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TGV als Vorbild für deutsche Tarife?

Nachdem der Fernverkehrs-Tarif der DB AG zum 1. August deutlich vereinfacht wurde und ein wenig Gelassenheit in der Diskussion eingekehrt ist, bleibt die Frage, ob das Ziel des im vergangenen Dezember eingeführten Tarifs mit dem jetzigen Modell erreichbar scheint. Das französische TGV-Tarif System kann vielleicht Anregungen für die Entwicklung auch des deutschen Systems geben.


DBV

1. Sep 2003

Das nun abgeschaffte System der Frühbucher-Rabatte war an die Tarife des Flugverkehrs angelehnt und hatte ein wesentliches Ziel: Durch besonders niedrige Fahrpreise (im Vergleich zum Normalpreis) sollten Fahrgäste, die zeitlich flexibel sind, in weniger stark frequentierte Züge gelockt werden. Da das Anhängen zusätzlicher Wagen oder gar der Einsatz zusätzlicher Züge in stark frequentierten Zeiten (meist freitags und sonntags nachmittags und zu bestimmten Zeiten der Schulferien oder an Feiertagen) nur sehr begrenzt möglich ist, ist dieser Denkansatz prinzipiell zu begrüßen. Da das nun abgeschaffte System die geringeren Fahrpreise für schwach besetzte Züge jedoch mit komplizierten Regelungen wie Wochenendbindung und Frühbuchungen und der Pflicht zur Kombination von Hin- und Rückfahrt verbunden hat, geriet es aufgrund der Kompliziertheit zu Recht in die Kritik der Öffentlichkeit. So ist durchaus passiert, dass ein Fahrgast, der unbedingt am Sonntag abend zur stark frequentierten Zeit die Rückfahrt antreten muss und deshalb keine preisgünstige Fahrkarte mehr bekam, die Hinfahrt dann am Donnerstag mittag im fast leeren Zug nur zum vollen Preis verkauft bekam. Das erscheint ihm natürlich unverständlich und bietet keinen Anreiz, tatsächlich den schwach belegten Zug am Donnerstag zu nehmen.

TGV in Frankreich Foto: DB AG/SNCF

Ob das neue Tarifsystem, das zweifelsohne übersichtlicher ist, einen Anreiz zur Benutzung schwächer ausgelasteter Züge bietet, bleibt abzuwarten. In diesem Zusammenhang lohnt sich aber ein Blick über die Grenze nach Frankreich, wo für den TGV ein einfach durchschaubares wie wirksames System gilt. Ausgehend von der Tatsache, dass den Fachleuten sehr genau im Vorhinein bekannt ist, welche Züge besonders stark genutzt werden und welche Züge weniger stark - das wissen die Fachleute der DB AG für ihre Züge ebenso gut und wurde dem DBV sogar schon einmal vorgestellt-, gilt für jeden Zug an den verschiedenen Wochentagen in der 2. Klasse eine der beiden Tarifstufen (in der ersten Klasse gibt es nur eine Tarifstufe). Im Fahrplan ist für jeden Zug getrennt nach Montag, Dienstag bis Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag angegeben, ob er in der „periode normale" oder zum teureren Tarif in der „periode de pointe", also der Spitzenzeit oder überhaupt nicht fährt. So wird - dem es möglich ist - sofort der Anreiz gegeben, auf verkehrsschwächere Zeiten auszuweichen. Gleichzeitig ist der Tarif für den Fahrgast durchschaubar und verständlich. In einer Tabelle werden in kleinen Fahrplanheften für die wichtigsten Relationen die Preise für 1. Klasse, 2. Klasse Normaltarif und 2. Klasse Spitzenzeit angegeben.

Zeichenerklärung im Fahrplan. Rechts unten im Bild: TGV in der normalen Zeit verkehrend, in der Hauptverkehrszeit verkehrend und TGV nicht an diesem Tag verkehrend.

Zusätzliche Ermäßigungen von 25 oder 50 % auf alle diese Preise gibt es dann nur noch für Kinder, Senioren, Mitfahrer, die ihren gültigen Rabattsatz kennen dürften. Die im TGV obligatorische Platzreservierung verhindert natürlich die Flexibilität bei der Nutzung der Züge. Sofern man mit der gleichen Fahrkarte auch einen anderen Zug den gleichen oder niedrigeren Preisklasse benutzen dürfte, wäre auch die im Vergleich zum Flugverkehr sehr attraktive Flexibilität der Bahn (gerade des Taktverkehrs) ebenfalls gegeben.

Dieses System - einfach verständlich, wirkungsvoll bezüglich des Anreizes zur Benutzung schwächer ausgelasteter Züge und flexibel hinsichtlich des Fahrtzeitpunkts - kann mit Sicherheit Anregungen zur Weiterentwicklung des deutschen Bahn-Tarifsystems geben.

DBV

aus SIGNAL 4/2003 (August/September 2003), Seite 10