Schienenverkehrs-Wochen 2001

Der U-Bahn-Sprechtag

U-Bahn-Direktor Ulrich Deinhardt stellte sich am 10. Oktober 2001 im U-Bahn-Museum im U-Bahnhof Olympiastadion den kritischen Fragen seiner Fahrgäste.


IGEB, Abteilung Stadtverkehr

1. Dez 2001

In seiner Begrüßungsrede gab der U-Bahn-Chef einen Überblick über die Situation bei der Berliner U-Bahn. So erläuterte er die Ergebnisse nach den Bränden an den „Gisela-Züge". Sie erhalten neue Stromabnehmer und werden sukzessive ab November wieder zum Einsatz kommen, so daß im neuen Jahr der Notfahrplan aufgehoben werden kann. So wird als Reaktion auf die Brände jeder Bahnhof einen zweiten Zugang erhalten, bei dem er bisher fehlt. Begonnen wird damit auf den Bahnöfen der U 4 sowie Schillingstraße und Britz-Süd; die Baumaßnahmen dort sollen im Frühjahr 2002 abgeschlossen sein. Die U4 (die eigentlich nicht eine große Priorität hat wie zum Beispiel die U2) wird vorgezogen, weil der Einbau dort einfach und kostengünstig ist und die zweiten Ausgänge teilweise schon beim Bau berücksichtigt wurden. Sehr wichtig sind auch die Ausgänge auf der U2 wegen des Veranstaltungsverkehrs in Richtung Olympiastadion. Dort dauert der Bau der Ausgänge, die auch mit Aufzügen ausgestattet werden, etwas länger, weil ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muß. Am Theodor-Heuss-Platz erfordert der neue Zugang das Fällen eines Baumes und zwingt die BVG zu Verhandlungen mit dem Grünflächenamt. Dies war eine der Stellen, an denen Herr Deinhardt die Konfliktpunkte der BVG mit unterschiedlichsten Behörden dieser Stadt erläuterte. Aus Fahrgastsicht ist es kaum vorstellbar, welche Hindernisse der BVG in den Weg gelegt werden.

Referenzlinie U8: Gestorben!

Probleme gab es zum Beispiel auch mit der Senatverkehrsverwaltung mit dem Projekt „Referenzlinie U8". Dieses Vorhaben ist dem Rotstift zum Opfer gefallen und so wird es noch zwei bis drei Jahre dauern, bis die Bahnhöfe der U8 saniert sind. Aktuell werden etwa drei Bahnhöfe im Jahr aus GVFG-Mitteln saniert; wenn die Arbeiten auf der U8 beendet sind, soll es Verbesserungen auf der U5 geben. Probleme gibt es auch bei der Daisy-Ausstattung der U5 und U8. Der Hersteller hat eine Preiserhöhung vorgenommen, so daß sich die BVG gezwungen sah, die neuen Anzeigen für diese Linien europaweit auszuschreiben. Aus Fahrgastsicht bleibt nur zu hoffen, daß beide Systeme kompatibel sind.

HK-Zug bleibt Einzelgänger

Die BVG hat bisher 34 H-Züge (Großprofil) und vier HK-Halbzüge (Kleinprofil) beschafft. Die Anzahl der H-Züge wird sich noch auf 46 erhöhen. Einsatzgebiet soll dann neben der U5 und U8 auch die U7 werden. Diese zwölf zusätzlichen H-Züge benötigt die BVG auch, um im nächsten Jahr eine Angebotserhöhung im Bereich der U6 vorzunehmen. Durch die mehrmonatige Sperrung des Nord-Süd-Tunnels der S-Bahn werden U6, U8, und U9 in dieser Zeit mehr Fahrgäste transportieren. Besonders die U6 wird mehr Fahrgäste bekommen. Die BVG bevorzugt dabei die Variante einer Verdichtung zwischen Seestraße und Tempelhof. Nach Abschluß dieser Zusatzverkehre wird die Baureihe DL (Baujahre 1965 bis 1970) vollständig ausgemustert. Die A III-Züge der Baujahre 1964/1966 werden dagegen im nächsten Jahr überholt, da die Kleinprofilaufarbeitung deutlich billiger als ein neuer HK-Zug ist. Die BVG hat in diesem Zusammenhang die volle Unterstützung des Berliner Fahrgastverbandes IGEB, ebenso bei der Aussage, daß ohne Kenntnisse der Entwicklung nach 1989/1990 in Berlin diese Fahrzeugpolitik schwer nachvollziehbar sei. Es ist nämlich in der Tat verwunderlich, daß der Tunnelzug D nach gut 30 Jahren auf den Schrottplatz rollt, während der A III-Zug, der bei Fahrten auf der Hochbahn allen möglichen Wettereinflüssen ausgesetzt ist, nach 40 Jahren noch einmal runderneuert wird. In diesem Zusammenhang sieht die IGEB bestätigt, daß diese Großbestellung von H-Zügen keine sinnvolle Entscheidung war. Immerhin ergibt sich die Möglichkeit, bei einer Weiterentwicklung des HK-Zuges das Sitzplatzangebot zu erhöhen. Es liegt zur Zeit bei einem HK-Zug 25 % unter dem eines A III-Zuges.

