Nahverkehr

Potsdams Tramnetz wächst weiter

Gerade ein Jahr ist es her, daß im Bornstedter Feld in Potsdam die symbolische erste Weichenstellung für die Streckenerweiterung nach Westen und Norden stattgefunden hat.


Deutscher Bahnkunden-Verband, Regionalverband Potsdam-Mittelmark

1. Dez 1999

Am 25. November 1998 begann der Bau der zweitlängsten Potsdamer Tram-Neubau-Strecke seit mehr als 50 Jahren. Und schon am 4. Dezember 1999 findet die feierliche Inbetriebnahme des 2,7 Kilometer langen Abschnittes statt. Etwa 15.000 Einwohner soll der neue Stadtteil Bornstedter Feld einmal haben. Hinzu kommen 5.000 Arbeitsplätze sowie 2.000 Studierende und Mitarbeiter der Fachhochschule Potsdam.

In knapp eineinhalb Jahren wird hier die Bundesgartenschau 2001 ihre Tore öffnen. Zwischen 25.000 und 50.000 Besucher pro Tag werden dann erwartet. Ein Drittel davon sollen laut BUGA-Verkehrskonzept mit dem öffentlichen Personennahverkehr an- und abreisen.

Gute Gründe also, das 300 Hektar große Erschließungsgebiet Bornstedter Feld mit dem Potsdamer Straßenbahnnetz zu verknüpfen. Und was in Potsdam neu ist: Die Tram ist schon da, bevor das neue Wohngebiet Gestalt annimmt. Die Straßenbahn hat somit, anders als seinerzeit am Stern oder im Kirchsteigfeld, die Vorreiter- und Erschließungsfunktion bei der Entwikklung des neuen Stadtteils übernommen! Das gilt übrigens auch für den im nächsten Jahr entstehenden Nordast, die Streckenerweiterung in Richtung Buga-Haupteingang und Nedlitzer Kasernen.

Uralte Planungen werden Realität

Dabei sind die Pläne einer Tramverlängerung in Richtung Bornim/Bornstedt schon 100 Jahre alt! Nur haben vorwiegend finanzielle Gründe und der Charakter des Geländes als Kasernenstandort die Umsetzung dieser Pläne immer wieder vereitelt. Erst mit dem Abzug der sowjetischen Truppen änderte sich ab 1993 die Situation grundlegend. Das überwiegend aus Kasernen und Übungsplätzen bestehende, teilweise ökologisch stark belastete Gelände sollte nun ein blühender Stadtteil werden. Die Tram sollte bei der Erschließung eine maßgebliche Rolle erhalten.

Das Potsdamer Straßenbahn-Netz war bis dahin durch den Gegensatz von leistungsstarken Südost- und schwachen Nordästen charakterisiert. Auch der erwartete starke Buga-Verkehr, in Spitzenzeiten mit einem Takt von zweieinhalb bis drei Minuten, erforderte die Herstellung einer leistungsfähigen Tramanbindung an das Zentrum und an den neuen Hauptbahnhof.

Probleme bei der Trassenfindung

Zwischen 1994 und 1997 wurden umfangreiche Untersuchungen zur Trassenfindung durchgeführt, etliche Trassierungs-Varianten miteinander verglichen.

Die Trassenfindung gestaltete sich weit aus schwieriger als zunächst erwartet. Bei der Umweltverträglichkeit, aber auch mit der Denkmalpflege kam es zu Konflikten. Der „Große Eichenheldbock" mit einer seiner in Deutschland größten Brutstätten drohte die Strecke zu verhindern. Dem Käfer ist dank der Roten Liste gefährdeter Arten höchste Aufmerksamkeit zu schenken. Nur dank einer großräumigen Umfahrung, „Käferkurve" genannt, konnten Käfer und Tramtrasse gerettet werden.

Die neue Straßenbahn-Trasse in das Bornstedter Feld. So sollte es eigentlich überall sein: Die öffentlichen Verkehrsmittel werden mit in die Bauplanungen von Anfang an integriert. Foto: Frank Böhnke, Juli 1999
Daten zur Strecke

Noch höher schlugen die Wellen bei der Frage, ob und wie man die Kolonie Alexandrowka durch- oder wenigstens umfahren könne. Das einmalige Bau- und Gartendenkmal soll in die UNESCO-Denkmalliste aufgenommen werden. Man befürchtete nun eine massive Beeinträchtigung durch die Straßenbahn, die bisher bereits das Areal mit ihrer eingleisigen Führung bis zum Fuße des Kapellenbergs an seiner östlichen Flanke sowie im Norden berührt hatte. Daß seit Jahrzehnten schon Straßenverkehr mitten durch die Siedlung flutet, spielte merkwürdigerweise keine Rolle. Doch konnte schließlich eine befriedigende Lösung gefunden werden. Man entschied sich für eine zweigleisige Querung der Kolonie auf Höhe der ehemaligen Endhaltestelle Kapellenberg rund um den Hippodrom. In dem davor liegenden, früher eingleisigen Abschnitt, wurde die Straßenbahn vom Denkmal abgerückt. Die Fahrleitungsmasten im gesamten Denkmalbereich sind grün gestrichen. Zusätzliche Probleme brachten umfangreiche Leitungsverlegungen im Bereich der Puschkinallee.

Die Haltestellen

Als weniger problemträchtig erwies sich die übrige Neubaustrecke mit ihren sechs behindertengerechten Haltestellen. Deren erste auf dem Weg nach Nordwesten ist die neue Haltestelle Puschkinallee in Höhe Beyerstraße. Es folgt nach Passieren des Hippodroms und Durchfahren der „Käferkurve" die Haltestelle Am Schrägen. Nun geht es in das Bebauungsplangebiet „Kaserne Pappelallee". Die Trasse liegt hier innerhalb der neu geplanten Kiepenheuer Allee. Es folgt die Station Campus-Fachhochschule, hinter der der im nächsten Jahr zu bauende Nordast der Tram abzweigen wird. Weiter geht es durch den geplanten Stadtpark zur Haltestelle Hannes-Meyer-Straße. Erreicht wird nun das Bebauungsplangebiet Kaserne Kirschallee. Hier verläuft die Trasse in südlicher Richtung in Seitenlage zu einer Planstraße. Es folgt die Haltestelle Jan-Bouman-Platz. Nun verlaufen die Gleise weiter parallel zur Pappelallee und erreichen ihren Endpunkt Bornstedt, Kirschallee an der Ecke Pappelallee/Kirschallee. Hier befindet sich eine Wendeschleife, die im Uhrzeigersinn durchfahren wird. In ihrem Innern befindet sich die Haltestelle für den Bus der Linie 692, der hier auf seinem Weg zwischen Breite Straße in Potsdam und Bornim einen Verknüpfungspunkt mit der neuen Tramstrecke erhält. Bemerkenswert ist, daß nahezu die Hälfte der neuen Gleise als umweltfreundliches, begrüntes Gleis ausgelegt wurde.

Deutscher Bahnkunden-Verband, Regionalverband Potsdam-Mittelmark

aus SIGNAL 8-09/1999 (Dezember 1999), Seite 21