Aktuell
1. Dez 1993
"Der 13. November 1993 war ein denkwürdiger Tag für die BVG, der mit Sicherheit als großartiger Erfolg in die Geschichte unseres Betriebes eingehen wird. Die Geschäftsleitung möchte an dieser Stelle allen BVGern ein herzliches Dankeschön sagen, die sowohl in der baulichen, verkehrlichen und öffentlichkeitswirksamen Vorbereitung als auch am Tage der Eröffnung selbst mit großartigem Engagement zu diesem schönen Erfolg beigetragen haben. Wir würden uns wünschen, daß Begeisterung und Schwung dieses Tages ausstrahlen auf die Bewältigung der nicht immer leichten Alltags-Aufgaben." Die BVG-Geschäftsleitung im BVG-Signal 20/93
Der Erste Geschäftsleiter der BVG, Harro Sachße, hat zur Stabilisierung des Zugverkehrs auf der U-Bahn-Linie 2 (Vinetastraße - Ruhleben) umgehend Sofortmaßnahmen angeordnet. Diese Maßnahmen treten mit Betriebsbeginn am kommenden Montag - 29. November 1993 - in Kraft. Kern der angeordneten Umstrukturierung des Fahrzeugeinsatzes auf den Kleinprofil-Linien U1, U15, U2 und U4 ist eine drastische Reduzierung der außerordentlich störanfälligen GI-Züge auf der stark frequentierten Citylinie U2.
[IGEB] Ein Ausstrahlen des Eröffnungsfestes "auf die Bewältigung der nicht immer leichten Alltags-Aufgaben" hatte sich die BVG-Geschäftsleitung gewünscht. Vergeblich. Zu schlecht war der Betrieb auf den veränderten Alltag vorbereitet, teils durch Verschulden des Senates, teils durch eigenes Verschulden. Doch weil menschliches Versagen nicht zugegeben werden durfte, wurden die GI-Züge zur einzigen Ursache für das Chaos der letzten Wochen erklärt. Daß diese Züge nach jahrelangem erfolgreichem Einsatz von einem Tag auf den anderen allein durch technisches Versagen weitgehend unbrauchbar werden, ist so unwahrscheinlich wie das Auftreten eines Schneesturmes im Juli. Deshalb ist, unabhängig von den tatsächlichen Ursachen, mit Sicherheit falsch, daß die Fahrzeuglücke auf der U2 nicht auch von der BVG zu verantworten ist. Und noch etwas ist in der BVG-Presseerklärung falsch. Angesichts von nicht nur im Berufsverkehr überfüllten U-Bahn-Zügen kommt es keineswegs nur zu "geringfügigen" Engpässen. Diese Einschätzung ist aber typisch für die schon oft kritisierte "Kartoffelsack-Ideologie" der BVG. Doch was will man von einem Betrieb erwarten, der in seinen Statistiken noch immer "Unternehmensbeförderungsfälle" statt Fahrgäste verbucht?
Kritisch hinterfragt werden muß auch der Hinweis auf die "überfällige" Lieferung neuer A3-Züge. Offensichtlich ist die Industrie hier im Rückstand. Andererseits dauert es nach Einschätzung der Industrie viel zu lange, bis die BVG die ausgelieferten Züge einsetzt. Auch hier scheint es also mehrere Ursachen zu geben, die im Zusammenspiel mit den vielen anderen Pannen und Versäumnissen das Chaos im Kleinprofil-Betrieb herbeigeführt haben. Doch das schlimmste an der ganzen Sache sind nicht all diese mehr oder weniger vermeidbaren Startschwierigkeiten, sondern der unerträgliche Versuch der BVG, von mitentscheidenden Ursachen abzulenken, zugleich eigene Versäumnisse zu vertuschen und obendrein die erheblichen Belastungen für die Fahrgäste herunterzuspielen.
Was ist nun zu tun? Jetzt ist der Senat gefordert! Er muß umgehend die notwendigen Mittel zur technischen "Ertüchtigung" der GI-Fahrzeuge bereitstellen. Denn inzwischen hat man bei der BVG Konzepte entwickelt, wie die GI-Züge weiterhin eingesetzt werden können, nur fehlt das Geld dafür. Berlin kann und darf es sich aber nicht leisten, daß erst wenige Jahre alte, erprobte U-Bahn-Wagen abgestellt werden, während sich die Fahrgäste in überfüllten Zügen drängeln. Der in der Öffentlichkeit entstandene Schaden für das Ansehen Berlins und der BVG ist, weit über die Stadtgrenzen hinaus, schon groß genug. Er kann nur noch durch sofortige Bewilligung der Gelder und sofortigen Arbeitsbeginn an den GI-Zügen eingedämmt werden.
BVG
aus SIGNAL 9-10/1993 (Dezember 1993), Seite 11-12