Schienenverkehrswochen 2000
Eingeladen hatte der Berliner Fahrgastverband IGEB. Gastgeber war erneut die BVG, die freundlicherweise einen Mehrzweckraum auf dem Betriebshof Lichtenberg zur Verfügung stellte.
1. Feb 2001
Auch diesmal stand Unternehmensbereichsleiter Dr. Predl den Fahrgästen Rede und Antwort. Mit von der Partie war außerdem Herr Schönecke, Sachgebietsleiter und verantwortlich für die Beschleunigung der Straßenbahn.
In seinem Einführungsvortrag hob Herr Dr. Predl die Streckenverlängerungen hervor. An der Warschauer Straße haben sich die Umsteigebeziehungen für zehntausende Fahrgäste durch die dank der neuen Zweirichtungsfahrzeuge mögliche Verlängerung der Straßenbahntrasse verbessert. Ebenfalls verbessert hat sich die Anbindung von Französisch Buchholz durch die am 29. September 2000 verlängerte Linie 50. Seitdem kommen im Pankower Netz auch Niederflurfahrzeuge zum Einsatz. Eventuell wird auch die Neubaustrecke in der Müggelheimer Str. (Altstadt Köpenick) noch im Jahr 2000 in Betrieb gehen.
Auch bei der Streckenerneuerung hat sich einiges getan, die Sanierungsmaßnahmen wurden zu 80 % realisiert. Beispiele dafür finden sich in Marzahn, Hellersdorf oder in der Invaliden- und Brunnenstraße. Jedes Jahr werden nunmehr ca. 20 Kilometer Gleis erneuert. 400 Kilometer Gleis befährt die Berliner Straßenbahn insgesamt. Ein Sorgenkind ist beispielsweise noch die Regattastraße in Grünau. Die hier liegenden Gleise müßten dringend erneuert werden.
Das rechnergestützte Betriebsleitsystem (RBL) wird weiter ausgebaut. Es sorgt für mehr Pünktlichkeit der Züge (angeblich; nach Meinung der IGEB), da der Standort jedes einzelnen Zuges überwacht werden kann. Auch die Beeinflussung und Überwachung der Lichtsignalanlagen ist teilweise an RBL gekoppelt. In etwa einem Jahr sollen erstmals auch die Fahrgäste direkt vom RBL profitieren: An ausgewählten Stationen wird es Anzeigen („dynamische Fahrgastinformation") geben, die Auskunft über die Abfahrtzeiten der nächsten Züge geben. Doch damit nicht genug: Jeder Straßenbahnzug läßt sich dann über Funk ansprechen. So können Fahrgäste im Wagenzug bei Störungen direkt aus der Leitzentrale über Lautsprecher informiert werden. Wer gut informiert wird, hat auch mehr Verständnis für eventuelle Verkehrsunterbrechungen. Bisher verfügen 50 Prozent der Züge über die entsprechenden Voraussetzungen, bis Ende 2000 soll die gesamte Flotte umgerüstet werden.
Besonders interessant waren die Ausführungen von Dipl.-Ing. Schönecke über die Beschleunigung der Straßenbahn. Ziel ist es nach wie vor, alle Lichtsignalanlagen an Straßenbahntrassen auf Vorrang für die Bahn zu schalten. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Straßenbahn soll von 17,6 km/h auf über 20 km/h angehoben werden. Statt bis zu 20 Prozent Verlustzeit an Lichtsignalanlagen werden in anderen Städten nur zwei bis fünf Prozent gemessen. In Berlin soll dabei (leider nur) eine bedingte Bevorrechtigung eingeführt werden. Die Restwartezeiten sollen nach Möglichkeit in den Haltestellenbereich verlegt werden. Mehr als 80 Millionen DM kostet der Neu- und Ersatzbau von Lichtsignalanlagen in Zusammenhang mit der Umprogrammierung, der zu erheblichen Teilen von der BVG selbst finanziert werden muß.
