Aktuell
Zum 1. April 1999 soll nunmehr der gemeinsame Verbundtarif für Berlin und große Teile Brandenburgs eingeführt werden. Diesen Termin bestätigte der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, Uwe Stindt, zum Jahresbeginn. Lediglich die drei südlichsten Landkreise in der Lausitz und die Stadt Cottbus werden (zunächst?) dem Verkehrsverbund (VBB) nicht beitreten.
1. Mär 1999
Die Einführung des Verbundtarifes war entsprechend früheren Aussagen des ehemaligen Verbundgeschäftsführer Lorenzen bereits für Juni 1997 vorgesehen. Seitdem kam es immer wieder zu Terminverschiebungen. Von Anfang an wird von der Verbundgesellschaft ein sehr kompliziertes Tarifsystem mit einer sehr kleinteiligen Wabenstruktur favorisiert. Diese Tarifstruktur hebt sich damit negativ vom Trend in anderen Verkehrsverbünden ab, wo häufig die ehemals verwirrenden Wabenstrukturen radikal zugunsten einfacher Tarifsysteme verändert wurden. Trotz langer Vorbereitungszeit und heftiger Kritik von vielen Seiten hat sich das Grundprinzip des VBB-Tarifschemas jedoch nicht verändert. Vorgesehen ist - allerdings nur für die Einzelfahrscheine und die Tageskarten - die Aufteilung des Verbundgebietes in ca. 1 400 Waben mit jeweils ca. 5 km Durchmesser. Für die Zeitkarten soll ein gänzlich anderes, einfacheres räumliches Bezugssystem gelten. Unter Berücksichtigung von Einzelfahrscheinen, Tageskarten, Wochen- und Monatskarten, entsprechenden Ermäßigungstarifen sowie Standard- oder Premiumkarten umfaßt der Tarif nicht weniger als 500 (!) verschiedene Tarifstufen. BahnCard-Tarife sollen in den neuen Verbundtarif nicht integriert werden. Und so werden nicht nur die Vertriebskosten enorm steigen, sondern es ist vor allem zu befürchten, daß dieses Tarifwirrwarr mehr Fahrgäste abschreckt als neue durch den Verbundtarif gewonnen werden können.
Für die Berliner Fahrgäste bleibt jedoch der Trost, daß für das Berliner Stadtgebiet das mit der Tarifreform im März 1997 eingeführte AB(C)-Schema im wesentlichen erhalten bleibt - maßgeblich verkleinert werden soll allerdings das Tarifgebiet C.
Die technischen Rahmenbedingungen sind inzwischen weitgehend geklärt. Das "Herzstück" dieses nicht gerade einfachen Tarifsystems, die sogenannte Tarifmatrix ist nach Angaben des VBB einsatzbereit und kann von den Verkehrsbetrieben in die Verkaufstechnik integriert werden. Das Land Brandenburg, das in den letzten Jahren in erheblichen Umfang Zuschüsse für den öffentlichen Verkehr gestrichen hat, hat die Anschaffung dieser neuen Verkaufstechnik mit Fördermitteln von ca. 20 Mio. DM großzügig unterstützt.
In Berlin wird dem verbundwilligen Fahrgast der Fahrscheinerwerb für einen Großteil der außerhalb des ABC-Bereichs liegenden Fahrtziele jedoch schwerfallen, weil fast keiner der bei der BVG vorhandenen Fahrscheinautomaten über die für die komplizierten VBB-Tarife erforderliche (und besonders teure) Dialogtechnik verfügt. Aber für die VBB-Tarifexperten ist das kein wesentlicher Nachteil, weil ohnehin fast 90 Prozent der Fahrgäste Zeitkarten (für die ja ein sehr viel einfacheres Tarifschema gelten soll) nutzen würden. Bleibt die Frage, warum für die restlichen 10 Prozent dieses hochkomplizierte Wabentarifschema mit den daraus resultierenden Kosten nötig ist. Verantwortlich für dieses Tarifsystem sind aber in gleicher Weise die politisch Verantwortlichen in den beiden Bundesländern und den Kreisen, denn ihre Vertreter haben im Aufsichtsrat des VBB genau dieses Wirrwarr gutgeheißen.
Das heikelste Verbundthema, die Einnahmeaufteilung zwischen den Verkehrsunternehmen, ist dagegen noch nicht gelöst. Nach Angaben des VBB scheint die Einnahmeaufteilung zumindest zwischen den Brandenburger Verkehrsunternehmen und der DB AG unter Dach und Fach.
Völlig offen ist jedoch eine Lösung bezüglich der Einnahmeaufteilung für den Berliner Verkehrsbereich - insbesondere zwischen BVG und S-Bahn GmbH. Diese beiden Verkehrsunternehmen streiten ja bereits seit geraumer Jahren über eine gerechte Aufteilung der Einnahmen. Die alte Einnahmeaufteilungsregelung, die sich ausschließlich nach den beförderten Personenkilometern richtete, wurde zum 30. Juni 1997 von der BVG gekündigt. Ein solches Abrechnungsverfahren, welches in dieser Form auch in anderen Verkehrsverbünden unüblich ist, ist naturgemäß für das städtische Verkehrsunternehmen nachteilig , weil dessen Fahrgäste kürzere Distanzen zurücklegen. Die BVG favorisiert dagegen das - zwar nachvollziehbare, aber ebenfalls unübliche - sogenannte Binnenverkehrs-/Übersteigermodell, wonach nur die Leistungen für zwischen den Verkehrsunternehmen umsteigende Fahrgäste verrechnet werden. Die Differenz zwischen diesen beiden Verrechnungsmodellen beläuft sich auf jährlich etwa 140 Mio. DM!
Voraussetzung für die Einführung des Verbundtarifs zum 1. April 1999 ist jedoch eine Einigung über die Einnahmenaufteilung. Berlins Verkehrsstaatssekretär Schmitt strebt nach eigenen Worten eine politische Lösung dieses Problems an. Damit man sich politisch nach den inzwischen wohl gescheiterten Holding-Phantasien nicht erneut blamiert, läuft wohl alles darauf hinaus, daß der Berliner Senat die landeseigene BVG zum Einlenken bewegen wird. So wird seitens des Berliner Senats über einen Kompromißbetrag in Höhe von 80 Mio. DM nachgedacht. Daß dieser Betrag im Wirtschaftsplan der BVG nicht vorgesehen ist, weiß natürlich auch der Senat. Es ist nicht schwer zu erraten, daß diese Kosten bei der nächsten Gelegenheit auf die Fahrpreise aufgeschlagen werden.
Also lieber Fahrgast, wenn zum 1. April tatsächlich der Verbundtarif eingeführt wird, seien Sie sicher: Soviel Weitblick haben selbst die Berliner Politiker, daß die nächste Tariferhöhung erst nach den Wahlen am 10. Oktober 1999 verkündet wird!
IGEB
aus SIGNAL 1/1999 (März 1999), Seite 4-5