Umland

Aus Angst vor Fahrgästen: Keine Bestellung auf der NLE

Seit dem Fahrplanwechsel am 28. Mai führt die Deutsche Regionaleisenbahn (DRE) fahrplanmäßigen Zugverkehr an den Wochenenden auf der Strecke Falkenberg - Lübben durch.


Deutscher Bahnkunden-Verband, Bundesverband

1. Jul 2000

Die Züge haben in Falkenberg, Uckro und Lübben Anschluß an den Regionalverkehr. Somit ist die Landesgartenschau in Luckau auch auf dem Schienenwege erreichbar. Aufgrund noch nicht vollständig abgeschlossener Streckenarbeiten wurden teilweise Schienenersatzbusse eingesetzt. Voraussichtlich zum 1. Juli 2000 werden alle Streckenarbeiten beendet sein.

Die Niederlausitzer Eisenbahn im Südosten Brandenburgs reicht von Beeskow über Lübben Uckro, Herzberg nach Falkenberg (ehemalige Streckennummern 205 und 212). Übersichtskarte zum DR-Kursbuch, Januar 1990.

Die Deutsche Regionaleisenbahn begann bereits vor mehr als einem Jahr zusammen mit der Stadt Luckau und der Landesgartenschau Luckau 2000 GmbH (Laga) mit der Vorbereitung eines Zubringerverkehrs auf der Schiene nach Luckau. In Kooperation mit allen Beteiligten (Stadt Luckau, Landkreis Dahme-Spreewald, Landesgartenschau, RVS, DB Regio AG, Verkehrsministerium und Verkehrsverbund Berlin/Brandenburg) wurde eine für die Fahrgäste optimale Andienung der Großveranstaltung angestrebt. Die Wiederaufnahme des Zugverkehrs wurde vor allem von der Stadt Luckau befürwortet.

Der Zug der DRE ist bislang nur ausgebremst worden.

Das Anliegen wurde im Mai 1999 an das Land Brandenburg herangetragen. Dieses sagte daraufhin eine Prüfung zu, ob eine befristete Bestellung von Zugleistungen - wie in anderen Ländern praktiziert - auch hier möglich wäre. Daraufhin konnte zunächst einmal nur wenig vom MSWV vernommen werden. Erste (negative) Tendenzen fanden sich dann am 4. September in einem Artikel in der Lausitzer Rundschau wieder. Dort hieß es zum Thema SPNV-Bestellung: " ... Doch gegen die Wiederaufnahme des Bahnverkehrs sprechen offenbar Ängste im Verkehrsministerium Brandenburgs. 'Das Problem: Haben wir einmal bestellt, könnte dies als Präzendenzfall angesehen werden', sagte Alexander Steudner vom Ministerium ...".

Der Abschnitt Uckro - Zöllmersdorf vor dem Umbau. Foto: Georg Radke
Der Abschnitt Uckro - Zöllmersdorf nach dem Umbau. Foto: Georg Radke

Weiteres konnte die DRE ebenfalls wieder nur über die Presse erfahren. " ... 'Wir favorisieren den Transport mit Bussen, denn es gibt diesbezüglich gute Verbindungen', verlautete aus dem brandenburgischen Ministerium. Man habe kein Geld, um die Strecke zu reaktivieren. 'Das müßten dann schon die Veranstalter selbst organisieren, falls Sie glauben, daß es sich rentiert', hieß es weiter ..." (Lausitzer Rundschau,16. November 1999).

Schließlich wurde die Anfrage vom Mai 1999 in einem MSWV-Brief vom 8. Dezember 1999 erschöpfend beantwortet: "... Wie Ihnen bekannt ist, hat das Land Brandenburg nach gründlicher Prüfung seinerzeit den SPNV ... abbestellt. Für eine Rücknahme dieser Entscheidung besteht auch anläßlich der Landesgartenschau Luckau 2000 keine Veranlassung ..."

Die Entscheidung des MSWV bzw. des VBB ist aus Sicht des Deutschen Bahnkunden-Verbandes (DBV) nicht nachvollziehbar, da ein Anbindungsverkehr zu einer Großveranstaltung wie der Landesgartenschau, zu der 400.000 Besucher erwartet werden, nicht mit den zuletzt von der DB AG durchgeführten Zugleistungen vergleichbar ist. Die Angst davor, einen Präzendenfall zuschaffen, deutet jedoch darauf hin, daß die Befürchtungen grotestkerweise in einer guten Inanspruchnahme der Bahn bestehen. Andererseits werden regelmäßige Zugleistungen auch zu Ortschaften wie Putlitz mit gerade einmal 2.000 Einwohnern bestellt.

