Regionalverkehr

Niederlausitz: Volles Programm mit leeren Zügen

In der Niederlausitz fahren heute deutlich mehr Züge als vor drei Jahren. Zu einem nennenswerten Anstieg der Reisendenzahlen hat das leider nicht geführt und oft bestimmen leere Wagen das Bild. Sicher kein Bild, welches nur in der Niederlausitz typisch ist. Wollen die Leute nicht mit der Bahn fahren? Oder gibt es für die geringen Reisendenzahlen objektive Gründe?


Deutscher Bahnkunden-Verband, Regionalverband Niederlausitz

1. Mai 1999

Ein Hauptgrund ist mit Sicherheit der Fahrpreis. Im Verhältnis zum Einkommen der Ostdeutschen stieg der Preis für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unverhältnismäßig schnell an. Die nächste Fahrpreiserhöhung bei der Bahn ist schon angekündigt. Der durchschnittliche Reisende vergleicht seine Benzinkosten mit dem Bahnfahrpreis und die Wahl ist schnell zugunsten des Autos gefallen Sicher wird hier eine Milchmädchenrechnung aufgetan, da der Autofahrer alle übrigen Kosten, die sein Auto verursacht (Werkstattkosten, Anschaffungskosten, etc.), einfach vergißt. Da aber für die Mehrzahl der Deutschen das Auto auch opjektiv gesehen derzeit unverzichtbar ist, ensteht der Fixkostenanteil (Anschaffung, Durchsichten, Steuern, Versicherungen) ohnehin. Beim Vergleich der variablen Kosten (Benzin, Verschleiß) mit dem Bahnfahrpreis kann die Bahn nur mithalten, wenn man die BahnCard-Preise heranzieht.

Erst richtig sichtbar wird das Mißverhältnis, wenn mehrere Personen im Vergleich einen PKW oder den Zug nutzen.

Kein Verkehrsverbund für das ganze Land

Trauriger Anblick: Bahnhof Lauchhammer im März 1999. Foto: Jens Endler

Die Uneinigkeit von VBB und den südbrandenburgischen Landkreisen führen zudem noch zu hausgemachten zusätzlichen Problemen bei den Tarifen. Einerseits fürchten die Südkreise, beim Beitritt zum VBB als Zahlmeister zu fungieren, andererseits geht das Land Brandenburg in keiner Weise auf die Sorgen der Südkreise ein. Die Existenz eines zweiten Verkehrsverbundes in der Niederlausitz scheint man sich in Potsdam nicht vorstellen zu können. Allerdings läßt sich das Argument aus dem Süden, man wolle den Regionalverkehr auch in der Region planen, nicht einfach von der Hand weisen. Schließlich hat das Land bislang bei der regional wichtigen Schienenverbindung Cottbus — Senftenberg — Dresden noch keine rühmliche Rolle gespielt. Auch das Abhängen der Kreisstadt Herzberg vom direkten Bahnanschluß geht auf das Konto des Landes. Der VBB wird nun zum Verbundstart am 1. April das attraktive Berlin-Brandenburg-Ticket abschaffen. Damit wird für Cottbuser oder Senftenberger die Bahnfahrt nach Berlin mit Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Berlin deutlich teurer als bislang, und Fahrgäste steigen auf ihr Auto um. Schade!

Das Fahrplanangebot

Eine weitere brandenburgische Spezialität sind schlecht abgestimmte Fahrpläne. Das bisherige Fehlen eines Integralen Taktfahrplans (ITF) macht sich deutlich bemerkbar. In Senftenberg z. B. wird durch einen völlig entarteten, aus zwei verschiedenen Taktlagen bestehenden Fahrplan der RB 49 Leipzig/Elsterwerda — Cottbus — Guben jeder zweite Anschluß zur RB 14 nach Calau verpaßt. Der RE 5 Hoyerswerda — Berlin — Stralsund hat in Senftenberg überhaupt keine Anschlüsse. Somit ist er für Reisende aus Ruhland, Schwarzheide und Lauchhammer nicht nutzbar.

Bahnhof Spremberg: Halt in sicherer Entfernung zum Empfangsgebäude... Foto: Stephan Müller

Ärgerlich ist auch die Anschlußgestaltung in Calau am Wochenende. Hier fährt beispielsweise zweimal täglich ein IR-Zugpaar über Berlin, Hannover und Osnabrück nach Amsterdam. Aus Richtung Amsterdam besteht auch ein günstiger Anschluß zur RB 14 nach Senftenberg. In Richtung Hannover — Amsterdam besteht diese Reisemöglichkeit nicht, da die am Wochenende nur zweistündlich verkehrende RB 14 in Calau in dieser Richtung den RE und nicht den IR andient. Es bleibt zu hoffen, das die bei der Landesentwicklungsgesellschaft gewonnene Erkenntnis nach der Notwendigkeit von Integralen Verknüpfungspunkten kontinuierlich zu einem sinnvollem Taktfahrplan-Konzept ausgebaut wird.

