Aktuell
Hallo BVG, der S-Bahn-Boykott ist vorbei!
1. Jul 2000
Am 28. Mai jährte sich zum 5. Mal die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn nach Tegel. Und seit ebenfalls fünf Jahren ist dieser wichtige S-Bahnhof de facto ohne Busanschluß. Nicht weniger als fünf Linien fahren am S-Bahnhof Tegel regelrecht vorbei, ohne akzeptable Umsteigemöglichkeiten. Daran hat auch die Verlängerung der S-Bahn nach Hennigsdorf vor anderthalb Jahren nichts geändert.
Anfang Mai hatten sich der Baustadtrat von Reinickendorf, Dr. Wegner, und der Berliner Fahrgastverband IGEB an einen Tisch gesetzt und über die verfahrene Situation nachgedacht. Denn bisher scheiterten alle Planungen zur besseren Anbindung des Bahnhofs unter anderem daran, daß die BVG bisher Maximalforderungen aufgestellt hat, die Umbauten in Höhe von ca. einer Million im Straßenland erforderlich machen und ca. 80 Parkplätze kosten würde. Das ist utopisch, denn der Bezirk Reinickendorf hat im Jahr nur drei Millionen DM für Straßenbau-Maßnahmen zur Verfügung und außerdem besteht im Zentrum Tegel eine starke „Stellplatzlobby".
Hintergrund für die zähe Position der BVG ist, daß sie kein Interesse hat, ihre Buslinien mit dem S-Bahnhof Tegel zu verknüpfen. Sie befürchtet, möglicherweise Fahrgäste von der U 6 an die S25 zu verlieren. Ein Zustand, der an den S-Bahn-Boykott erinnert und endgültig in die Mottenkiste der Kalten-Kriegs-Nostalgie gehört.
Übereinstimmend stellten Baustadtrat Dr. Wegner und die IGEB fest, daß besonderer Handlungsbedarf zur Anbindung der Buslinie 133 an den S-Bf Tegel besteht. Für die Bewohner im Einzugsgebiet aus dem Bereich Heiligenseestraße wie auch Tegel-Süd besteht bisher keine Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn. Das neue Einkaufszentrum am Borsig-Turm ist auch nicht an den S-Bahnhof angebunden. Herr Dr. Wegner hat daher vorgeschlagen, die Buslinie 133 in Richtung Norden von der Berliner Straße über die Grußdorfstraße, Buddeplatz (Vorplatz des S-Bahnhofs Tegel), Buddestraße und Bernstorffstraße zum Bf Alt-Tegel zu führen. In der Gegenrichtung könnte die Fahrt vom U-Bahnhof Alt-Tegel über Bernstorffstraße, Buddestraße, Buddeplatz und Brunowstraße führen. Wie die Haltestellen am Buddeplatz angeordnet werden, wird noch untersucht.
Das einzige Problem stellt ein kurzer Abschnitt der Brunowstraße im Bereich des Buddeplatzes dar, der zur Zeit als Einbahnstraße ausgewiesen ist. An dieser Stelle müßte die Einbahnstraßenrichtung umgekehrt werden. Gleichzeitig würden ca. zwölf Querparkplätze in ca. fünf Längsparkplätze umgewandelt werden. Der Verlust wäre also vertretbar. Mit dieser „kleinen" Lösung wäre zwar die Umsteigesituation noch nicht für alle relevanten Linien verbessert, aber immerhin wäre schon kurzfristig und ohne nennenswerte Investitonen ein Schritt in die richtige Richtung getan. Jetzt hoffen der Reinickendorfer Baustadtrat und die IGEB, daß dieser Vorschlag nicht durch die BVG zerredet wird.
Die S-Bahn Berlin GmbH unterstützt diesen Vorschlag ausdrücklich, denn sie verspricht sich eine weitere Steigerung der Fahrgastzahlen in diesem Bereich. Bewährt sich die neue Linienführung für den 133er, so wünscht sich die S-Bahn Berlin GmbH, daß die übrigen Tegeler Buslinien 120, 124, 125 und 222 ebenfalls näher an den S-Bahnhof Tegel herangeführt werden. Diese Wunsch ist verständlich und wird von der IGEB im Interesse der Fahrgäste unterstützt.
Wir hoffen, daß die Senats-Verkehrsverwaltung mit dem frischen Wind der neuen Staatssekretärin Frau Krautzberger die Busanbindung unterstützt. Denn nach fünf Jahren, in denen viel geredet wurde, sich in der Sache aber für die Fahrgäste nichts verbessert hat, scheint ein leichter Druck seitens des ÖPNV-Aufgabenträgers wohl nötig, um die BVG hier zur Aufgabe der Blockadehaltung zu bewegen.
