädierte kurz darauf sein Staatsekretär Ingo Schmitt für eine Fußgängerzone in der Friedrichstraße. Diese Koppelung, verbunden mit seiner Forderung nach zusätzlichen leistungsfähigen Nord-Süd-Straßen für den Autoverkehr, ist neben der Finanzierungsforderung ein weiteres Indiz dafür, daß im Hause Haase trotz der Niederlage im Senat weiter an der Verhinderung der Tram in der Friedrichstraße gearbeitet wird.

Neubau der Oberbaumbrücke ohne Gleise

Nur wenige Wochen vergingen nach dem Senatsbeschluß vom August zur Berücksichtiugung einer Straßenbahnverlängerung über die Oberbaumbrücke, schon fiel den Tram-Gegnern eine neue Maßnahme im Kampf gegen die Tram ein. Die Warschauer Brücke sei nicht mehr ausreichend tragfähig. Während beliebig viele Vierzigtonner über die Brücke fahren können, wird als Voraussetzung zur Tram Verlängerung der Neubau (!) einer separaten Straßenbahnbrücke benannt. Auf einer vom Verein SO 36 Anfang März organisierten Veranstaltung wurde denn auch bekanntgegeben, daß die Oberbaumbrücke zwar 1994 für den Straßenverkehr fertiggestellt wird, die Tram soll Kreuzberg aber erst 1997 erreichen. Und übrigens werden auch hier "zunächst" keine Gleise in die Fahrbahnen der neu gebauten Oberbaumbrücke eingebaut. Bei der Wendeschleife am U-Bf. Schlesisches Tor hat man sich - natürlich - wieder für die denkbar ungünstigste Alternative entschieden (s. nachfolgenden Beitrag der FIB).

Überall Stillstand

Nun doch im Senatskonzept enthalten: Eine geradlinige Verbindung vom Mollknoten über Hans-Beimler-Straße zum Alexanderplatz. Aber bei allem hochfliegenden Plänen zur Zukunft des Alexanderplatzes fällt das Schweigen zum Thema Tram auf. Auch hier passiert nichts. Foto: Wolfram Däumel
Ein Beispiel für hohe Leistungsfähigkeit mit einem stadtverträglichen Straßenbahnsystem ist die Wiener Tram, die mit maximal ca. 36m langen Zügen (6-Achser mit Beiwagen) verkehrt. Anläßlich eines Kirchentages zum Jahreswechsel stellte die Wiener Polizei fest, daß durch Ausweisung einer Fußgängerzone in der Hauptzufahrtstraße zum Messegelände die Tram mit 25.000 bis 30.000 Fahrgästen/h leistungsfähiger war als die U-Bahn, die nur 20.000 Fahrgäste/h befördern konnte. In Berlin plant man den Einsatz doppelt so langer Straßenbahnzüge und prognostiziert eine Leistungsfähigkeit von nur 9.000 Fahrgästen/h, weil man dem Autoverkehr Vorrang einräumt. Foto: Matthias Horth

Und auch für die übrigen schon mehrfach angekündigten Streckenverlängerungen wird überall die Strategie des Verzögerns und Verschleppens von Entscheidungen angewandt. Seit Jahren schon streitet man sich bei der 300m langen Neubaustrecke in der Müggelheimer Straße um die Anlage einer Haltestelleninsel. Am Alexanderplatz ist nun doch eine "Direktverknüpfung" vom Mollknoten über Hans-Beimler-Straße in der 1. Ausbaustufe vorgesehen. Aber es passiert nichts. Derweil rückt in Adlershof das Ende der alten Zweirichtungsfahrzeuge immer näher, ohne daß für die danach erforderliche Wendeschleife irgendetwas getan wurde.

Paßt die neue Tram in die vorhandene Stadt?

Schließlich muß auch erwähnt werden, daß von der Senatsverkehrsverwaltung kein Versuch ausgelassen wird, mit überzogenen Ausbaustandards das an sich stadtverträgliche Verkehrsmittel Tram zu einem nicht mehr in die vorhandene Stadt passenden Verkehrsmittel "zu entwickeln". So hat z.B. die Entscheidung zur Einführung von sechs- und achtachsigen (!) Zügen in Doppeltraktion zur Folge, daß nicht nur die Mehrzahl der Haltestellenbereiche auf 62 bzw. 75 m erweitert werden müssen, sondern daß auch die Wendeschleifen im gesamten Netz teilweise umzubauen sind. Insbesondere in den alten Stadtteilen passen solche Riesenzüge nicht in die bestehende Stadt und würden z.T. massive Eingriffe in den Straßenraum und z.T. sogar in die Bebauung bedingen.

