Schienenverkehrswochen 1993
Teil 2 - Schneller und öfter auf den Umlandstrecken
1. Dez 1993
Unzureichende Infrastruktur, Engpässe durch langwierige Bauarbeiten und, nach IGEB-Einschätzung, das Ausbleiben möglicher Sofortmaßnahmen verhindern ein optimales Zugangebot für die Reisenden von und nach Berlin - beim Regionalverkehr noch mehr als beim Fernverkehr. Dennoch konnte Dipl.-Ing. Holger Prestin, er ist bei der Reichsbahndirektion Berlin der für den Regionalverkehr zuständige Abteilungsleiter, am 16. September einige Verbesserungen ankündigen, ebenso wie zuvor für den Fernverkehr sein Kollege DipL-Ing Karl-Heinz Friedrich (s. SIGNAL 8/93 ). Neben dem "Spitzenprodukt" RegionalExpreß zählen dazu die neue R21 von Flughafen Schönefeld über Zossen nach Jüterbog und verdichtete Taktfolgen auf bestehenden Linien.
Einleitend wies Herr Prestin auf den vermehrten Einsatz neuer oder modernisierter Fahrzeuge hin. Ende Mai werden zumindest im Berliner Raum voraussichtlich sämtliche sogenannten Reko-Wagen (Bauart Bghw) abgestellt. Möglichst rasch sollen zudem die alten vier- und fünfteiligen grünen Doppel Stockzüge den Dienst quittieren. Allerdings werde versucht, einige Garnituren noch über den nächsten Sommer zu retten, um Engpässe zu vermeiden. Wenn die Bahn aber konsequent ihre neuen "Markenartikel" anbiete, müßten sämtliche älteren Wagen verschwunden sein. Nahverkehrszüge wandeln sich dann zur RegionalBahn (RB), Eilzüge zum Stadt- oder RegionalExpreß (SE und RE).
RE1 und 2.
Während der StadtExpreß (quasi ein Ballungsraum-Sprinter
in Ergänzung zur S-Bahn) auf hiesigen
Gleisen noch auf sich warten läßt, macht
der RegionalExpreß schon im kommenden Jahresfahrplan
Furore. Exakt jede Stunde verbindet
die Linie RE 1 Berlin Hbf mit Frankfurt (Oder),
mit Halten in Berlin-Karlshorst und Fürstenwalde
(hinzu kommen östlich von Erkner die Züge
der R13). Zum Einsatz gelangen ausschließlich
modernisierte Doppelstockwagen, die auch die 1.
Klasse bieten. Ebenfalls zum RegionalExpreß
avancieren die jetzt in die Linien R16 und R18
integrierten Eilzüge der Relation Cottbus - Berlin-
Lichtenberg - Angermünde (RE 2). Letzteres
war zum Zeitpunkt des Vortrags zwar noch nicht
sicher, wurde aber inzwischen auf Nachfrage der
SIGNAL-Redaktion bestätigt. Auf der RE 2 gilt
der 2-Stunden-Takt nach Möglichkeit sollen die
Züge bis Schwedt durchfahren.
R2, R21 (neu), R 6 und 15.
Durch die Bündelung dreier Relationen ergibt
sich zwischen Flughafen Schönefeld und Zossen
tagsüber ein Zugabstand von ca. 20 bzw. 40
Minuten. Zum bereits angebotenen Stundentakt
auf der R2 Schöneweide - Wünsdorf kommen
generell alle zwei Stunden zusätzliche Züge von
und nach Elsterwerda (ohne eigene Liniennummer),
alternierend mit der neuen R21 Flughafen
Schönefeld - Zossen - Jüterbog. Der 20/40-Minuten-Rhythmus
erlaubt im übrigen optimale
Anschlüsse an die S-Bahn in Blankenfelde.
Genau jede Stunde fährt die schon jetzt von den Kunden erfreulich gut angenommene R6 "Hoher Fläming" zwischen Wannsee und Beelitz-Heilstätten. Weiter bis Dessau geht es nur alle zwei Stunden, im Abschnitt bis Beizig während der Spitzenzeiten allerdings verdichtet.
Deutlich attraktiver gestaltet die Bahn auch ihr Angebot auf der R15 zwischen Strausberg und Müncheberg: Die heute noch klaffenden Taktlücken werden geschlossen, "jede Stunde" heißt die Devise auch hier. Dagegen läßt sich die stündliche Bedienung zwischen Lichtenberg und Strausberg 1994 wahrscheinlich noch nicht realisieren.
