Fernverkehr
Vom S-Bahnhof zum Fernbahnhof
1. Mär 1999
Die ersten Vorboten für die Anlegung der Fernbahntrasse bzw. für den Neubau des Bahnhofs sind seit einiger Zeit in Form von Rodungen und der Baustelleneinrichtung unübersehbar.
Im Bereich des jetzigen S-Bahnhofes Papestraße werden umfangreiche und komplizierte Baumaßnahmen durchgeführt, bevor hier etwa ab dem Jahr 2002 Fernzüge ankommen und abfahren können.
Die Bahn plant in der Nord-Süd-Richtung drei Bahnsteige für den Regional- und Fernverkehr sowie einen S-Bahnsteig. Direkt über den Bahnsteigen soll ein neuer Ringbahnsteig gebaut werden, der mit einer Breite von rund 35 Metern auch eine Verteilerfunktion übernehmen soll. Jeweils an den beiden des Ringbahnsteigs (auf der Ost- sowie der Westseite) soll ein Empfangsgebäude entstehen.
Mit dieser Konzeption, für die derzeit noch das Planfeststellungsverfahren läuft ververabschiedet sich die Bahn allerdings von einem „Bahnhof der kurzen Wege". Aus Fahrgastsicht wäre nach wie vor die direkte, kürzeste Erschließung der Fernbahnsteige über eine quer unter den Gleisen liegende Ebene zu favorisieren. Dies empfiehlt sich wegen der klareren Orientierung, vor allem aber wegen der deutlich kürzeren Wege und geringen Höhenunterschiede, die durch die Reisenden zu überwinden sind. Es würden sich außerdem Kosten sparen lassen. Die Bahn hat an dieser Stelle auch die nicht wiederholbare Chance, ein Gebiet, das über Jahrzehnte von den Bahnanlagen durchtrennt wurde und nicht zuletzt deshalb in seiner Entwicklung gelitten hat, zu verbinden.
Nördlich und südlich des Ringbahnsteiges sollen über den Fern- und S-Bahngleisen zwei Parkhäuser mit zusammen 2 555 Stellplätzen entstehen. Damit will die Bahn die Station Papestraße zum „Autofahrerbahnhof" machen und sich ein neues Klientel erschließen. Abgesehen von weiteren negativen Auswirkungen wird die visuelle Präsenz des Bahnhofs an sich durch diese aufgeständerten Bauten, die jeweils vier Ebenen erhalten sollen, in den Hintergrund gedrängt: Der Bahnhof definiert sich durch Parkhäuser. Die zwischen den Parkhäusern „eingeklemmte" Haupthalle ist kaum wahrnehmbar. Lediglich gegenüber der untergeordneten Erschließung des Werner-Voß-Damms präsentiert sich der Bahnhof mit seiner Halle in angemessener Weise.
Mit den prognostizierten Fahrgastzahlen und dem Stellplatzbedarf für 2010 (zu diesem Zeitpunkt wird mit einem Reisendenaufkommen von 200.000 Personen pro Tag gerechnet) sind erhebliche Unsicherheiten verbunden. Deshalb sollten zunächst nur die unteren beiden Geschosse der Parkhäuser gebaut werden. Aus heutiger Sicht erscheinen die Zahlen allzu optimistisch, so daß ein stufenweiser Ausbau gerechtfertigt ist. Grundsätzlich muß gewährleistet sein, daß die Präsenz der „Funktion Bahnhof" gegenüber den Parkhäusern in den Vordergrund tritt.
Favorisiert wird von der DB AG die Beibehaltung des derzeitigen Namens „Papestraße". Angesichts der künftigen Bedeutung (auch Fernbahnhalt!) sollte dagegen die Bezeichnung „Südkreuz" eingeführt werden. Gerade dem ortsunkundigen Fahrgast erleichtert diese Bezeichnung die Orientierung erheblich. Vergleichbares ist bei den anderen bedeutenden Umsteigebahnhöfen der Ringbahn - Ostkreuz, Westkreuz - seit langem Realität. In dieses System wird sich ebenfalls der Lehrter Zentralbahnhof im Schnittpunkt zwischen der Stadtbahnstrecke und der Nord-Süd-Strecke einfügen.
IGEB, Abteilung Fernverkehr
aus SIGNAL 1/1999 (März 1999), Seite 15-16