Schienenverkehrswochen 1999

Aufbruch aus der Stagnation: Sprechtag für U-Bahn-Fahrgäste

Der neue Direktor des Unternehmensbereichs U-Bahn, Herr Deinhardt, gab bei den diesjährigen Schienenverkehrs-Wochen am 19. Mai 1999 seinen Einstand bei den Fahrgästen. Er war bemüht, frischen Wind in die Tunnel der U-Bahn zu bringen.


IGEB, Abteilung Stadtverkehr

1. Aug 1999

Deutlich wurde, daß der Bereich unter den in den letzten Jahren aufgehäuften Altlasten leidet. Es war die Restrukturierung zu bewältigen, die insbesondere für Mitarbeiter mit Unsicherheiten verbunden war. Als ob dies nicht reichte, wurde mit immer neuen Projekten und Schlagworten experimentiert, die viel Unruhe und nichts für die Fahrgäste brachten.

Das Scheitern des Bahnhofsmanager-Projekts (d. h., personalfreie U-Bahnhöfe), ist inzwischen auch vom BVG-Vorstand eingestanden worden. In Zukunft werden zwar nicht die Abfertiger zurückkehren (die braucht auch keiner ernstlich), es sollen wieder Personale in Sichtweite der Fahrgäste zum Einsatz kommen. Am Beispiel der U7, die ab Herbst auf Zugfahrer-Selbstabfertigung umgestellt wird, kann überprüft werden, welche Veränderungen eintreten werden.

Im existierenden Streckennetz stehen zahlreiche Investitionsvorhaben an, die den Fahrgästen zugute kommen. So ist der Einbau von Weichenverbindungen auf den im Bezirk Mitte liegenden Abschnitten der U6 und U8 vorgesehen. Das hat bei Störungen den Vorteil, daß die Züge nicht bereits am ehemaligen Grenzstreifen kehrtmachen müssen, sondern Bahnhöfe im Ostteil (Alexanderplatz und Friedrichstraße) als Endpunkte benutzen können.

Durch den Einsatz eines rechnergestützten Betriebs-Leitsystems soll die Qualität der Informationen verbessert werden: zuverlässige Zugzielangaben und Kurzzug-Hinweise wären dann kein Wunschtraum mehr. Andere Städte haben damit seit Jahrzehnten kein Problem, in Berlin soll es nun endlich „DAISY" richten.

Weiterhin wird angestrebt, die Reisegeschwindigkeit auf den Kleinprofilstrecken U1, U15, U2 über den „magischen" Wert von 30 km/h anzuheben und somit den im Großprofil üblichen Werten anzunähern.

Für die Abfertigung braucht es in der Tat keine Zugabfertiger. Gefragt sind kompetente Ansprechpartner, die auch auf Fahrgäste zugehen. Foto: Marc Heller

Ernste Sorgen bereitet der Zustand vieler U-Bahnhöfe - und das nicht nur im Ostteil der Stadt. So ist der Bahnhof Platz der Luftbrücke durch den schwereren Autoverkehr ernsthaft beschädigt worden. Es müssen Schäden in der Betondecke beseitigt werden, was 2 Mio. DM kosten und zwei Jahre dauert. U-Bahnhöfe, die den Krieg überstanden haben, werden jetzt Opfer des MIV.

Im Versuch, die Fahrgeldeinnahmen zu erhöhen, soll auch ein Test mit der Einführung von Zugangssperren erfolgen. Ausgewählte Kandidaten sind dabei die Linien U2 und U4, die ein Gittersystem nach Londoner Vorbild erhalten sollen. Erfahrungen aus europäischen Städten zeigen, daß sich am „Bodensatz" vorhandener Schwarzfahrer von 6 % nichts ändern wird. Einen Vorteil hätte das System: die Sperren müssen zwingend mit Personal besetzt werden (gesetzliche Vorschrift!), so daß wenigstens die Fahrgastbetreuung neue Impulse erhielte.

Im Netz wird sich unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht viel ändern. Außer den unwillkommenen Geschenken des Senats in Form unsinniger Neubauten, werden andererseits die Betriebs- und Unterhaltmittel ständig reduziert. Somit ist an ein - wünschenswertes - U-Bahn-Nachtnetz nicht zu denken.

Die immer aufs neue diskutierte U76 als Zusammenlegung von U7 Süd und U6 Nord ab Mehringdamm sieht nur auf dem Papier vielversprechend aus. In der Realität scheitert sie an betrieblichen Problemen für die U7 westlich des Mehringdamms und am zweifelhaften Nutzen: 40.000 Fahrgäste würden Vorteile „erfahren", aber 50.000 Nachteile durch zusätzliches Umsteigen.

Ebenso ist die U14 wegen des Radikalumbaus des U-Bahnhofs Nollendorfplatz durch die BVG vor einigen Jahren eine Illusion. Die Wiedervereinigung wurde zwar ständig beschworen, aber nicht berücksichtigt. So können keine von Osten kommenden Züge der U1 Richtung Innsbrucker Platz abbiegen. Schade, denn die U4 könnte, wie es einst die U3 vormachte, von einer Direktanbindung an das übrige Netz profitieren.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 5/1999 (August 1999), Seite 10