Regionalverkehr

Versehen oder Absicht?

Gespräch mit dem Chef von DB-Regio brachte eindeutige Klärung


IGEB

1. Dez 1999

Derjenige, der davon nicht betroffen war, mag sich darüber köstlich amüsieren und belustigt auf die Oberschenkel schlagen. Verärgert und wütend reagierten jedoch die Fahrgäste im RE-Bus von Neuruppin nach Berlin, als sie plötzlich 5,- DM mehr bezahlen mußten. Wildwest in Brandenburg?

„Sie wollen doch nicht um 22 Uhr Bus fahren"

Wer in Berlinbus ohne gültige Fahrkarte steigt, muß fünf Mark mehr bezahlen/Regelung im Bürgerbahnhof unbekannt

Mit fünf Mark sind Sie dabei, mit fünf Mark mehr selbstverständlich. Wer mit dem Prignitz-Express nach Berlin fahren will und beim Einsteigen keinen gültigen Fahrausweis vorweisen kann, muß generell diese Nachlösegebühr bezahlen. So billig wird's aber nur für jene, die ihren Kartenwunsch sofort beim Einsteigen dem Personal melden. Wer schon sitzt, bekommt 60 Mark Nachlöse-Gebühr aufgebrummt. All dies bestätigte gestern Dr. Marlene Schwarz, Pressesprecherin der Deutsche Bahn AG (DB) Berlin. Sie stellte klar, daß die Nachlösegebühr auch dann fällig ist, wenn kein Fahrkarten-Schalter oder -Automat an der Haltestelle ist. Das Argument: jeder könne sich frühzeitig genug eine Fahrkarte besorgen. Für Fahrgäste auf den Dörfern bedeutet dies teilweise eine Extrafahrt nach Neuruppin. Denn wer zum Beispiel am späteren Abend nach Berlin möchte, findet selbst am Bahnhof Rheinsberger Tor keine Möglichkeit, eine Fahrkarte zu erwerben. Für Frau Dr. Schwarz kein Problem, denn sie rechnet zu solchen Zeiten wohl nicht mit Kunden. Wörtlich sagte sie: „ Um 22 Uhr werden Sie ja nicht mehr Bus fahren wollen!"

Wochentags schließt die Fahrkartenausgabe am Rheinsberger Tor um 19:00 Uhr. Dann ist nur noch der Kauf beim Busfahrer oder im Zug möglich! Foto: Stephan Müller, Juli 1997

Im Bürgerbahnhof sorgte die Fünf-Mark-Regelung gestern für Erstaunen. Man habe andere Informationen, so Mitarbeiterin Ute Kutzner. Der Bahnkunden-Verband sprach von „Unverschämtheit" und „Wucher".

Ruppiner Anzeiger vom 29. Oktober 1999

„Keine Laune der Bahn" Betrifft: "Sie wollen doch nicht um 22 Uhr Bus fahren", Ruppiner Anzeiger vom 29. Oktober

„Mit großem Erstaunen habe ich Ihren Beitrag zum Thema Nachlösegebühr auf Seite drei gelesen. Mit Erstaunen deshalb, weil ich all das, was ich Ihnen erzählt habe, und was wir Ihnen mit einer Kopie aus der Kundenzeitschrift „Punkt drei" auch schriftlich haben zukommen lassen, in Ihrem Beitrag nicht zu lesen ist.

Mit keinem Wort ist deshalb in diesem Beitrag beschrieben, daß im Tarif des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg eindeutig geregelt ist, daß Fahrausweise generell vor Fahrtantritt zu erwerben sind. Es ist also nicht eine „momentane Laune" der Deutschen Bahn", sondern eine Tarifbestimmung des Verkehrsverbundes (VBB), und alle Verkehrsunternehmen des VBB handeln danach, auch die Deutsche Bahn.

Im übrigen gehe ich davon aus, daß die Kollegen im Bürgerbahnhof Neuruppin Tarifbestimmung des Verkehrsverbundes kennen, also von »Erstaunen« kann hier ebenfalls keine Rede sein.

Dr. Marlene Schwarz
Pressesprecherin Deutsche Bahn AG, Berlin"

Ruppiner Anzeiger vom 1.11.1999

Ärger im Bus: Bahn lenkt ein
Kunden siegen auf ganzer Linie:
Keine Zusatzgebühren, Geld zurück und Wartehalle

Auf zahlreiche Beschwerden von Fahrgästen und Ruppiner Anzeiger-Lesern hat die Deutsche Bahn (DB) AG prompt reagiert: Ab sofort muß keine Nachlöse-Gebühr im Berlin-Bus mehr bezahlt werden.

Das gilt für alle Haltestellen in Neuruppin, an denen keine Möglichkeit besteht, eine Fahrkarte am Schalter oder Automaten zu erwerben. Hans Leister, DB-Konzernbeauftragter für das Land Brandenburg, konte auf Ruppiner Anzeiger-Anfrage noch weitere erfreuliche Neuigkeiten vermelden. So müsse auch kein zusätzliches Entgelt bezahlt werden, wenn der Bus an der Steinstraße bestiegen wird. Wandert diese Haltestelle nach Abschluß der Bauarbeiten am Rheinsberger Tor wieder zum Bürgerbahnhof, muß dort eine Fahrkarte am Schalter erworben werden - sofern dieser geöffnet hat.

Auch in Berlin (außer am Bahnhof Zoo) könne im Expreßbus ohne Zusatzgebühr eine Fahrkarte gelöst werden, sichert Leister zu. All das sei während einer spontanen Konferenz beschlossen worden. Der guten Nachrichten kein Ende: Wer in den vergangenen Wochen die fünf Mark Nachlöse berappt hat, kann sie zurückverlangen. Der Buskunde muß nur den Beleg an folgende Adresse einschicken: DB Regio - RAN, Babelsberger Straße 18, 14473 Potsdam.

Auch wenn der Prignitz-Expreß per Schiene noch eine ganze Weile auf sich warten läßt (in Bahnkreisen spricht man jetzt von Mai 2000), warnt Leister jetzt bereits: Rollt der Zug, drückt die Bahn kein Auge mehr zu. Dann muß fünf Mark mehr zahlen, wer im Expreß keinen Fahrgschein vorweisen kann.

Auch die unwirtlichen Zustände der Bus-Haltestelle am Haltepüunkt West will sich der Bahn-Mächtige annehmen. Leister versprach, eine provisorische Wartehalle aufzutreiben Im Winter müsse dort eine Schutzmöglichkeit bestehen."

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In einem Gespräch mit der SIGNAL-Redaktion betonte Hans Leister, daß ein Fahrgast, der nicht die Möglichkeit habe, sich an der Haltestelle einen Fahrschein zu kaufen, dies im Zug ohne Aufschlag nachholen könne. Wichtig ist, daß sich der Fahrgast sofort und unaufgefordert (am besten gleich beim Einsteigen) beim Zugpersonal meldet. Es gilt also die altbekannte Regelung weiter.

Alles andere ist den Fahrgästen auch schwerlich verständlich zu machen.

IGEB

aus SIGNAL 8-09/1999 (Dezember 1999), Seite 26