Schienenverkehrswochen 1993

Sprechtag für Berliner Tram-Fahrgäste


IGEB

1. Dez 1993

Ein volles Haus gab es auch dieses Jahr wieder beim Sprechtag für Tram-Fahrgäste mit dem für die Tram zuständigen BVG-Betriebsleiter, Herrn Dipl.-Ing. Jacobs. Das Themenspektrum am Abend des 13. September war breit gefächert und reichte von den (von der zuständigen Senatsverkehrsverwaltung nur halbherzig oder gar nicht) betriebenen Planungen zur Netzerweiterung bis hin zu den "kleinen" Alltagsproblemen wie überfüllten Zügen oder Unzulänglichkeiten beim Schienenersatzverkehr (SEV).

Für einige dieser Probleme ist die BVG jedoch nur bedingt verantwortlich. Die vom Senat auferlegten Kürzungen im ÖPNV-Angebot zwingen die BVG zu weiteren Angebotsreduzierungen, in deren Folge der Ärger schon vorprogrammiert ist: Das gerade neu eingeführte Tram-Liniennetz wird durch zum Teil ganztägig (Linie 52) oder zu bestimmten Zeiten (Linien 13,17,27) verkürzte Linienführungen entwertet, was wiederum zu vermehrten Umsteigezwängen führt. Und durch geringeren Behängungsgrad wird das Platzangebot trotz gerade wieder gestiegener Fahrgastzahlen reduziert.

Gravierende Behinderung der Tram sind in Berlin zum Normalfall geworden. Vor allem, weil eindeutige Fahrbahnmarkierungen fehlen, stehen viele Linksabbieger unzulässigerweise auf den Gleisen, hier am Oranienburger Tor. Foto: IGEB

Hinsichtlich der von mehreren Besuchern geäußerten Kritik an der Durchführung des SEV ist jedoch die BVG der richtige Ansprechpartner. Ca. 50 Einzelbaumaßnahmen am Streckennetz führten allein 1993 in den meisten Fällen zu mehr oder weniger umfangreichen Streckenstillegungen, und viel zu häufig wurden die Fahrgäste unnötig verärgert, z.B. durch SEV mit viel zu wenigen oder zu kleinen Bussen, fehlende Hinweise an den ("Umsteige-") Haltestellen und keine Anschlußgewährung.

Deutlich wurde, daß die BVG für die zukünftig anstehenden Sanierungsarbeiten im Tramnetz andere Wege gehen muß, um das Image der Tram zu verbessern. So ist das Wort "Schienenersatzverkehr" bei professionell arbeitenden Verkehrsbetrieben (s. SIGNAL 6/93 ) ein Fremdwort: Selbst umfangreiche Sanierungsarbeiten im Netz werden unter Betrieb durchgeführt, und wenn es ausnahmsweise doch mal nicht anders geht, dann erfolgt die Betriebsunterbrechung ausschließlich in den Schwachverkehrszeiten.

Aber auch der Normalbetrieb verursacht bei den Fahrgästen eine Menge Verdruß. Zahlreiche Besucher des Abends kritisierten die immer gravierender werdenden Behinderungen der Tram durch die Staus und durch ÖPNV-feindliche Ampelschaltungen. Herr Jacobs beschrieb das Dilemma diplomatisch, indem er immer wieder deutlich machte, daß die BVG dazu in den Startlöchern stehe, ihr aber durch die zögerliche Haltung des Senats enge Grenzen gesetzt sind.

IGEB

aus SIGNAL 9-10/1993 (Dezember 1993), Seite 20