Zu dieser Presseerklärung erreichte uns eine Stellungnahme der BVG, die wir im Wortlaut dokumentieren. Neben einigen Tatsachen wiederholt hier die BVG altbekannte Positionen.
Schon lange vor der Wiedereröffnung des S-Bahnhofs Tegel hat die BVG geplant, die Buslinien näher an den Bahnhof heranzuführen.
Ideal wäre eine Verlegung oder Verlängerung des S-Bahnsteigs zur Gorkistraße (also in Richtung Fußgängerzone) gewesen, denn dort wollen die meisten Menschen hin, und dort fahren auch die Buslinien 120, 124, 125 und 222.
Aber leider blieben der Bahnhof und seine beiden Ausgänge in der ursprünglichen Lage, die für die heutige Verkehrserschließung ungünstig ist - im Wohngebiet am Buddeplatz deutlich zu weit weg von der Fußgängerzone Gorkistraße, und auf der anderen Seite der Bahn in einer Grünanlage.
Wir haben dann (ebenfalls 1994) vorgeschlagen, die Buslinien 120, 124, 125 und 222 näher an den S-Bahn-Eingang heranzuführen (ab U-Bahnhof Alt Tegel über Berliner Straße - Grußdorfstraße - Buddestraße zur Gorkistraße. Dafür sind aber eine Reihe von Umbauten erforderlich:
Ohne diese Umbauten wäre ein schneller und zuverlässiger Betrieb nicht möglich und für viele durchfahrende Fahrgäste in den Bussen würde sich die Fahrzeit deutlich verlängern.
Die S-Bahn fährt in Tegel nur alle 20 Minuten, die U-Bahn dagegen alle 5 Minuten, und vier von fünf Buslinien (120, 124, 125, 133, 222) verkehren mindestens im 10-Minuten-Takt. Das heißt: Die S-Bahn verkehrt nur jeweils im 20-Minuten-Takt, die Busse und U-Bahn dagegen im 5- bis 10-Minuten-Rhythmus.
Seit einiger Zeit diskutieren wir eine andere Möglichkeit, um die Linie 133 an den S-Bahnhof anbinden zu können. Wir haben uns dazu an das Bezirksamt Reinickendorf gewandt, leider noch ohne Antwort. Aber auch für diese neue Strecke (über Bernstorffstraße - Buddestraße - Veitstraße) müßte der Bezirk tätig werden (Haltestellen, Halteverbote, Baumschnitt für Doppeldecker). Dieses war auch dem Fahrgastverband IGEB bekannt. Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins Matthias Horth und Christfried Tschepe hatten vor einiger Zeit hier im Haus einen Termin mit d em Vorstandsvorsitzenden der BVG, Herrn Rüdiger vorm Walde, bei dem auch über die schlechte Anbindung des S-Bahnhofs Tegel gesprochen wurde. Gleich im Anschluß an dieses Gespräch erörterten die beiden Herren das Problem noch einmal mit unserem zuständigen Mitarbeiter für diesen Bereich, der auf die Schwierigkeiten hinwies, mit dem Bezirk zu einer Einigung zu kommen.
Um so überraschter sind wir, daß uns weder der Bezirk noch der Berliner Fahrgastverband auf den heutigen Termin hingewiesen, geschweige denn dazu eingeladen hat. Demzufolge ist uns auch der heute vorgestellte Vorschlag nicht bekannt. Aber auch hier muß in erster Linie das Bezirksamt tätig werden und abwägen, ob die Wegführung auch für die Mieter der betroffenen Straße zumutbar ist.
Die für den 133er vorgeschlagene Brunowstraße ist zur Zeit eine echte Anwohnerstraße ohne Durchgangsverkehr, teilweise Einbahnstraße, verfügt über eine Verkehrsberuhigung (Aufpflasterung), über Kopfsteinpflaster und über Straßenbäume, die beschnitten werden müssen!
Schließlich birgt auch der Fahrplan noch eine Problematik: Dadurch, daß die S-Bahn nur alle 20 Minuten fährt, kann der Bus entweder nur Zubringer zur S-Bahn sein oder die Fahrgäste von der S-Bahn abholen. Anschlüsse in beide Richtungen sind nicht möglich!
Wir werden mit dem Bezirksamt in Gesprächen eine Lösung finden, die für alle Beteiligten akzeptabel ist.
IGEB, Abteilung Stadtverkehr
aus SIGNAL 4-05/2000 (Juni/Juli 2000), Seite 4-5