Somit war klar, daß eine Leistungsbestellung durch den Aufgabenträger SPNV ausgeschlossen werden mußte. Es wurden Überlegungen angestellt, ein eigenwirtschaftliches Zugprogramm aufzustellen. Dem Verlauf der Besucherzahlen entsprechend wurden hierbei nur die Wochenendtage berücksichtigt. Das Ziel der Laga und der DRE war es, den Abschnitt Uckro - Lübben im stündlichen Wechsel mit dem RVS und der DRE zu bedienen. Das seit dem Fahrplanwechsel erhältliche Kombiticket sollte für beide Verkehrsmittel Gültigkeit besitzen. Die Idee, ein gemeinsames Kombiticket herauszugeben, entwickelte übrigens der Konzernbeauftragte der DB für Brandenburg, Hans Leister, in einem Gespräch mit Vertretern des DBV im Frühjahr 1999. Zwischenzeitlich wurde seitens der DRE auch die Idee eines Kombitickets ab Frankfurt/Oder entwickelt.

Zum Kindertag reichen die Zugbegleiter Süßigkeiten für kleine und große Fahrgäste. Foto: Georg Radke

In der Folge mußte die DRE feststellen, daß die Abstimmungen zum Kombiticket hinter verschlossenen Türen stattfanden. Im Februar brachte die Tarif-Veröffentlichungen im Tarif- und Verkehrsanzeiger Klarheit, daß die DRE beim Kombiticket unberücksichtigt bleibt. Doch damit nicht genug. In einem Brief der DB Regio AG vom 15. Februar wurde kein Zweifel daran gelassen, daß die DB alles tun werde, um umsteigende Fahrgäste von den DRE-Zügen fern zu halten: " ... Das Kombiticket, das in Zusammenarbeit zwischen RVS, LAGA und DB Regio entwickelt worden ist wurde und wird so kommuniziert, daß die Besucher nur auf diese beiden Verkehrsunternehmen gelenkt werden Auch die Idee des Kombitickets ab Frankfurt (Oder) wurde durch die DB ablehnt, da sie hierfür „keinen Handlungsbedarf" sehe.

Der schwarze Peter für das Mißlingen eines gemeinsamen Kombitickets wurde zwischen DB Regio AG und Laga hin und her geschoben. DB Regio AG: " ... Es kann also keine Rede davon sein, daß die DB Regio auf einen Ausschluß der Deutschen Regionaleisenbahn aus dem Kombiangebot drängt oder gedrängt hat. Vielmehr ist dies eine Bedingung des Kreises, der als Aufgabenträger und Gesellschafter des RVS das Defizit im Busverkehr des Landkreises zu tragen hat und des RVS selbst ..." Laga-Geschäftsführer Petschik wiederum führte aus, DB Regio habe mit einem Ausstieg aus d em Sponsoring gedroht, sollte die Laga mit der DRE „gemeinsame Sache" machen.

Fassadensanierung am DRE-Bahnhof Luckau. Foto: Georg Radke

Aufgrund der bereits erfolgten Fahrplanveröffentlichungen beschloß die DRE, ihrer Beförderungspflicht auch ohne Leistungsbestellung und Kombiticket nachzukommen. Klar ist, daß mit einer deutlich schwächeren Resonanz gerechnet werden muß. Es soll am Rande erwähnt werden, dass auch eine rechtliche Prüfung der Angelegenheit noch nicht abgeschlossen ist.

Wenn man bedenkt, daß sämtliches Engagement ohne Leistungsbestellungen und Investitionszuschüsse durchgeführt wird (in vielen Fällen auch durch die ehrenamtliche Mitwirkung von DBV-Mitgliedern und Einzelpersonen) so ist es wenig ermutigend, wenn selbst minimale Gesten seitens der Region ausbleiben. So wird die Bahn nach Luckau in den Materialien sowie in den Web-Seiten der Laga nach wie vor totgeschwiegen. Nicht einmal den Bahnhof haben die Laga-Verantwortlichen in ihren Karten eingetragen.

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Auf Anraten der Stadt Luckau hat sich die DRE auch des Bahnhofs angenommen. Um das Ortsbild zu verbessern, wurde die Fassade denkmalgerecht saniert und gereinigt. Geplant war, den Fahrkartenschalter als DB-Agentur wiederzubeleben. Die DRE kann hier auf ihre sehr erfolgreich betriebene Fahrkartengentur in Radebeul Ost verweisen. Doch auch dieses Vorhaben wurde durch die DB Regio AG gestoppt.

