Aktuell

Straßenbahnn-Neubaustrecke über den Alexanderplatz

Kreuzungsbereich Mollstraße/Otto-Braun-Straße


Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr

1. Dez 1999

Zu Ihrem Schreiben, mit dem Sie insbesondere den fehlenden zweiten Haltestellenzugang an den Straßenbahnhaltestellen im Kreuzungsbereich Mollstraße/Otto-Braun-Straße beanstanden, nehmen wir wie folgt Stellung.

Grundsätzlich stimmen wir mit Ihrer Auffassung bezüglich der zweiten Haltestellen-Zugänge völlig überein, halten jedoch - abweichend von Ihrer Einschätzung - hierbei stets eine Einzelfallprüfung für erforderlich.

Der Planfeststellungsbeschluß vom 5. Dezember 1997 für den Bau der Straßenbahn von der Mollstraße bis zum Hackeschen Markt (1. Bauabschnitt von Mollstraße bis Gontardstraße/Karl-Liebknecht-Straße) enthält im Abschnitt V.3.5. in Form einer derartigen Einzelfallprüfung detaillierte Aussagen) zu den seinerzeit von der IGEB und dem Bezirksamt Mitte von Berlin für die Straßenbahn-Haltestellen-Anlage Mollstraße/Otto-Braun-Straße geforderten zweiten Zugänge. Diese Forderungen wurden damals wegen der besonderen örtlichen Situation (Verkehrsschwerpunkt) aus nachstehenden Gründen zurückgewiesen:

Auch zweite Haltestellenzugänge sind in hoch belasteten Hauptverkehrsstraßen zur Gewährleistung der Fahrgastsicherheit nur in Verbindung mit einer Lichtzeichenanlage (LZA) möglich. Zusätzliche LZA können am Mollknoten aus Gründen der Leistungsfähigkeit jedoch nicht realisiert werden.

Foto: Frank Böhnke, November 1999
Eine alltägliche Situation an der Haltestelle: Die Gitter tragen eher dazu bei, daß das Überqueren gefährlich wird. Foto: Frank Böhnke, November 1999

Nichtsignalisierte Haltestellenzu- bzw. -abgänge über die jeweils mindestens vierstreifig Straßenfahrbahnen wurden deshalb vom Vorhabenträger, von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und von der Technischen Aufsichtsbehörde einvernehmlich abgelehnt.

Diese auch heute noch unverändert geltende Einschätzung steht nicht im Widerspruch zu den zitierten Leitlinien des BMV, da Leitlinien zwar allgemeine Zielstellungen enthalten, ihre Umsetzung jedoch nur vorbehaltlich der Beachtung vorliegender Randbedingungen erfolgen kann. Leitlinien sind keine rechtsverbindliche Vorschrift!

Die gleichfalls kritisierte Umsteigebeziehungen zwischen Straßenbahn und Omnibus bewerten wir unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten als praktikabel. Im Gegensatz zu Ihrer Meinung ist aus unserer Sicht keine hinreichende Sicherheit im „Schatten" der ampelgeregelten Knotenpunkte gegeben. Im Bereich der Bushaltestelle Mollstraße/Otto-Braun-Straße (Richtung Innenstadt), die in Höhe des nördlichen Haltestellenkopfes der Straßenbahnhaltestelle für die Linien 100, 142, 157, 2 5 7 und 348 eingerichtet ist, stauen sich beispielsweise permanent auf drei Fahrspuren Kraftfahrzeuge von der Mollstraße bis zum Kreuzungsbereich Greifswalder Straße/Friedenstraße/Prenzlauer Berg.

Aus den genannten Gründen können wir Ihren Argumenten in diesem Fall nicht folgen. Wir danken für die Hinweise und hoffen, Ihnen mit unseren Ausführungen gedient zu haben.

Kommentar

Das Schreiben ist in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich: zum einen lernen wir, daß Richtlinien für die Berliner Verwaltung keinen bindenden Charakter haben - zumindest wenn es fahrgastfreundliche Regelungen bei der Straßenbahn betrifft. Würde der Senat diese Haltung auch auf den Autoverkehr anwenden, dann könnte sich die Programmierung von Ampeln wesentlich einfacher gestalten: immerhin sind es da immer „Richtlinien" und „Vorgaben", die überdimensionierte Räumzeiten zugunsten des MIV „vorschreiben" und Busse und Bahnen behindern.

Zum anderen ergibt sich aus der Argumentation der Schluß, daß es allerhöchste Zeit ist, die stadtunverträglichen Straßenquerschnitte im Stadt-Zentrum auf ein vernünftiges Maß zurückzubauen. Denn sicherlich ist es nicht ganz ohne Risiko, eine autobahn ähnliche vier- oder gar sechsspurige Straße zu überqueren - da hat die Senatsverwaltung ganz recht.

Auf einem anderen Blatt steht allerdings, daß die Fahrgäste dieses Risiko in freier Entscheidung durchaus eingehen, da die vorgegebenen und aus der „Windschutzscheibenperspektive" kalkulierten Umsteige- und Zugangswege derartig ungünstig und weit sind, daß die Leute lieber „ wild" die Fahrbahn überqueren. Leider ist auch die BVG an der Gestaltung des Mollknotens nicht ganz unschuldig - wurden doch während des Planfesstellungsverfahrens die von der IGEB und dem Bezirk Mitte vorgebrachten Wünsche schlicht ignoriert.

Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr

aus SIGNAL 8-09/1999 (Dezember 1999), Seite 6