Berlin

Ab mit den Fahrgästen in den Stau!

Durch eine Baustelle in der Karl-Liebknecht-Straße, von der Bahnbrücke bis zum Alexanderplatz in Fahrtrichtung Osten, wird diese Straße auf zwei Fahrspuren eingeengt. Und die Busfahrgäste stehen im Stau.


IGEB

1. Jul 2002

Die Busspur wurde aufgehoben und zwar nicht nur hier, sondern gleich auf der gesamten Länge zwischen Spandauer Straße und Alexanderplatz. Warum sie von der Spandauer Straße bis zur Bahnbrücke gesperrt wurde, ist unklar. Es gibt eine Baustelle auf dem Bürgersteig an der Marienkirche. Möglicherweise muss manchmal ein Baufahrzeug auf der Busspur stehen, aber zum Beispiel am Nachmittag des 16. April 2002 war das nicht so und die gesperrte Busspur eigentlich frei befahrbar. Natürlich war sie das nicht. Autofahrer hatten sie als Parkplatz entdeckt.

In dem von sechs Buslinien (Linien 100, 200, 148, 348, 142, 143) im Minutentakt belegten Bereich, müssen sich die Busse nun auf dem gesamten Abschnitt in die stets zugestauten zwei Autospuren einreihen. Die Fahrzeit von der Spandauer Straße zum Alexanderplatz dauert so lange, als ginge man zu Fuß. Die Fahrpläne der betroffenen Linien geraten durcheinander und setzen sich im gesamten Stadtgebiet fort.

Der Senat hatte einst beschlossen, das Verkehrsaufkommen im innerstädtischen Bereich auf 80 Prozent für den ÖPNV anzuheben und konterkariert eben diesen Beschluss durch die grosszügige und überflüssige Sperrung. Eigentlich müsste „Im Zweifel zu Gunsten des ÖPNV" gelten.

Wie mit dieser Denkweise jemals ein 20:80 Verhältnis für den ÖPNV im Innenstadtbereich geben soll, ist rätselhaft. Hatte je ein Verantwortlicher vor, den Beschluss ernsthaft umzusetzen. Der Senat mag beschließen - wie die Realität aussieht bestimmt die Verwaltung.

Während die Busse in den Stau geschickt werden, wird die gesperrte Busspur schnell zur Willkommenen Park- und Entladespur umgenutzt. Foto: Alexander Frenzel

Die BVG hat bei den zuständigen Verkehrsverwaltungsstellen gefordert, auch während der Bauarbeiten in diesem Bereich die Busspur zu erhalten, auch zu Lasten des übrigen baustellengequälten Verkehrs. Auch besonders auf Grund der Tatsache, dass die Baustelle mindestens bis Mitte Juni, oder länger, besteht, ist der Zwang zu Gunsten des ÖPNV zu handeln, eigentlich besonders stark. Schließlich können auch viele stets umworbene Berlin-Touristen, in den Linien 100 und 200, hier das besondere Flair einer Busfahrt in einer weitgehend autogerechten Stadt, hier im Totalstau, genießen.

An diesem Prüfstein wird sich zeigen, ob die vielen Festreden der Politiker zur Stärkung des ÖPNV in dieser Stadt das Papier wert sind, auf dem sie stehen.

IGEB

aus SIGNAL 3/2002 (Juni/Juli 2002), Seite 17