Aktuell
Du willst zum 1. Juli die Marke Mitropa aus Deinen Zügen verbannen - pardon: eine strukturelle Neuausrichtung vornehmen.
1. Jul 2002
„Das bedeutet: Der Geschäftsbereich Service im Zug von MITROPA soll in die Zugbegleiter-Aktivitäten der DB Reise & Touristik übergehen. Die Übernahme der rund 2.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt 1:1. Es handelt sich dabei erklärtermaßen nicht um eine Rationalisierungsmaßnahme, sondern um eine Serviceverbesserung", ist dazu auf Deiner Website zu lesen. Zwar heißt es: „Der zweite Geschäftsbereich, Stationäre Gastronomie und Handel (MITROPA-Citygastronomie und Service an der Straße), verbleibt bei MITROPA." Doch an anderer Stelle liest man: „Der Geschäftsbereich Service im Zug stellt das traditionelle Kerngeschäft der MITROPA AG dar."
Der Mitropa dies zu nehmen, ist ein konsequenter weiterer Schritt auf dem glorreichen Weg, so viel Tradition wie möglich zu tilgen. Mit den zahlreichen und nimmer enden wollenden Umstrukturierungen Deines Hauses hast Du, liebe DB AG, Dich ja in den letzten Jahren auch um die Einführung neuer, schnittigerer Begriffe bemüht: Den Lokführer wolltest Du am liebsten zum „Triebfahrzeugführer" machen, den Schaffner zum „Reisendenbetreuer" und den Fahrkartenverkäufer zum „Reiseberater". Aus dem Direktionspräsidenten wurde ein „Beauftragter der Konzernleitung", und selbstverständlich hatte ein so urtümliches, schnörkelloses Wort wie „Ausbesserungswerk" zu verschwinden. Vergangenheit ist der Bahnhofsvorsteher, und gibt es eigentlich noch Fahrdienstleiter oder Zugführer?
Zu einem Unternehmen, das sich bemüht, das Innere seiner Wagen Flugzeugkabinen anzugleichen, seine Fahrscheine aussehen zu lassen wie Flugtickets, und das am liebsten auch noch Stewardessen einsetzen will, paßt das Mitropa-Logo, dieses M auf einem Rad, nun wirklich nicht mehr - ebenso wenig wie der alte, eckige Schriftzug dieser Firma, der weit von der heute vorgeschriebenen Jugendlichkeit und Dynamik entfernt ist. Man hätte eben bei der Wiedervereinigung auch diese „Ostmarke", zu welcher die Mitropa mittlerweile geworden war, abwickeln und durch ihre westliche Schwester ersetzen sollen, statt auf Nostalgie zu verfallen und auch noch bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß es die Mitropa seit 1916 gibt.
Zwar handelt es sich bei diesem Namen um ein Kunstwort, doch zeitgemäß sind heute Schöpfungen wie „Antikal", „Pingui" und „Liquits" oder auch Phantasieprodukte wie „Kelts" und „Kia". Am besten sollten sie irgendwie englisch klingen, und - in Deinem Falle - auch nichts mehr mit der Bahn zu tun haben, zumindest nicht mit deutschen Bahn begriffen. Wie wäre es also an Stelle von Mitropa mit „Eat and Sleep"? Oder „Travelfun"? Und wo wir schon mal dabei sind: Solche in der Dampfroßzeit entstandenen Sachen wie „Gleis", „Bahnhof" oder „Zug" solltest Du auch endlich abschaffen. Da Du doch Flugzeuge so sehr liebst, könntest Du letzteren beispielsweise künftig „Track Jet" nennen. Ach pardon, besonders jung-dynamisch wirken heutzutage ja große Binnenbuchstaben, also: „TrackJet". Und aus dem Bahnhof, in dem mittlerweile ja auch das Shoppen das Wichtigste ist, wo es gelegentlich auch Events gibt, man aber nur Relaxen darf, wenn man etwas kauft (es sei denn in Wartesälen, Verzeihung: Lounges) - also aus dem Bahnhof könnte dann der „TrackJetStop" werden. Oder nein, „Stop" klingt so undynamisch, denken wir lieber an die Telekom, die aus den Telefonläden „T-Punkte" gemacht hat, also: „TrackJetPoint" (mit gleich zwei großen Binnenbuchstaben wie in „CityNightüne"). Statt der Mitropa gibt es dann „Track-Jet EasySleepNEat". (Für „Speisewagen" brauchen wir uns kein neues Wort auszudenken, den schaffst Du ja gleich ganz ab.) Und jeder Mitarbeiter, der noch mal die Worte „Bahn" oder „Zug" in den Mund nimmt, bekommt eine Abmahnung!
Aber Moment mal, liebe DB AG - nicht nur damit, ihren Opfern einzureden, sie brauchten alle paar Jahre ein neues Logo oder ein ganz anderes „Graphik-Design" verdienen ja manche Leute viel Geld, sondern auch mit der Kreation solchen Wortmülls. Also, meine Ratschläge schenke ich Dir noch aus alter Verbundenheit. Aber für „TrackJet" möchte ich Geld sehen - Verhandlungsbasis: drei Millionen?!
Jan Gympel
aus SIGNAL 3/2002 (Juni/Juli 2002), Seite 6-7