R1, 3, 4 und 14.
Die R1 fährt ab Ende Mai durch bis Werder, das
zwischenzeitliche, durch Baumaßnahmen bedingte
Umsteigen in Potsdam Pirschheide entfällt.
Die dann mit den vertrauten "Doppeldeckern"
der 80er Jahre gebildeten Garnituren verkehren
im Abschnitt Werder - Flughafen Schönefeld
stündlich und jeweils alle zwei Stunden auf
den Ästen nach Königs Wusterhausen und (wieder!)
Karlshorst. In Königs Wusterhausen besteht
Anschluß an die RE 2 nach Cottbus.
Weiterhin nicht exakt im Takt liegen die Züge der R3 zwischen Potsdam Stadt und Brandenburg. Hier bleibt es beim nur ungefähren 2-Stunden-Abstand, in der Hauptverkehrszeit aber verstärkt. Herr Prestin bezeichnete die R3 als Sorgenkind. Bauarbeiten verhindern den "lupenreinen" Takt, und die einmal ins Auge gefaßte innerstädtische Verlängerung bis Steglitz scheitert unter anderem an den Betriebsverhältnissen im Bahnhof Berlin-Wannsee. Dort fehlt eine Weichenstraße zwischen der nördlichen Fernbahnsteigkante und dem Streckengleis Richtung Steglitz. Ganz vom Tisch sei diese "Durchbindung" aber noch nicht, doch müsse - so Prestins Antwort auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum - auch bedacht werden, daß ab 1995 zwischen Wannsee und Brandenburg der Fahrdraht hänge. Ebenso wie für die R6 komme deshalb dann der Endpunkt Charlottenburg in Betracht.
Die R4 Potsdam Stadt - Nauen verkehrt weiterhin alle zwei Stunden und bietet Anschlüsse an die InterRegios von und nach Schwerin/Lübeck. Die Nauener Züge bedienen künftig auch die Stationen Priort und Marquardt, dafür entfallen die jetzigen Leistungen zwischen Potsdam Pirschheide und Falkenhagen. In dieser Relation verbleibt nur die R14 Oranienburg - Ludwigsfelde.
R5.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Der Regionalbahnhof
Westkreuz kommt! Parallel zur Ring-S-Bahn entsteht
dort ein Behelfsbahnsteig, an
dem ab Ende Mai einmal pro Stunde die Züge
der R5 wenden. Nach wie vor nehmen sie abwechselnd
die Route über Bredow und Brieselang.
Die Bredower Züge haben in Wustermark
Anschluß Richtung Rathenow. Die am Westkreuz
gegebene Umsteigemöglichkeit zu den S-Bahn-Linien
der Stadt- und Ringbahn wiegt den
Nachteil der verlustig gehenden U7-Anbindung
in Jungfernheide wohl mehr als auf.
Verlängerte R 12 sowie R 14 und 22.
Als Musterbeispiel optimaler Linienverknüpfung
hob Holger Prestin den Bahnhof Ludwigsfelde
hervor. So bieten die R14 aus Oranienburg und
Potsdam Pirschheide sowie die R22 aus Teltow
Anschluß an die Rl2 sowohl nach Schöneweide
als auch nach Jüterbog. Im übrigen fährt die R12
alle zwei Stunden neu weiter bis Falkenberg und
Elsterwerda-Biehla Die Anschlüsse sind auch in
umgekehrter Richtung gewährleistet.
Ergänzend zum Vortrag während der Schienenverkehrswochen präzisierte Herr Detlef Woiwode von der Abteilung Regionalverkehr inzwischen gegenüber SIGNAL einige Übergangszeiten: von der R14 auf die R12 Richtung Süden betragen sie beispielsweise nur noch fünf statt heute meist 15 Minuten, von der R22 zehn statt jetzt 21 Minuten. Im übrigen kommt die Verlängerung der R12 auch Ausflüglern und Urlaubern mit Ziel Bad Liebenwerda zugute.
Was Herr Prestin nur als wahrscheinlich ankündigen konnte, bestätigte Herr Woiwode Ende November: Die R7 beginnt und endet generell in Lichtenberg, nicht mehr wie bisher teils in Ahrensfelde. Die Züge verkehren stündlich im Abschnitt bis Tiefensee und zweistündlich darüber hinaus über Wriezen nach und von Bad Freienwalde.
