Aktuell

Metropolennächte sind lang

Berliner U-Bahn fährt jetzt rund um die Uhr


IGEB Stadtverkehr

1. Sep 2003

In den letzten Jahren gab es über den Berliner Nahverkehr leider mehr Negatives als Positives zu berichten. Mit dem zum Fahrplanwechsel am 15. Juni 2003 eingeführten durchgehenden U-Bahn-Verkehr in den Wochenendnächten auf fast dem gesamten Streckennetz wurde im selbsternannten Verkehrs-Kompetenzzentrum nun aber tatsächlich ein Meilenstein im ÖPNV erreicht. Doch bis es so weit war, musste ein langer hindernisreicher Weg zurückgelegt werden.

Das Umsteigen zu später Stunde in Berlin ist durch das Angebot des U-Bahn-Nachtverkehrs bequemer geworden - jedenfalls für viele Fahrgäste. Foto: Alexander Frenzel

Eingeführt wurde der durchgehende U-Bahn-Nachtverkehr in den Wochenendnächten zum Sommerfahrplan 1990 auf den (West-) Berliner U-Bahn-Linien U 1 (damals Schlesisches Tor - Ruhleben) und U 9. Die Erfahrungen mit dem seither im Grundsatz unveränderten U-Bahn-Nachtverkehr waren durchaus positiv, aber wegen der fehlenden Netzwirkung hielten sich die positiven Auswirkungen für fie Fahrgäste in Grenzen. Umso verständliher, dass neben den Fahrgästen auch fast alle Parteien zunehmend für einen durchgehenden Betrieb im gesamten U-Bahn-Netz votierten. An der BVG prallten all diese Forderungen lange Zeit ab. Betriebliche Aspekte, nächtliche Bauarbeiten, erhöhte Betriebskosten waren die gängigen Argumente gegen eine Ausweitung des Betriebes. Auch die Wiedervereinigung der Stadthälften und die schnelle Intensivierung und Verlagerung des Nachtlebens in den Ostteil der Stadt bewirkten lange Zeit kein Umdenken bei der BVG.

Aber der Druck auf die BVG wurde stärker - insbesondere nachdem auch der Senat in seiner im Jahr 2001 beschlossenen Fortschreibung des Nahverkehrsplans einen durchgehenden Nachtverkehr im U-Bahn-Netz in den Wochenend-Nächten postulierte. Hinzu kam, dass der betriebliche Aufwand für das Nachtbus-Liniennetz in den Wochenendnächten erheblich war, weil einzelne Nachtbus-Linien im 10-Minuten-Takt und fast alle Radiallinien aus den beiden Citybereichen im Viertelstundentakt fuhren. Und weitere Taktverdichtungen zum Beispiel auf der Nachtbus-Linie N 5 wären wegen der gestiegenen Fahrgastzahlen unausweichlich geworden.

Durchgehender Betrieb fast im gesamten U-Bahn-Netz

Die Einführung des durchgehenden Nachtverkehrs in den Wochenendnächten auf fast dem gesamten U-Bahnnetz ist ein Meilenstein im Berliner ÖPNV. In den übrigen Nächten sorgen weiterhin die parallel fahrenden Nachtbuslinien für ein durchgehendes, für die Fahrgäste auch leicht nachvollziehbares Verkehrsangebot. An einigen Stellen besteht aber noch Nachbesserungsbedarf. Foto: Alexander Frenzel

Im Ergebnis verkehren seit dem Fahrplanwechsel in den Wochenendnächten (Freitag/Samstag, Samstag/Sonntag und vor Feiertagen) die U-Bahn-Linien 15, 5, 6, 8, und 9 durchgehend auf ganzer Länge und die U 2 sowie die U 7 leicht verkürzt (Pankow - Theodor-Heuss-Platz bzw. Rudow - Jakob-Kaiser-Platz). Ohne durchgehenden Nachtbetrieb bleiben somit neben der „Stummellinie" U 4 nur die U 1 nach Krumme Lanke und die Außenäste der U 2 nach Ruhleben sowie der U 7 nach Spandau, für die ein relevantes nächtliches Fahrgastaufkommen tatsächlich kaum zu erwarten ist.

Auf allen Linien besteht zwischen Mitternacht und ca. 5 Uhr ein 15-Minuten-Takt, der fast alle wesentlichen Umsteigerelationen innerhalb des U-Bahn-Netzes in akzeptabler Form gewährleistet und gleichzeitig kompatibel zum 30-Minuten-Grundtakt des natürlich weiterhin bestehenden sonstigen Nachtbus- und Nachtstraßenbahnnetzes ist. Wirtschaftlich darstellbar wird der durchgehende U-Bahn-Betrieb dadurch, dass die entlang dieser U-Bahn-Linien verlaufenden Nachtbuslinien in den Wochenendnächten eingestellt werden bzw. nur auf ihren weiterführenden Streckenabschnitte ab den U-Bahn-Endbahnhöfen verkehren. Und schließlich können auf mehreren weiteren Nachtbuslinien zukünftig die Verstärkerfahrten entfallen.

