Akte Y
Die ungelösten Fälle des Berliner Fahrgastverbandes

Aktion: Rettet die Welt


IGEB

1. Aug 1999

Sculder keuchte vor Anstrengung, als er versuchte, das Metallgitter hochzuheben. „Mully, ich brauche Ihre Hilfe! Alleine schaffe ich das nicht."

„Was zur Hölle treiben Sie da?! Es ist drei Uhr morgens, stockdunkel und eigentlich wollte ich längst schlafen!"

„Aber Mully, es geht jetzt um die Rettung der Welt. Als Vertreter des Fahrgastverbandes ist es unsere heilige Pflicht ..." „Ja, ja, schon gut - ich helfe Ihnen ja. Sonst stehen wir noch in zwei Stunden hier rum."

Maulend trat Mully an den Rand des Schachtes, und versuchte gemeinsam mit Sculder, das Gitter anzuheben. Plötzlich ließ er es los und trat wieder zur Seite. „Mully, was ist denn nun schon wieder, ich dachte, Sie helfen mir?!" „Sculder, unsere Bemühungen wären vielleicht erfolgreicher, wenn Sie vorher das Schloß entfernen würden, das hier hängt!"

„Ein Vorhängeschloß? Mmh, in der Tat. Wie dumm von mir..." Mit diesen Worten griff er in die Jackentasche und entnahm ihr das Etui mit dem Fahrgast-Spezialwerkzeug. Nach wenigen Sekunden des Herumstocherns im Schloß hatte er das Problem gelöst.

„So, wenn ich Sie nun noch einmal bitten dürfte, auf drei - eins, zwei, drei." Mit einem gewaltigen Scheppern landete das aus seiner Verankerung gehobene Gitter neben dem Schacht.

„Und was jetzt? Sollen wir etwa DA runter ?" Mully leuchtete skeptisch mit der Taschenlampe in den Schacht, aus dem warme und muffig riechende Luft entgegenströmte.

„Ja, genau da müssen wir runter. Mully, es ist für das Wohl der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, mehr noch: für das Wohl der Fahrgäste!" „Na wenn das so ist... Bitte nach Ihnen!"

Foto: IGEB

Ohne weiteren Kommentar verschwand Sculder. Seine Tritte auf den Metallstufen wurden schnell leiser. Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf den Mond folgte ihm Mully.

Als Mully unten angekommen war, rief er leise: "Sculder?"

„Hier bin ich, hier drüben." Dann leuchtete kurz eine Taschenlampe. Der Schein der Taschenlampe erhellte auch kurz die Umgebung, und Scully erkannte, daß sie sich in einem U-Bahn-Tunnel befanden.

„Wo sind wir hier, und was machen wir jetzt ?" „Wir sind im Tunnel der U9 zwischen Zoo und Hansaplatz, und wir ... - Da an der Wand!"

Sculder trat an die feuchte Mauer und deutete auf ein armdickes Bündel bunter Kabel. Dann holte er ein kleines Beil aus seinem Rucksack, und visierte das dickste, bunteste und schrillste Kabel an.

„Sculder, um Gottes Willen, was treiben Sie da?" „Ich werde jetzt das 'U-Bahn-Fernsehen' stillegen. Es is qualitativ eine Katastrophe, funktioniert nicht, und außerdem ist es eine Bedrohung für die geistige Gesundheit der Fahrgäste."

„Aber wieso denn das?!" „Haben Sie schon mal von unbewußter Beeinflussung gehört? Dabei wird in laufende Fernsehbilder eine unterschwellige Botschaft eingeblendet. Zum Beispiel in einen Liebesfilm Bilder von Getränkedosen eines namhaften Herstellers. Und voilä: die Leute bekommen plötzlich Durst."

„Und wie liegt der Fall hier ?" „In die dummen Filmchen werden Botschaften eingestreut, wie: 'Die BVG ist voll super', 'Die BVG fährt nie zu früh', 'Wir halten, wo Sie wollen' oder sogar 'Ihr Anschluß - BVG'. Dieser Verdummung werde ich jetzt ein Ende setzen."

Dann krachte das Beil nieder.

Tage später war zu lesen: "Aufgrund des ausgebliebenen wirtschaftlichen Erfolges des U-Bahnkinos wurde entschieden, daß auch die danach verbliebenen Anlagen außer Betrieb genommen werden. Das ist inzwischen geschehen."

(Liebe Kinder, natürlich dürft ihr so was wie der Sculder nie ohne Erlaubnis Eurer Eltern machen, o.K. ?)

IGEB

aus SIGNAL 5/1999 (August 1999), Seite 8