Daß Falkenberg nicht zu den wichtigen Knotenpunkten gehören soll, ist nicht zu akzeptieren. Gerade hier lassen sich durch die Bündelung der Linien optimale Anschlüsse herstellen, die die Reisemöglichkeiten für die Region deutlich erhöhen.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß

Neben der Fahrplangestaltung gibt auch der Bekanntheitsgrad des Zugangebotes zu denken.

RE 5 in Finsterwalde: Hier verlassen die meisten Reisenden den Zug, aber in Stoßzeiten sind auch die Züge nach Senftenberg gut gefüllt - trotz schlechter Bekanntmachung durch die DB AG. Foto: Jens Endler

Daß der RE 5 nicht wie im Kursbuch geschrieben in Hohenbocka oder Senftenberg endet, sondern nach Hoyerswerda weiterfährt, weiß so gut wie niemand. Entsprechend wenig verwundert es denn auch, wenn die Züge kaum genutzt werden. Selbst in Großräschen oder Senftenberg, wo bereits seit mehreren Jahren regelmäßig verkehrende Linien nach Berlin angeboten werden, weiß kaum jemand davon.

Außer den Pressemitteilungen des DBV Niederlausitz zu den Fahrplanwechseln dringen kaum Informationen zu den Fahrplanangeboten an die Öffentlichkeit. Wie wäre es z.B. mit einer Großanzeige in den regionalen Zeitungen, in der mal nicht vom Raumschiff Enterprise bzw. Bahnhof Westerland phantasiert wird (eine äußerst schwachsinnige Werbekampagne, sondern die schlicht einige Auszüge aus den die Region betreffenden Fahrplänen auf ansprechende Weise enthält. In größeren Orten sollten abgesehen vom Bahnhof weitere Standorte für Fahrpläne gesucht werden. Wenn zum Beispiel ein Reisebüro am Großräschener Markt als DB-Agentur fungiert, was liegt da näher, hier die Fahrpläne für in Großräschen haltenden Linien RE 5 und RB 14 öffentlich auszuhängen?

Schandfleck Bahnhof

Ebenfalls ein Hindernis auf dem Weg zu mehr Reisenden stellen die Zugangsstellen dar, die sich in der Regel in einem erbärmlichen Zustand befinden, und damit übrigens auch im krassen Gegensatz zu oben angeführter Werbekampagne über tolle Bahnhöfe der Deutschen Bahn. Solange sich die Bahnverantwortlichen eher als Störfaktor für regionale Bahnhofsprojekte betätigen, wird kaum Besserung eintreten.

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Die Stadt Ruhland kämpft bereits seit Jahren um den nicht mehr von der Bahn genutzten östlichen Güterbahnhofsabschnitt, um hier Bus und Bahn verknüpfen zu können. Immer wieder legt die Bahn der Stadt Steine in den Weg. Eigene Projekte wie die Sanierung des Bahnhofes Falkenberg werden seit Jahren auf die lange Bank geschoben. Angeblich fehlt das Geld. Angesichts solcher Mega-Projekte wie dem Leipziger Hauptbahnhof ist das allerdings schwer vorstellbar. Es dürfte eher an Konzepten mangeln, wie diese kleinen und mittleren Bahnhöfe vermarktet werden können. Für Senftenberg steht 1999 eine Grundsanierung des Empfangsgebäudes ins Haus. Ein Vermarktungskonzept läßt sich aber auch nicht erkennen.

Nicht warten - handeln!

Alles in allem Probleme, die man so oder ähnlich auch in Pritzwalk oder Rathenow antreffen könnte. Werden sie jedoch weder angepackt noch mit auf die Region zugeschnittenen Lösungen versehen, fahren die Züge weiterhin halbleer durch die Lande. In den letzten Jahren wurde vor allem innerhalb der DB AG die Verantwortung aufgrund der zahlreichen internen Umstrukturierungen hin- und hergeschoben. Den Nachteil hatten die Fahrgäste.

Gefragt ist natürlich nicht nur die DB AG, in der Verantwortung stehen auch das Land, der VBB, der neue Zweckverband ÖPNV Lausitz-Spreewald (ZÖLS), die Landkreise und Kommunen.

Deutscher Bahnkunden-Verband, Regionalverband Niederlausitz

aus SIGNAL 2-03/1999 (April/Mai 1999), Seite 20-22