Nachdem die DB Regio AG trotz Versuchs nicht verhindern konnte, die NLE ins Kursbuch aufzunehmen, wurde n jedoch riesige Hürden aufgebaut. So sollte die KBS 213 (Beeskow - Herzberg) die Museumsnummer 12213 erhalten. Nach Protest und Hinweis auf den öffentlichen Verkehr wurde kurz vor Herausgabe des Kursbuchs eine Sonderregelung erfunden; die DRE erhält bundesweit als einzige Bahn eine „13" vor die Streckennummer. Diese Diskriminierung setzt sich fort, in dem in den DB-Tabellen die Verweise auf die NLE-Strecke weggelassen wurden, um Umsteigeplanungen zu verhindern.

Zur Durchführung des Verkehrs mußte der schon seit teilweise fünf Jahren nicht mehr genutzte Streckenabschnitt Schlieben - Uckro - Luckau reaktiviert werden. Hierzu waren unter anderem umfangreiche Freischnittarbeiten entlang der Strecke, die Instandsetzung von Bahnübergängen sowie Gleisvermessungen und umfangreiche Brückenprüfungen notwendig.

Triebwagen VT11 verläßt den Bahnhof Lübben Süd in Richtung Luckau. Foto: Georg Radke

Größtes Problem stellte jedoch das sogenannte „Paseriner Loch" dar. Es handelt sich dabei um einen 2,3 Kilometer langer Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Uckro und Zöllmersdorf, dessen Oberbau zu erneuern gewesen ist. Hier wurden die abgängigen Holzschwellen durch Betonschwellen ersetzt (Fotos Seite 26). Insgesamt wurden etwa 2.200 altbrauchbare Schwellen eingezogen. Den Abschluss der Arbeiten bildet nun eine durchgehende Stopfung. Die Leistungserstellung wurde hier überwiegend durch die Beauftragung einer Gleisbaufirma realisiert.

Aufgrund des Umfanges, letztlich auch durch Auflagen der Aufsichtsbehörde, konnte der vorgesehene Fertigstellungstermin zum Fahrplanwechsel nicht gehalten werden. Es ist nun vorgesehen, daß der Streckenabschnitt Schlieben - Luckau zum 1. Juli wieder befahren wird.

Die durchgehende Befahrbarkeit der Strecke ist nicht nur im Hinblick auf den Laga-Verkehr von Bedeutung. Aufgrund des bereits artikulierten Interesses der verladenen Wirtschaft geht die DRE auch von Güterverkehren aus, die über diese Strecke geleitet werden können. Hier ist insbesondere auch das neue Gewerbegebiet Alteno (zwischen Luckau und Düben) ein bedeutendes Potential. Letztendlich lassen auch Untersuchungen zur Entwicklung der deutsch-polnischen Verkehrsbeziehungen tendenziell einen durchgehenden Güterzugverkehr erwarten.

Geschichte der NLE

5. April 1884
Konzessionserteilung an die „Gesellschaft für Bau und Betrieb von Eisenbahnen Henning Hartwich 8< Co. zu Berlin" über den Bau einer Eisenbahn Falkenberg - Uckro - Luckau - Lübben.
18. Dezember 1896
Die „Niederlausitzer Eisenbahn-Gesellschaft" wird gegründet. Sie übernimmt den Bau der Strecke.
26. November 1897
Aufnahme des Zugbetriebes Luckau - Uckro.
15. März 1898
Aufnahme des Zugbetriebs auf der Gesamtstrecke.
20. Dezember 1899
Konzessionserteilung für die Verlängerung Richtung Beeskow.
24. November 1901
Aufnahme des Zugbetriebes nach Beeskow.
20. April 1945
Schwere Kriegsschäden führen zur Betriebseinstellung.
15. Juli 1945
Wiederaufnahme des Betriebs Falkenberg - Lübben.
1. April 1949
Die Deutsche Reichsbahn übernimmt die Verwaltung.
1951
Wiederaufnahme des Betriebs bis nach Beeskow.
ab 1960
Dieselfahrzeuge ersetzen nach und nach den Dampfbetrieb.
ab 1965
Teilweise kommen Leichtverbrennungstriebwagen zum Einsatz.
70er Jahre
Sanierung der Strecke.
ab 1995
bestellte das Land Brandenburg schrittweise alle Nahverkehrsleistungen
auf der NLE ab.
31. August 1998
Das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg erteilt die Konzession. Der Güterverkehr wird gegenwärtig noch durch DB Cargo AG erbracht.
30. Dezember 1998
Unterzeichnung des Übernahmevertrages, Betriebsaufnahme
zum 31. Dezember 1998.

Deutscher Bahnkunden-Verband, Bundesverband

aus SIGNAL 4-05/2000 (Juni/Juli 2000), Seite 25-27