Die Voraussetzungen sind größtenteils geschaffen: Markieren der Straßenbahntrassen auf Straßen, moderne Fahrzeuge, 65 Prozent eigener Bahnkörper. Interessant sind die technischen Details: Die Beeinflussung der umgebauten Lichtsignalanlagen erfolgt nun fast ausschließlich über Datenfunk. Die Bahn sendet drei Datentelegramme, zwei zur Anmeldung, eins zur Abmeldung. Auch die früher nur über den Weichenkontakt auslesbare Richtungskennung kann dabei rechtzeitig übermittelt werden.
Bei der Beschleunigung sind schon Erfolge zu verzeichnen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Linie 6 hat sich von 19 auf 21,6 km/h erhöht, bei der Linie 8 von 20 km/h auf 22,1 km/h. Die 18 fährt statt 19,5 km/h nun 21,3 km/h schnell. Bei der Linie 1 konnte immerhin eine Fahrplanstabilisierung erreicht werden. Herr Schönecke mußte zugeben, daß die Beschleunigung nicht überall funktioniert. Bei den Linien 2, 3, 4 ist trotz Umbau und Umprogrammierung der Anlagen noch kein Fahrzeitgewinn meßbar. Das entspricht auch unseren Beobachtungen (Signal hat in Ausgabe 6/2000 ausführlich über das Thema berichtet.). Die BVG will die Anlagen im Zusammenarbeit mit dem Senat überarbeiten und die Straßenbahn durch stärkere Eingriffe in den Signalablauf besser priorisieren. Als nächstes werden die Linien 50, 52 und 53 beschleunigt, im Jahre 2001 folgen Köpenick und Schöneweide.
Selbstverständlich kamen auch die Besucher zu Wort. Vielfach wurde sogar Lob gespendet: Die Straßenbahn bereitet den Fahrgästen von allen Verkehrsmitteln offensichtlich die wenigsten Probleme.
Viele Fahrgäste wollten wissen, wie es mit konkreten Planungen aussieht. Hier wurden folgende unverbindliche Aussagen gemacht: Die Linie 1 (Verlängerung zum Alexanderplatz) wird evtl. bis Ende 2002 realisiert. Das Projekt Leipziger Straße kann vielleicht in drei bis vier Jahren fertiggestellt sein. Ob die Bahn dabei durch die Rathausstraße fahren wird, steht in den Sternen. Die Strecke in der Bernauer Straße (Verlängerung der Linie 20) kann evtl. auch in 2002/2003 realisiert werden. Für Altglienicke gibt es noch keine konkreten Überlegungen. Die Streckenbaumaßnahmen hängen auch von ihrer Wirtschaftlichkeit ab. Eine Straßenbahn nach Moabit könnte in 2005/2006 realisiert werden, aber auch hier gibt es keine konkreten Planungen. Angedacht (aber nicht konkret geplant) sind die Strecken zum Ostbahnhof bzw. Hermannplatz.
BVG und Senat setzen weiterhin auf 100 Prozent-Niederflurfahrzeuge. Die BVG erhält 30 weitere Zweirichtungswagen vom Typ GT6. Neu an den Zügen ist unter anderem die Klimaanlage. Dabei können 4 bis 5 Grad unter Außentemperatur erreicht werden. Es wird überlegt, zukünftig Fahrzeuge mit einer Wagenbreite von 2,40 Metern zu beschaffen.