Gleichzeitig wurden einige Veränderungen im Nachtbusnetz vorgenommen, die vorrangig durch eine stärkere Orientierung der in der Wochenmitte parallel zu den U-Bahn-Linien verkehren Nachtbuslinien bedingt und damit der Philosophie eines 24-Stunden-Netzes (auch in der Wochenmitte) dienlich sind. Dies betrifft z.B. die Veränderung bei der Linie N 6 oder die Verlegung des Hellersdorfer Umsteigeknotens vom S-Bahnhof Kaulsdorf an den S- und U-Bahnhof Wuhletal. Zusätzlich wurde durch die Verlängerung der Nachtbuslinie N 84 vom Hackeschen Markt bis nach Moabit, Turmstraße eine empfindliche Lücke im innerstädtischen Nachtlinien-Netz geschlossen.

Und auch die S-Bahn hat ihr Nachtangebot in den Wochenendnächten nochmals deutlich verbessert. Auch auf der Stadtbahn und auf dem Ostring wird jetzt ein 15-Minuten-Takt angeboten, so dass praktisch das gesamte innerstädtische S-Bahn-Netz durchgehend im Viertelstundentakt bedient wird.

Es geht noch besser

Aber nichts ist so gut, dass man es nicht auch noch besser machen könnte. Natürlich können bei einem derartigen Nachtnetz nicht mehr alle Anschlüsse passen, aber die Anschlusskoordination zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln S-Bahn/U-Bahn/Nachtbus ist sicherlich noch verbesserungsfähig. Und schließlich sollten konsequent zu allen U-Bahn-Linien parallel verlaufende durchgehende Nachtbus-Linien eingerichtet werden, damit den Fahrgästen auch in den Nächten in der Wochenmitte die Orientierung am U-Bahn-Netz möglich bleibt. Am Beispiel einer neu einzurichtenden Nachtbus-Linie N 7, die in der Wochenmitte die bisherigen Nachtlinien N 19, N 4, N 21 und in allen Nächten N 23 und N 33 jeweils auf Teilstrecken ersetzen kann, wird deutlich, dass dies weitgehend kostenneutral möglich sein wird. Und schließlich sollte auch bei der Straßenbahn - dort wo es sinnvoll ist - eine stärkere Orientierung am Tagesnetz erfolgen. Dabei wäre insbesondere die Einführung eines durchgehenden Betriebes auf der Straßenbahn-Linie 23 sinnvoll, die teilweise die Nachtbuslinien N 26 und N 40 ersetzen kann und vor allem aber dem Szenebezirk Friedrichshain eine dringend erforderliche zusätzliche Nachtanbindung bieten würde.

Veränderungen tagsüber

Im gemeinsam von BVG und S-Bahn herausgegebenen Faltplan mit dem Tages- und Nachtnetz finden sich sogar weitere Hinweise auf die Umlandverkehre (hier zur Havelbus-Linie N38).

Die Veränderungen im Nachtverkehrsangebot hatten aber auch eine nennenswerte Veränderung im Tagesbetrieb der U-Bahn zur Folge. Weil die U 15 jetzt auch in den Wochenendnachten verkehrt, übernahm sie die Funktion der „Stammlinie" auf dem Kreuzberger Hochbahn-Abschnitt: So fährt die U 15 jetzt abends und sonntags auf der gesamten Strecke zwischen Uhlandstraße und Warschauer Straße, während die U 1 außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten nur noch zwischen Krumme Lanke und Nollendorfplatz verkehrt. Die BVG erhielt damit eine zusätzliche Sparmöglichkeit, weil der Ast nach Krumme Lanke in den Schwachverkehrszeiten mit 4-Wagen-Zügen bedient werden kann.

Sparen war aber auch das Motiv für weitere Maßnahmen im U-Bahn-Tagesverkehr, die angeblich nötig waren, um die Ausdehnung des U-Bahn-Nachtverkehrs kostenneutral darstellen zu können. So wurde die Fahrtenfolge auf den U-Bahn-Linien U 1 und U 15 tagsüber von jeweils sechs Minuten auf einen 6/7/7-Minuten-Takt gestreckt. Auf der U 2 endet tagsüber zukünftig jede zweite Fahrt bereits am Theodor-Heuss-Platz, so dass der verbleibende Abschnitt bis Ruhleben nur noch im 10 bzw. 6/7/7-Minuten-Takt bedient wird. Und auf der U 5 wurde die Fahrtenfolge im Berufsverkehr vom 3/3/4-Minuten-Takt auf einen 4-Minuten-Takt gestreckt.

Sehr viel gravierender ist jedoch die Halbierung der Fahrtenfolge durch Einführung eines sonntäglichen 20-Minuten-Taktes im Zeitraum zwischen 5 und 8 Uhr auf allen U-Bahn-Linien. Während bei einem 10-Minuten-Takt ein insgesamt gutes und beim nächtlichen 15-Minuten-Takt ein immer noch akzeptables Anschlussgefüge besteht, ist dieses bei einem 20-Minuten-Takt nicht mehr darstellbar. Direkte Umsteigeanschlüsse bzw. akzeptable Wartezeiten können dann nur noch auf ganz wenigen Umsteigebahnhöfen gewährleistet werden und auf vielen durchaus wichtigen Umsteigerelationen bestehen nun Wartezeiten von über einer Viertelstunde!

Es ist mehr als ärgerlich, dass mit dieser kurzsichtigen Maßnahme, deren Einspareffekte minimal sein dürften, die positiven Wirkungen des durchgehenden U-Bahn-Nachtverkehrs teilweise konterkariert werden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem neuen Nachtverkehr gemacht? Wo funktionieren die Anschlüsse, wo müssen Sie warten? Schreiben Sie

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 4/2003 (August/September 2003), Seite 11-12