Das Kuriose daran ist, daß mit den geplanten Achtachs-Doppeltraktionen keineswegs eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit gegenüber dem Ist-Zustand verbunden ist, denn die bisherigen Doppelhaltestellen sollen (bei 72m-Zügen nur logisch) abgeschafft werden. Während nach dem bisherigen Prinzip auf den Radialstrecken pro Ampelumlauf zwei Züge (mit je ca. 34 m) einen Streckenabschnitt passieren können, wird es - wegen nicht mehr möglicher Doppelhaltestellen - zukünftig nur noch ein Zug (mit max. 72 m Länge) sein. Die betriebswirtschaftlichen Vorteile durch den Einsatz solch großer Einheiten sind marginal, weil entweder den halben Tag lang mit großen Überkapazitäten gefahren werden müßte oder aber durch mehrmaliges Verkürzen und Verlängern der Züge zusätzliche Personalkosten entstehen würden. Das Motiv für die Einführung der Riesenzüge ist wieder mal aus den Interessen des Autoverkehrs zu erklären: Zwei stadtverträgliche kurze Züge benötigen eine etwas längere Grünphase als ein Riesenzug, und das könnte im Einzelfall die Leistungsfähigkeit einer Kreuzung für den Autoverkehr reduzieren. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, wie die tatsächliche verkehrspolitische Prioritätensetzung erfolgt.

Ahnlich verhält es sich hinsichtlich der Frage nach Ein- oder Zweirichtungsfahrzeugen. Die bei allen Verlängerungsstrecken nach West-Berlin auftretenden Probleme der Endstellen wären gar keine, wenn wenigstens ein Teil der Neubeschaffungen Zweirichtungsfahrzeuge wären. Obwohl in Frankfurt am Main kürzlich das erste Fahrzeug einer ganzen Serie von Zweirichtungszügen ausgeliefert wurde, das konstruktiv und in den Außenabmessungen dem "Bremer" GT6N gleicht, wird im Senatskonzept behauptet, daß "seitens der Industrie gegenwärtig kein Niederflur-Zweirichtungsfahrzeug angeboten wird". Bemerkenswert ist übrigens, daß das Frankfurter Fahrzeug - trotz gleicher Länge - mit 59 Sitzplätzen dieselbe Sitzplatzzahl wie die für Berlin vorgesehene Version aufweist. Die sofortige Bestellung von Zweirichtungsfahrzeugen würde den Neubau der Straßenbahnverlängerungen nach West-Berlin wesentlich beschleunigen!

Geld für Tunnel oder Tram?

Trotz allem: Die entscheidende Frage über Entwicklung und Fortbestand der Tram in Berlin ist die finanzielle Frage! Und hier wird deutlich, warum Haase sich mit seinen eingangs erwähnten "Vorschlägen" auch schon wieder neue Rückzugspositionen offen gelassen hat: Die Finanzierungsfrage (nicht nur der Neubaustrecken, sondern vor allem für die Modernierung der Strecken und Fahrzeuge) bleibt mit dem jetzigen Senatsbeschluß völlig offen. Obwohl der Bedarf in einer Größenordnung von ca. 3 Mrd. DM bekannt ist, werden - um weiteres Verzögern zu ermöglichen - jetzt erst einmal "zur Ermittlung des Finanzbedarfs für die Grundinstandsetzung und Modernisierung des vorhandenen Straßenbahnnetzes Untersuchungen durchgeführt". Aber schon in der Vorlage an das Abgeordnetenhaus wird das Problem benannt: "Für die Finanzierung stehen Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zur Verfügung, die aber bei weitem nicht ausreichen werden, um den gesamten Finanzbedarf zu decken. Ein entsprechendes Bedarfsprogramm wird in einerweiteren Senatsvorlage dargelegt, die den mittelfristigen Finanzbedarf für den Ausbau des ÖPNV insgesamt beinhaltet."

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, zu erahnen, was darin stehen wird: Neben den erforderlichen Summen für die Wiederinbetriebnahme noch immer stilliegender S- und U-Bahn-Strecken werden Milliardenbeträge für die geplanten S- und U-Bahn-Tunnel (und natürlich auch Straßentunnel) zur Erschließung des Lehrter Bahnhofs nötigt, so daß für den Ausbau und vor allem die Modernisierung des Straßenbahnsystems leider nur wenig Geld zur Verfügung steht. Eine umfassende Verbesserung des Berliner ÖPNV ist bei dieser zu erwartenden Prioritätensetzung für die nächsten zwei Jahrzehnte nicht zu erwarten. Es muß daher sofort eine verkehrspolitische Wende in der Stadt geben, wenn Berlin nicht nachhaltigen Schaden nehmen soll und hoffnungslos im Stau und im Konkurrenzkampf der Städte und Regionen auf der Strecke bleiben soll.

IGEB

aus SIGNAL 4/1993 (Mai 1993), Seite 11-14