Erneut angesprochen wurde die Lärmentwicklung auf einigen Straßenbahntrassen. Hier gab Herr Dr. Predl Fehler bei der Gleisbaupolitik zu. Statt des finanziell günstigeren starren Rahmengleises hätte man lärmschluckendere Bauweisen nutzen sollen, auch wenn Kosten höher gewesen wären. Durch verstärkte Pflegemaßnahmen wird man jedoch den Lärmpegel senken können, dazu gehören das regelmäßige Schienenschleifen und der Einbau spezieller Weichen mit tieferen Rillen. Auch die Verbreiterung der Radreifen der Bahnen (von 85 mm auf 105 mm) wird zur Lärmminderung beitragen. Hier gibt es noch eine weitere gute Nachricht: Das Problem der Polygonbildung bei den Rädern der Niederflurzüge ist gemeinsam mit der TU (angeblich wieder) gelöst worden. Die Räder laufen „rund" und das häufige „Rumpeln" der Niederflurzüge soll bald der Vergangenheit angehören. Auch sollen geräuschärmere Gleiskonstruktionen im Bereich von dichtbebauten Wohngebieten bevorzugt werden.
Zur Fahrgastinformation wurde gefragt, warum es bei Umleitungen einen Unterschied zwischen dem Ziel auf der Zugzielanzeige und dem tatsächlichen Ziel gibt. Das hat mit der Philosophie der BVG zu tun, stets das fahrplanmäßige Ziel anzuzeigen. Man würde an gegebener Stelle auf Umsteigebeziehungen hinweisen, um Ortsfremde nicht durch „abweichende Zielangaben" zu verwirren.
Größere Namen an den Haltestellenschildern wurden vorgeschlagen. Die BVG denkt über Verbesserungen nach und wird auf der Linie 6 neue Ideen und Gestaltungsvarianten ausprobieren.
Angesprochen wurde der fehlende zweite Zugang an vielen Haltestellen, beispielsweise an mehreren Haltestellen der Linie 23 im Wedding oder am Frankfurter Tor. Auch die BVG ist für einen zweiten Zugang, allerdings ist das Thema ein heißes Eisen. Schwierigkeiten macht die Straßenverkehrsbehörde, die sich um die Verkehrssicherung sorgt. Wenn der Fahrgast ein Absperrgitter ignoriert, ist die Rechtslage eindeutig: Bei einem Unfall hat der Fahrgast Schuld.
Neben dem Vorschlag, Haltestellen bei wichtigen Knotenpunkten generell hinter der Kreuzung anzuordnen, wurde vor allem das Thema gemeinsame Haltestelle von Bus und Bahn angesprochen. Die BVG hat mit Kombi-Haltestellen gute Erfahrungen gemacht. Dort wo es möglich ist, sollen weitere umgebaut werden. Konkret realisiert wird es am Betriebshof Lichtenberg, angedacht ist es für den S-Bahnhof Hohenschönhausen. Herr Dr. Predl bedauerte, daß es am S-Bahnhof Friedrichstraße aus baulichen Gründen keine gemeinsame Haltestelle von Bus und Bahn gibt.
Ob die 52 wieder zum Hackeschen Markt fahren würde, lautete eine Frage. Doch dafür bestehe kein Bedarf. Jedoch ist auf Vorschlag der IGEB eine Verbindungskurve geplant, die von der Berliner Straße in die Wisbyer Straße führt. So könnten aus Pankow kommende Züge zukünftig auch in Richtung Prenzlauer Allee bis zum Alexanderplatz geleitet werden.
Kritisiert wurde, daß offenbar nun auch Straßenbahnzüge durch „Ganzreklame" verklebt werden. Eine durchgängig sichtbehindernde Ganzreklame sei aber nicht geplant. Dafür jedoch der versuchsweise Einbau von Videoanlagen in zwei Bahnen, um das leidige Vandalismus-Problem besser in den Griff zu bekommen.
Verbesserungen soll es auch für Nachtschwärmer geben. Die BVG will ihr Nachtnetz stärker am Tagesnetz orientieren und mehr Tageslinien auch in der Nacht durchfahren lassen. Bedauerlicherweise ist jedoch ein fahrgastfreundlicher Umbau des Nachtknotens Hackescher Markt nicht geplant.
IGEB, Abteilung Stadtverkehr
aus SIGNAL 9-10/2000 (Januar/Februar 2001), Seite 14-16