Nachtverkehr am Wochenende? Wenn es bezahlt wird, ja

Die Bahnhöfe im Berliner U-Bahn-Netz, die noch keinen zweiten Ausgang besitzen, sollen nach und nach mit solchen ausgerüstet werden. Davon betroffen wäre auch der Bahnhof Viktoria-Luise-Platz. Foto: Alexander Frenzel

Im Zusammenhang mit dem neuen Nahverkehrsplan befürwortet die BVG einen U-Bahn-Nachtverkehr an Wochenendnächten (außer U4). „Es muß halt nur wer bezahlen", war der einzige Vorbehalt von Herrn Deinhardt. Eine Schwächung der U 2-West ab Theodor-Heuss-Platz hält Herr Deinhardt für sinnvoll, um zum Beispiel einen U2-Nachtverkehr nach Pankow zu finanzieren, den die IGEB forderte. Eine Kürzung der U2-West ging im Notfahrplan nicht, weil dort schon Bauarbeiten geplant waren, eine Dienstplanumstellung zu zusätzlichen Schwierigkeiten geführt hätte und die Senatsverkehrsverwaltung bisher den Kürzungsanträgen nicht zugestimmt habe. Insbesondere der letzte Punkt ist ärgerlich; auf der U2 im Prenzlauer Ast sollte der Wochenendverkehr so schnell wie möglich eingeführt werden.

Keine U76 und U14

Die im Nahverkehrsplan vorgesehene U75 (Alt Tegel - Rudow) lehnt die BVG wie die IGEB ab. Dies würde zu Lasten der U7 westlich von Mehringdamm gehen und ist nicht sinnvoll. Außerdem ist die Umsteigesituation am Mehringdamm baulich optimal. Wenn es der BVG gelänge, den Anschluß U6/U7 zu sichern, gibt es wirklich kein Argument mehr für die U76. Eine U14 (Warschauer Straße - Innsbrucker Platz) lehnt die BVG ab. Dies ginge zu Lasten der U1-West und auf der U4 können nach dem Fluchtweg-Einbau als zweitem Ausgang im Bahnhof Rathaus Schöneberg nur 4-Wagen-Züge fahren, die für die U1-Ost zu kurz sind.

Alexanderplatz bald behindertengerecht

U-Bahn-Bauchef Uwe Kutscher zog ein positives Fazit: Die Pünktlichkeit von Bauarbeiten ist verbessert. Größte Bauvorhaben waren der Einbau der „Flüsterschiene" auf der Hochbahn und die Sanierung zwischen Breitenbachplatz und Thielplatz. 2002 wird zwischen Thielplatz und Krumme Lanke gebaut. Die Sperrung beginnt kurz vor Abschluß des Uni-Sommersemesters, sonst würde sie mit der S1-Sperrung zusammenfallen. Saniert wurden die Bahnhöfe Platz der Luftbrücke, Märkisches Museum, Westhafen, Fehrbelliner Platz, Wedding und Deutache Oper. Berliner Straße und Wedding erhielten/erhalten Aufzüge. Ein wichtiges Projekt ist die behindertengerechte Ausstattung des Alexanderplatzes als Übergang von U-Bahn zur Stadtbahn und als Umsteigpunkt zwischen den U-Bahn-Linien. Dort ist der Einbau von vier Aufzügen für 2002/2003 vorgesehen.

An der Jannowitzbrücke sind leider keine Verbesserungen beim Umsteigen geplant; ein Einbau von Rolltreppen oder ein Aufzug wäre zu teuer. Allerdings sollten die Nieschen im Übergang zur S-Bahn geschlossen werden, damit sie nicht weiter von blasenschwachen Mitbürgern genutzt werden.

In Lichtenberg hat die BVG Probleme mit der DB AG. Der dort vorgesehene Aufzug geht durch den Fernbahnsteig D. Die Bahn verweigert mit Hinweis auf Bahnhofsumbauten bisher die Zustimmung. Als problematisch in der Zusammenarbeit mit der Bahn erweisen sich nach Aussage von Herrn Deinhardt die häufig wechselnden Zuständigkeiten im Bahn-Konzern. Der Bahnhof Nollendorfplatz erhält eine neue Kuppel, die an das historische Original erinnern soll. Finanziert wird dies durch Werbung am Baugerüst.

Scratching-Vandalismus kostet acht Millionen DM jährlich

Ein großes Problem stellt der Scratching genannte Vandalismus an den Zugfenstern dar. Acht Millionen DM zur Schadensbeseitigung schmerzen die BVG. Deswegen sind alle H-Züge videoüberwacht.

Eine fahrerlose U-Bahn wird es bis 2010 nicht geben, aber sie wird weiter erprobt. Probleme sind die Schnittstellen Bahnsteig/Zug und das Bergen/Retten im Notfall.

Jubiläumsprogramm

Geplant sind zum 100. Geburtstag der U-Bahn eine Nachstellung der „Ministerfahrt" am 15. und am 18. Februar der Fahrgastbetrieb, die erwähnte Eröffnung der Kuppel am Nollendorfplatz, eine Fahrzeugparade auf der Hochbahn Mitte August mit einer Ausstellung in der Trebbiner Straße, Fahrten, Veranstaltungen im U-Bahn-Museum und eine Fahrzeugausstellung in Friedrichsfelde. Es wird eine Sonderbriefmarke, eine 10 €-Sondermünze und Bücher zum Jubiläum erscheinen. Wer sich über die Geschichte der U-Bahn informieren will, dem ist ein Besuch im Berliner U-Bahn-Museum im U-Bahnhof Olympiastadion zu empfehlen. Geöffnet ist am zweiten Samstag im Monat von 10.30 Uhr bis 16 Uhr.

Einen großen Dank an die Verantwortlichen des Museums, die für das Gelingen der Veranstaltung sorgten.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 8/2001 (Dezember 2001), Seite 12-13