Unverändert mager bleibt das Angebot auf der R10: einzelne Berufsverkehrszüge zwischen Lichtenberg und Nauen bzw. Falkensee. Oranienburg ist hier weiterhin mittels Eilzügen angebunden (siehe unten). Die R13 fährt im Stundentakt zwischen Erkner und Fürstenwalde, auf dem Teilstück bis Frankfurt (Oder) alle zwei Stunden, voraussichtlich gibt es auch Durchläufe bis Guben und Cottbus.
Wenig spektakuläres ist von den Linien R8 (Karow - Liebenwalde/Groß Schönebeck), R11 (Hennigsdorf - Neuruppin) und R14 im Nordwesten (Oranienburg - Nauen) zu vermelden. Immerhin sind für die R11 kürzere Aufenthaltszeiten in Kremmen vorgesehen. Auf der R16 Schöneweide - Lübbenau sollen in den 80er Jahren gebaute Doppelstockwagen laufen.
Viermal täglich wird die Strecke von Berlin-Lichtenberg nach Neubrandenburg bedient, dreimal täglich die Relation nach Kostrzyn (Küstrin-Neustadt), freitags bis sonntags wie gehabt weiter bis Gorzow (Landsberg). Erhalten bleiben die originellen "Eil-Ferkeltaxen" auf der Strecke nach Neuruppin bzw. Rheinsberg. Geplant sind ferner einzelne Züge zwischen Lichtenberg und Stendal über Potsdam Pirschheide. Wegen mangelnder Nachfrage entfallen aber die Züge zwischen Ludwigsfelde und Templin bzw. Prenzlau.
Abschließend gab Holger Prestin einen Ausbick auf das spezielle Ausflugsangebot (jeweils ab Lichtenberg): Täglich verkehrt im Sommer wiederum der "Usedom-Expreß" nach Wolgast Hafen, dazu gibt es die bewährten Wochenendzüge nach Ueckermünde und Rheinsberg. - Und der beliebte "Gurkenzug" nach Lübbenau? Über die gesperrte Stadtbahn kann er jedenfalls nicht mehr dampfen. Hier sucht die Bahn eine Alternative. Aber ob noch einmal Volldampf gemacht wird, hängt nicht zuletzt von den unerbittlich ablaufenden Lokomotivfristen ab.
Und zu guter Letzt ein Nachtrag: Erst im November wurde bekannt, daß drei Eilzugpaare zwischen Dessau und Berlin-Charlottenburg geplant sind. Davon fahren zwei von/nach Aschersleben, eines von/nach Leipzig. Die Ankunftszeiten in Berlin liegen in den Vormittagsstunden, zurück geht es zwischen ca 15 und 20 Uhr. Gehalten wird in Wannsee und - auch dies eine kleine Sensation - in Potsdam-Rehbrücke, mit Straßenbahnanschluß ins Zentrum der brandenburgischen Landeshauptstadt!
[IGEB] Es ist erstaunlich, welch erfreuliches Angebot im Regionalverkehr von und nach Berlin 1994 auf die Schienen gebracht wird, trotz des so zögerlichen Streckenausbaus. Einige Kritikpunkte schmälern die Leistung im ganzen besehen kaum. So kann man nur hoffen, daß dieses angebotsorientierte Regionalzug-Programm, z.B. der 20/40-Minuten-Takt von Zossen über Blankenfelde (Anschluß an S2) nach Flughafen Schönefeld (S46, S9), auch rege genutzt wird. Ärgerlieh ist, daß die Verlängerung der R3 über Zehlendort nach Steglitz (Anschluß an U9, Einkaufszentrum) angeblich allein wegen einer fehlenden Fahrstraße nicht realisiert werden kann. Die DR hätte auf dieser attraktiven Relation, übrigens einem Abschnitt der ehemaligen Bankierszüge, schnelle Fahrzeiten bieten können, die mit dem Auto nicht erreichbar wären. Und in Lichterfelde West wäre mit geringen Gleisplanänderungen ein Halt am Bahnsteig der amerikanischen Alliierten möglich. In Steglitz gab es ja sogar schon einen provisorischen Bahnsteig am Fernbahngleis, und zwar in äußerst stabiler Betonausführung. Er wurde von der Senatsbauverwaltung 1991, zwei Jahre nach dem Fall der Mauer, abgerissen. Welch ein Weitblick! Es wäre zu schön gewesen, wenn die Senatsplaner nach dem Fall der Mauer ihre Kräfte und Mittel nicht auf schnellen Straßenbau, sondern auf improvisierte Schienenverbindungen konzentriert hätten.
IGEB
aus SIGNAL 9-10/1993 (Dezember 1993), Seite 18-19