Fernverkehr

Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 3 Uelzen - Salzwedel - Stendal in Betrieb

Ein verbessertes Fernverkehrsangebot ohne Nutzen? IGEB schlägt neue Zugverbindungen über diese Strecke vor


IGEB, Abteilung Fernverkehr

1. Mär 2000

Am 18. Dezember 1999 wurde das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nummer 3 Uelzen - Salzwedel - Stendal vollständig in Betrieb genommen. Der 107 Kilometer lange Abschnitt wurde mit einem Investitionsvolumen von 667 Millionen DM erneuert, wobei zwischen Nienbergen und Salzwedel die Bahnanlagen komplett wie der aufgebaut wurden. Im letzteren Abschnitt gab es bereits seit 1946 keinen durchgehenden Zugverkehr mehr.

Die auch als „Amerika-Linie" bekannt gewordene Strecke wurd e überwiegend eingleisig, aber elektrifiziert wiederhergestellt. Die Strecke läßt Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h zu. In Salzwedel wurde im Rahmen der Ausbaumaßnahmen ein elektronisches Stellwerk (ESTW) errichtet. Der Bau des zweiten Gleises ist - soweit derzeit nicht ausgeführt - berücksichtigt und kann entsprechend der Entwicklung des Verkehrsaufkommens in einer späteren Ausbaustufe verwirklicht werden. Angesichts des derzeit realisierten bzw. geplanten Zugangebots in der Relation dürfte dies allerdings unwahrscheinlich sein.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die seinerzeit zweigleisige Hauptbahn erhebliche Bedeutung sowohl im Personennah-/Fernverkehr (zum Beispiel mit den durchgehenden Schnellzügen Berlin - Wilhelmshaven) als auch im Güterverkehr. Das gegenwärtige Angebot mit acht Zugpaaren der Regionalbahn-Linie Magdeburg - Stendal - Salzwedel - Uelzen (mit wenigen zusätzlichen Zügen zwischen Stendal und Salzwedel) ist dagegen ernüchternd. Unverständlich ist in diesem Zusammenhang, daß der ehemalige Bahnhof von Bergen (Dumme) - dieser Ort wurde bis zur Inbetriebnahme der Strecke sogar im Schienenersatzverkehr bedient - nicht mehr als Zugangsstelle hergerichtet bzw. bestellt wurde. Die Einwohner Bergens sehen nun zwar die Regionalbahnzüge vorbeirauschen, ein Anreiz, auf den öffentlichen Personennahverkehr umzusteigen und dafür öfter das Auto stehen zu lassen, dürfte damit allerdings kaum zu erreichen sein.

Weshalb werden die in der Ost-West-Relation verkehrenden Interregio-Züge ausnahmslos über den überlasteten Knoten Hannover geleitet, während die Züge der ICE-Linie 10a zum Beispiel am Hauptbahnhof vorbeigeführt werden? Insbesondere für Direktverkehre von Berlin in Richtung Bremen und Wilhelmshaven kann das nun vollendete VDE-Projekt Nummer 3 Entlastung schaffen. Foto: Christian Schulz, Januar 2000

Chancen für Angebotsverbesserungen im Fernverkehr werden mit dieser Strecke zur Zeit nur sehr eingeschränkt genutzt. So verkehrt freitags (letztlich vorrangig für Bundeswehrsoldaten) ein Schnellzug zwischen Munster (Örtze) und Leipzig (D1149) und Sonntagabend in der Gegenrichtung (D 1148). Geplant ist darüber hinaus seitens der Bahn maximal die Führung einzelner Interregio-Züge der Relation Leipzig - Hamburg über Salzwedel und Uelzen, angekündigt war dagegen nach 1996 ein 2-Stunden-Takt mit Interregio-Zügen. Zusammen mit dem Schnellfahrabschnitt Berlin - Stendal bietet sich demgegenüber insbesondere für den Raum Berlin eine neue und direkte Interregio-Verbindung Berlin - Cuxhaven an, mit Systemhalten in Stendal, Salzwedel, Uelzen, Soltau, Bremen und Bremerhaven.

Neue Ziele könnten somit von Berlin aus umsteigefrei erschlossen werden, wobei in dieser Relation mindestens zwei Zugpaare pro Tag angeboten werden sollten. Durch die Vermeidung von Umwegfahrten würden sich für den Fahrgast in der beschriebenen Relation außerdem günstigere Fahrpreise ergeben (Berlin - Bremen über Stendal - Salzwedel - Uelzen: 346 Kilometer anstatt 385 Kilometer über Hannover).

Nicht unerwähnt sei, daß mit den zwischen Bremerhaven und Cuxhaven liegenden Ferienorten und Seebädern weiteres Fahrgastpotential vorhanden ist. Daß die Nachfrage nicht unbeträchtlich ist, beweist einmal mehr das Angebot der Linienbusse, die überwiegend genau dieselben Orte umsteigefrei bedienen.

Zusätzlich zu den beschriebenen Direktverbindungen Berlin - Cuxhaven kann auch eine Attraktivitätssteigerung des IR-Verkehrs in der Relation Berlin - Wilhelmshaven erzielt werden. Sinnvoll wäre dabei eine Führung der Züge jeweils im Wechsel über Magdeburg - Hannover bzw. Uelzen, so daß sich zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven ein 2 Stunden-Takt ergibt. Ziel bei einer derartigen Angebotsplanung soll und darf auch keinesfalls die Schaffung von Überkapazitäten sein. Unnötige Doppelleistungen können aber vermieden werden, wenn (insbesondere in Feriengebieten und Auslaufstrecken der Fernverkehrszüge) eine Einbeziehung in die regionalen Taktfahrpläne erfolgt. Dafür bleibt der Vorteil erhalten, daß Urlaubern mit in der Regel umfangreichem Gepäck ein beschwerliches Umsteigen erspart bleibt.

Unumgänglich ist allerdings eine Abstimmung und Koordination des Zugangebotes zwischen den Geschäftsbereichen Fernverkehr (DB Reise & Touristik), Regionalverkehr (DB Regio) und den zuständigen Aufgabenträgern (Bestellern), wie z um Beispiel der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen.

Im übrigen ist das von der Bahn angeführte Argument sicherlich verständlich, während der EXPO in Hannover auf Angebotsausweitungen zwischen Stendal und Uelzen zu verzichten, um Umleitungsmöglichkeiten, zum Beispiel für Güterzüge, zur Verfügung haben.

Nach Ende der Expo steht aber einem offensiveren Zugangebot auf dieser Strecke, die mit Steuergeldern wiederhergestellt wurde, nichts mehr im Wege - zum Nutzen für die Bahnkunden!

IGEB, Abteilung Fernverkehr

aus SIGNAL 1/2000 (Februar/März 2000), Seite 15